Schwere Last gewinnt an Bedeutung

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Auf dem Forum »Sondertransporte« des ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc) in Bonn standen Groß- und Schwertransporte im Mittelpunkt. Rund 80 Fachleute und Betroffene diskutierten die aktuelle Situation und mögliche Lösungen

Schon vor Jahren klagte Sabine Baumann, Geschäftsführerin des Kran- und Schwertransport Spezialisten Victor Baumann aus Bornheim bei Bonn, dass die Transportbedingungen für ihre Spezialfahrzeuge immer untragbarer würden. Vor allem weitere Fahrten würden schon allein durch die Brückenproblematik in der Republik zum Geduldsspiel. Hinzu kommen schleppende Verfahren für Sondergenehmigungen und eine Infrastruktur die einerseits marode ist und sich andererseits im (Wiederauf-) Bau befindet. Die Forderung, deutlich mehr Sondertransporte über den Wasserweg abzuwickeln, ist daher nicht neu.

Wolfgang Draaf, Hauptgeschäftsführer und alleinvertretungsberechtigter Vorstand der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK), bestätigte die unhaltbare Situation für Schwer- und Großtransporte auf Deutschlands Straßen. Allein in NRW seien 26 Autobahnbrücken nur noch eingeschränkt nutzbar, Wege würden durch Genehmigungsverfahren teilweise verdreifacht, die Autobahnen seien überdurchschnittlich von Baustellen belastet und Kreisverkehre erschwerten in der weiteren Anbindung die Weiterfahrt, vor allem zu den Binnenhäfen. Auch die Dauer der Genehmigungsverfahren sei indiskutabel: »Wir haben einen kurzfristigen Bedarf, die Erteilung von Genehmigungen zu beschleunigen und sicherzustellen, dass erteilte Genehmigungen nicht wieder entzogen werden. Dazu braucht es transparente Prozesse. Wir fordern, dass Genehmigungen innerhalb von fünf Werktagen erteilt werden müssen«, so Draaf.

Markus Pecksen von der Siemens Gamesa Renewable Energy, schätzte, dass die gesamte Windbranche im Jahr 2017 rund 50.000 Schwertransporte in Deutschland durchführte. Trotz aller Schwierigkeiten auf der Straße, bleibt er dem Binnenschiff gegenüber skeptisch: Die Ausweitung von Transporten auf Binnenwasserstraßen sei zwar prinzipiell denkbar, derzeit sehe er aber noch keine Möglichkeit einer Realisierung zu akzeptablen Kosten. Abhängig vom Konzept und den Fertigungsstellen seiend die Vorläufe zu den Häfen sowie die Umschlagskosten von etwa 30 bis 45€ je Tonne für eine Windanlage wesentliche Kostenfaktoren. Hinzu kämen drohende Wartezeiten und das zusätzliche Verfahren der Komponenten, was das Risiko für Zusatzkosten erhöhe. Die Befahrbarkeit der Binnenwasserstraßen während Hoch- und Niedrigwasserphasen sei ebenfalls ein zusätzlicher Risikofaktor.

Alternativen zu Lkw-Transporten

Markus Nölke vom spc hingegen sieht in der Binnenschifffahrt und der Kurzstreckenseeschifffahrt schnelle Lösungsmöglichkeiten, um die Straßen zu entlasten. Allerdings müsste eine statistische Grundlage für Sondertransporte geschaffen werden. Aktuell würden Anzahl und Art der in Deutschland jährlich durchgeführten Sonder- und Großraumtransporte nicht gesondert erhoben. »Sofern keine Basisdaten vorhanden sind, lässt sich auch kein genauer Modal Split ableiten«, schlussfolgerte Nölke. Hilde Kammerer, Referatsleiterin im Bundesverkehrsministerium, versprach für 2018 Besserung. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) arbeite an einer Auswertung, die im ersten Quartal des kommenden Jahres vorliegen soll.

Disponenten bei Schwertransportspediteuren brauchen zudem mehr Transparenz über die Abläufe der Buchung von Frachtkapazitäten mit dem Binnenschiff. Teilnehmer der Veranstaltung monierten, dass sie durchaus mit dem Wasserweg liebäugeln würden, aber es sei einfach nicht bekannt, wann ein Binnenschiff mit freien Kapazitäten für eine Zuladung in der Nähe sei. Schließlich brauche die Branche eine verbesserte Kommunikation, einen klaren Informationsaustausch. Nölke kündigte in diesem Zusammenhang für das erste Quartal 2018 ein weiteres Forum an, auf dem Handlungsoptionen diskutiert werden sollen.

Die heimische international agierende Industrie sei auf eine belastbare Infrastruktur angewiesen, betonten alle Referenten der Unternehmen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau. Nur so könnten sie von ihren Produktionsstandorten, an denen sie mehrheitlich schon seit vielen Jahrzehnten angesiedelt sind, zukunftssicher weltweit exportieren. Sie machten auch deutlich, dass ihre Anlagen und Komponenten in Zukunft noch größer, länger und schwerer würden. Damit stiegen auch die Anforderungen an den Transport. »Für Schmidtsche Schack ist der Erhalt des derzeitigen Zustands der Oberweser von herausragender Bedeutung für den Standort Kassel. Die dort entwickelten und produzierten Anlagenkomponenten gehen bis in Gewichte und Dimensionen, die nicht mehr über die Straße transportiert werden können«, konstatierte Wolfgang Klecker, Director Business Development & Communication von Arvos.

Ruf nach multimodalen Konzepten

Die Anwesenden machten sich in Bezug auf das Straßennetz indes keine Hoffnungen, hier sei in den kommenden zehn bis 20 Jahren von keiner Verbesserung der angespannten Situation auszugehen. Deshalb rechnen sie auch künftig mit stark zunehmenden Behinderungen im Straßentransport, insbesondere durch weitere Ablastungen von Brücken. Die daraus resultierenden Umwege, die doppelt oder dreifach so lang sind, wie die direkte Strecke, seien auf Dauer nicht mehr durchführbar. Daher müssten multimodale Logistiklösungen viel stärker als Transportweg begriffen werden.

Einige Schwerlastspezialisten haben darauf schon reagiert und sich mit Umschlaganlagen in Binnenhäfen wie Krefeld oder im Rhein-Lippe-Hafen positioniert. Auch der Aufbau eines Netzwerks von Logistikern für Schwertransporte, wie etwa Bigmove, könne Vorteile bringen, indem standardisierte Fahrzeuge an verschiedenen Standorten vorgehalten würden. Ein wichtiger Bestandteil der Transportkette, die Seehäfen, würden Anlieferungen von Sondertransporten mit dem Binnenschiff gutheißen: »Wir begrüßen das sehr. Genauso wichtig ist uns als Terminal allerdings auch eine gute Erreichbarkeit über Straßen- und Schienenwege“, sagte C.-Steinweg-Geschäftsführer Rainer Fabian (Süd-West Terminal Hamburg).

Bei aller Skepsis sieht Nölke gute Chancen für die Binnenschifffahrt, stärker am Aufkommen von Sondertransporten zu partizipieren: »Die angespannte Lage auf den Straßen spricht dafür und die Kompetenz für diese Art von Transporten ist vorhanden. Ferner trifft der allgemeine Fahrermangel auch die Schwertransportspediteure. Dazu müssen wir die Möglichkeiten der Binnenschifffahrt noch stärker hervorheben«, erklärte er abschließend.
Martin Heying