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Mit einem klimaneutralen Seminarschiff hat sich Eigner Felix Eisenhardt einen Traum erfüllt. Jetzt will er den ungewöhnlichen Neubau erfolgreich vermarkten und rechnet mit einer Vorbildwirkung für weitere Projekte

So manche Schiffstaufen sind nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen. Manchmal will die Champagnerflasche nicht zerplatzen, oder man muss auf die Taufpatin warten, die zu spät oder vielleicht auch gar nicht kommt …

So geschehen an einem trüben und vernieselten Novembertag. Eigentlich sollte Renate Künast, Bundestagsabgeordnete der Grünen, den Taufakt vornehmen. Sie wurde jedoch durch die noch laufenden Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition in Berlin aufgehalten. Daher wurde erst von 10 Uhr auf 16 Uhr verschoben – und schließlich ganz abgesagt.

Schiffseigner Felix Eisenhardt bat seine Frau Uta, Renate Künast zu vertreten, was sie auch im dritten Anlauf erfolgreich schaffte und dem Neubau den Namen »Orca ten Broke« gab. Eisenhardt ist Fan der Rügenfestspiele in Ralswiek, einst ein Fluchthafen der Liekedeeler unter Klaus Störtebeker. Dessen portugiesische Frau soll diesen Namen getragen haben. Am Schanzkleid steht hingegen die Internet-Adresse seminarschiff.com.

Etwa 100 geladene Gäste befanden sich an Bord und konnten sich das neue Schiff in aller Ruhe ansehen. Felix Eisenhardt als Schiffseigner und Ingo Schillinger, der bei Ostseestaal/Formstaal (OSF) in Stralsund als Objektleiter für den Bau des neuen Schiffes zuständig war, hatten viele Fragen zu beantworten.

Eisenhardt wohnt seit 13 Jahren auf einem von ihm selbst als klimaneutral hergerichteten Hausboot wohnt, das früher einmal als Wohnschiff eines Wasserbauunternehmens gedient hatte. Er hat mittlerweile praktisch alles ausprobiert, um sich mit Hilfe von Sonnenenergie von anderen Energieträgern unabhängig zu machen. So kam er auch auf die Idee, sich an ein Schiff als schwimmenden Veranstaltungsort bauen zu lassen.

Ingo Schillinger von Ostseestaal sah in Eisenhardts Vorhaben eine Herausforderung für sein Unternehmen, das sich bereits einen Namen im Bau von Wohnbooten, Personen- und Autofähren oder kleinen Fahrgastschiffen mit Elektro-Antrieb gemacht hat. Schiffskörper und Aufbauten bestehen aus Aluminium, weil die geringere Verdrängung gegenüber Stahl den Energieverbrauch senkt.

Eisenhardt will Elektromobilität auch in der Binnenschifffahrt einsatzfähig machen. »Der Klimawandel lässt uns keine Wahl«, sagt er. »Jedes Kilogramm CO2, das in die Luft geblasen wird, ist eines zu viel.« Gerade in der Berliner Innenstadt, wo mehr als 130 Fahrgastschiffe unterwegs sind, stören Dieselabgase. Außerdem fahren Elektroschiffe fast geräuschlos, ebenfalls ein Vorteil im Wassertourismus. Er ist sich daher sicher, dass weitere Schiffe dieser oder ähnlicher Art gebaut werden. Reedereien hätten bereits Interesse an Kooperationen geäußert. Auch Ostsseestaal/Formstaal hat gut 20 Projekte in Arbeit. Es bestehe also ein Markt, der noch nicht vollständig erschlossen sei.

Finanzierung war schwierig

Die Finanzierung des Projektes sei nicht einfach zu stemmen gewesen, so Eisenhardt. Einige Banken hätten sich sehr zurückgehalten. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) habe mit einem sehr zinsgünstigen Kredit geholfen, die Kosten von rund 2Mio. € zu schultern, ohne dass Fördermittel nötig gewesen seien. Nun komme es darauf an, das Schiff erfolgreich zu vermarkten.

Das Schiff selbst ist so konzipiert, dass es in erster Linie den Erfordernissen als Veranstaltungsschiff gerecht wird. Es ist in drei Decks unterteilt. Im Unterdeck, etwa 1,20m hoch, sind alle technischen Einrichtungen, die für den Schiffsbetrieb oder die Ver- und Entsorgung erforderlich sind, untergebracht. Dazu gehören ein Batterieraum, ein Generatorbereich, der Maschinenraum mit dem Elektroantrieb und der Wellenanlage sowie alle Tanks für Trinkwasser, Abwasser und die Wiederaufbereitungsanlagen.

Das Zwischendeck besteht aus einem großen Seminarraum über etwa drei Viertel der Schiffslänge von 36m und die gesamte Schiffsbreite von 8,25m. Dieser Seminarraum kann durch drei Ziehharmonikaschotte in drei Einzelräume getrennt werden. So könne sich das Schiff auch in eine schwimmende Lounge, einen Messestand, eine Party-Location etwa für Weihnachtsfeiern, einen Kinosaal, ja sogar in ein luxuriöses Wohn- und Schlafzimmer verwandeln. Bei 2,60m Raumhöhe fühlen sich die Fahrgäste in der Höhe nicht eingeschränkt oder beengt. Die Schiffsbreite ist auf die Passgenauigkeit der Solarmodule ausgerichtet, die auf dem Sonnendeck installiert sind. Sonnendeck und Ruderhaus sind bei niedrigen Brückenhöhen variabel hydraulisch absenkbar.

Durch die ebenfalls hydraulisch betriebenen zwei Ankerpfähle, die bis auf 4,50m Wassertiefe herabgefahren werden können, lässt sich das Schiff ohne die üblichen Anker fest am Flussgrund arretieren.

Bei der Projektierung und dem Bau des Schiffes sei eine Vielzahl technischer Lösungen eingebracht worden, um den Energiebedarf des Seminarschiffes ausschließlich aus umweltschonenden Ressourcen abdecken zu können. Dank der leistungsfähigen Photovoltaik-Anlage und den kapazitätsstarken Batterieblock ist das Schiff weitgehend autark unterwegs. Sonnenenergie liefert im Jahresdurchschnitt täglich rund 80 kWh. Die Batteriekapazität sei so ausgelegt, dass auch ohne Sonne eine bis zu siebenstündige Fahrt möglich ist.

Für Zeiten, in denen wenig Solarstrom produziert werden kann (Nebel, Regen), arbeitet ein Dieselmotor mit gebrauchtem und gereinigtem Pflanzenöl auf einen Generator, der den elektrischen Antriebsmotor mit klimaneutraler Energie beliefert.

Die Abwärme dieses Motors wird bei kühleren Temperaturen für den Betrieb der Klimaanlage genutzt, die über eine Fußbodenheizung auch in der kühleren Jahreszeit für angenehme Temperaturen sorgt.

Wie oft die »Orca ten Broke« tatsächlich als Seminarschiff unterwegs sein wird, weiß Eigner Felix Eisenhardt noch nicht. »Etliche Anfragen sind bei uns in der Bearbeitung«, berichtet er. »Aber wenn wir Schulungen haben, wird das Schiff nicht fahren, damit die Lernenden nicht abgelenkt werden. Daher fahren wir nur in Pausen oder bei den Hin- und Rückfahrten. Auch die »Binnenschifffahrt« wünscht allzeit gute Fahrt.


Christian Knoll