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Kommt es an Bord von Schiffen zu Verletzungen, ist schnelle Hilfe erforderlich. Doch nicht immer ist der passende Arzt in der Nähe. Das Unternehmen MedAssist.online hat nun eine Softwareanwendung entwickelt, die bei der korrekten Versorgung helfen soll

Die Idee von MedAssist.online, die letztlich zu dem Tool führte, ist simpel und doch oder gerade deswegen so nützlich. Das Unternehmen, das seine Lösung auf der diesjährigen Europort-Messe in Rotterdam Anfang November auf der Plaza für Startups präsentierte, hat im Vorfeld seiner Entwicklung die 18 häufigsten Verletzungen an Bord von Schiffen ermittelt. Die Bandbreite reichte vom Anlegen einer Bandage über das Nähen einer Wunde bis hin zu Vergiftungserscheinungen und Schockreaktionen. Für all dies ist schnelles aber auch richtiges Handeln erforderlich. Hilfreich beim Zusammenstellen der Inhalte des Tools waren für die Entwickler nach eigenen Angaben die Erfahrungen ihres Schwesterunternehmens Emergency Control Maritime Training (EC-MT), das sich in Trainingskursen mit den entsprechenden Verhaltensregeln beschäftigt.

Eigentlich sollte bereits in der Schule erlernt worden sein, was im Notfall zu tun ist. Da Ernstfälle glücklicherweise jedoch eher selten eintreten, ist Vieles im Laufe der Jahre nicht mehr so präsent, um bei einem Unglücksfall die richtigen Maßnahmen zu treffen.

»Die Crew ist nur in den seltensten Fällen für die Versorgung all dieser Verletzungen entsprechend ausgebildet«, sagt Remko Huigen, der bei MedAssist.online für Strategy & Development zuständig ist. Nicht selten herrsche bei der Besatzung Ratlosigkeit, was bei den einzelnen Verletzungsmustern zu tun sei. Die Durchführung eines medizinischen Eingriffs sei zudem immer eine Stresssituation, bei der man unter einem gewissen Druck stehe. »Da es sich bei dem Verletzten häufig um einen Kollegen handelt, will man erst recht keinen Fehler machen«, ergänzt Huigen, denn schließlich wolle man ja helfen und nicht für mögliche Folgeschäden oder Infektionen verantwortlich sein. Doch genau das könnte durch falsches Handeln oder eine nicht sterile Wundversorgung passieren.

Um in der richtigen Art und Weise Hilfe zu leisten, eignet sich das von MedAssist-online entwickelte Tool, das auf Smartphones, Tablets, Computern oder Laptops genutzt werden kann. Nachdem der Anwender unter den 18 Verletzungen die »passende« ausgewählt hat, die es zu versorgen gilt, erhält er eine umfassende Anleitung, wie das mit der gebotenen Sorgfalt zu leisten ist. Anfangs wird ein Überblick gegeben, über die erforderlichen Materialien wie Skalpel, Nadel und Faden oder weitere Utensilien, die für die Behandlung benötigt werden. Anhand von Fotos und Videos erhält der Nutzer anschließend Schritt für Schritt eine Anleitung, wie die Verletzung korrekt versorgt werden sollte.

Nach Angaben von MedAssist.online nutzen bereits namhafte in der Seefahrt tätige Unternehmen wie Stena Line, Seatrade, Interorient oder Acta Marine das Tool. Hier sei es ganz besonders sinnvoll, denn auf dem offenen Meer ist die nächste Rettungsstation teilweise mehr als 1.000km entfernt.

Aber auch auf Binnenschiffen kann die Softwareanwendung, die der Entwickler als zusätzliches Besatzungsmitglied bezeichnet, sehr nützlich sein. Da die Entfernungen bis zum Ufer hier normalerweise weitaus kürzer sind, dauert es zwar in der Regel nicht so lange, bis ein Arzt oder Krankenhaus aufgesucht werden kann. Vor allem auf Flüssen, die durch periphere Landstriche führen, ist jedoch auch nicht immer von schneller Hilfe auszugehen. Auch in solchen Fällen ist die Crew also nicht selten auf sich allein gestellt.

Um nicht auf externe Hilfe angewiesen zu sein und im Notfall selbst regieren zu können, vertraut auch der Lotsendienst Rotterdam (Loodswezen) auf die Softwareanwendung.

MedAssist-online hat nach eigenen Angaben das Ziel, im kommenden Jahr auch den deutschen Markt zu erschließen. Nach Auskunft der Entwickler steht die Software auf Wunsch in 25 Sprachen zur Verfügung. Online und als Download stellt MedAssist-online zusätzlich aktuelle medizinische Dokumente (PDF) wie den schiffsärztlichen Leitfaden, das Sanitärhandbuch und den Erste-Hilfe-Leitfaden für Medizinprodukte (MFAG) bereit.
Thomas Wägener