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Wie sich bereits angedeutet hatte, sind die Güterverkehrsleistungen in Berlin und Brandenburg im dritten Quartal 2017 deutlich zurückgegangen. Grund hierfür ist nicht allein der Wegfall der Braunkohletransporte

Die ausbleibenden Braunkohlentransporte zwischen dem LUTRA-Hafen Königs Wusterhausen im Land Brandenburg und dem Kraftwerk Rummelsburg in Berlin haben für beide Standorte über das Jahr gesehen einen Rückgang von etwa gut 500.000t Güter zur Folge. Doch auch der Transport der übrigen Warenguppen, die das Statistikamt für beide Länder definiert, ist vom zweiten zum dritten Quartal teilweise drastisch zurückgegangen. Der Vergleich im Gesamtverkehr gegenüber den ersten drei Quartalen 2016 zeigt das eindeutig: Wurden in den ersten neun Monaten 2016 noch gut 2,5Mio.t ausgewiesen, waren es im selben Zeitraum des vergangenen Jahres nur noch knapp 2Mio.t. Das entspricht einem Rückgang von 23,4%. Der Anteil der Tonnagen, die mit deutschen Schiffen transportiert wurden, betrug 2016 nach drei Quartalen 1,87Mio.t, während im selben Zeitraum ein Jahr später nur noch 1,47Mio.t befördert wurden. Dies entspricht einem Minus von 21,4%.

Die seit Mai 2017 ausgefallenen Kohletransporte schlagen, auf die drei Quartale bezogen, um -25,8% zu Buche. Es zeigt sich jedoch, dass andere Gutarten teilweise noch erheblich größere Rückgänge zu verzeichnen haben. Beispiele hierfür sind chemischen Erzeugnisse (-77,6%), landwirtschaftlichen Erzeugnisse (-69,5%), Mineralölerzeugnisse (-69,1%) und Metalle und Metallerzeugnisse (-44,8%). Die einzigen Güterarten, deren Transporte zugenommen haben sind Steine und Erden, also überwiegend Baustoffe (+ 8,8%) und Mineralöle (+1,7%), die mit Tankern nach Berlin kommen.

Berlin steuert auf Negativrekord zu

Obwohl Berlin von Westen her nun mit größeren Schiffen erreichbar ist (siehe auch den Beitrag über Baufortschritte beim VDE Projekt 17 auf S. 50 ff), gibt es keine Statistik, die verzeichnet, was aus dieser Richtung mehr oder weniger nach Berlin transportiert wird. So kann es dazu kommen, dass zum Ende des Jahres 2017 für Berlin auf das gesamte Jahr gesehen das niedrigste Güterverkehrsaufkommen seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen nachgewiesen werden wird. Die genauen Zahlen werden frühestens im März dieses Jahres veröffentlicht.

In der Berliner Verkehrspolitik spielt die Binnenschifffahrt offensichtlich demnach nur eine untergeordnete Rolle. Auch Olaf Krüger, Niederlassungsleiter Berlin von Rhenus Partnership, bereitet der Trend Sorgen: »Diese Entwicklung ist nicht gut. Die Position Berlin Rummelsburg gesamt 2017 und 3. Quartal 2017 zeigt, dass da eine Ursache für den Mengenrückgang liegt, die sich im 4. Quartal und folgend so fortsetzen wird«, prognostiziert er und fügt sarkastisch hinzu: »Eine Stadt, die zunehmend Softwareentwicklung und Dienstleistungen als Treiber ihrer Wirtschaft betrachtet, braucht keine Frachtschifffahrt – die braucht nur noch ’Weiße Schiffe’ zum Abfeiern dieser Entwicklung.«

In der neuen Berliner Koalitionsvereinbarung lässt sich nur ein einziger Bezug zur Binnenschifffahrt erkennen, nämlich in folgender Formulierung: »die schienenseitige Erschließung geeigneter Gewerbe- und innerstädtischer Logistikstandorte sowie die Nutzung der Wasserwege für die Belieferung der Innenstadt«, sei zu fördern.

Auch Brandenburg ist betroffen

Auch von und zu den Häfen des Landes Brandenburg sind in den ersten drei Quartalen 2017 nach Angaben des Statistikamts 8,9% weniger Güter unterwegs gewesen. Waren es 2016 noch knapp 2,65Mio.t, so kamen in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres nur noch 2,41Mio.t auf die Waage, also rund 235.000t weniger. Auch der Anteil der mit deutschen Schiffen transportierten Güter ging von 1,9Mio.t auf 1.640Mio.t (-14,1%) zurück.

Brandenburg hat zwar mit der P-17-Strecke zwischen Wendtsee bei Wusterwitz und Berlin eine leistungsfähige Wasserstraße, aber die Wasserwege, die sich Richtung Oder fortsetzen wie Havelkanal, Oder-Havel-Kanal, Teltowkanal und Oder-Spree-Kanal sind für größere Schiffe als das Großplauermaß nicht befahrbar. Und da solche Frachter, die seit den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit nicht mehr gebaut wurden und werden, einem natürlichen Altersverschleiß unterliegen und deswegen nach und nach außer Dienst gehen, übernehmen ausländische Flotten zunehmend diesen Markt. Dies gilt vor allem für polnische Eigner, die noch verwendungsfähige Frachter kaufen oder mit eigenen kleineren Schiffen noch Geld verdienen können.

Bei der Hauptgutart Kohle macht der Rückgang der Transporte vom Königs Wusterhausen nach Berlin Rummelsburg mit 243.900t (-28%) den höchsten Posten aus. Da diese Entwicklung jedoch erwartbar war, sodass darauf im Vorfeld reagiert werden konnte, wirkt sich das auf die Gesamtbilanz nicht so gravierend aus.

Bemerkenswert ist indes der Rückgang bei Bauzuschlagstoffen, die sich von 343.800t auf 262.700t verringerten (-23,6%). Während in Berlin der steigende Wohnungsbau diese Transportart ankurbelt, ist im Land Brandenburg ein gegenteiliger Prozess zu beobachten. Die Innenstädte sind weitestgehend saniert, Wohnungsbau findet daher nur noch in Randgebieten Berlins und in industriellen Wachstumskernen statt, während sich die ländlichen Gebiete weiter entvölkern. Vieles spricht dafür, dass dieser Trend anhalten wird.

Bei Maschinen und Ausrüstungen ist der Rückgang von 36.600auf 8.000t (-78,1%) besonders auffallend, allerdings ist das Land Brandenburg kein Maschinenbauerland. Eine besondere Steigerung verzeichnten indes Mineralölerzeugnisse, deren Transporte von 116.600t auf 196.600 t zulegten. Das enspricht einem Plus von 79.700t, also rund 80 Tankerladungen mehr.

Auch bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen wurden mit 25.900 t (+6,3%) 2017 mehr als im vorherigen Jahr erreicht, und das, obwohl die Getreideernte durch den feuchten Sommer nicht sehr gut war.Metalle und Metallerzeugnisse erfuhren eine Steigerung von 9.200 t (+4,2%). Dies kann als Zeichen interpretiert werden, dass die Stahlhersteller in Eisenhüttenstadt, Hennigsdorf und Stadt Brandenburg den Weg aus der Stahlkrise eingeschlagen haben.

Die zweitstärkste Gutart »Sekundärrohstoffe, Abfälle« hat zwar die niedrigste Steigerung der vier Gutarten mit einem Pluszeichen davor (+3,9%), aber in der Menge die bedeutendste von 568.600 t auf 600,800t. Hier zeigt sich ein Trend der seit einigen Jahren konstant steigt und ein Zeichen dafür ist, dass es sich um eine Gutart handelt, für deren Transporte die Wirtschaft gern auf die Binnenschifffahrt zurückgreift.


Christian Knoll