Von der Küste nach Mitteldeutschland

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Wie man die Seehafen-Hinterlandverkehre zu den Nord- und Ostseehäfen leistungsfähiger organisieren kann, stand im Mittelpunkt des Verladertages von Hafen Hamburg Marketing und der IHK Dresden

Vertreter aus Unternehmen der drei Verkehrsträger Bahn, Schiene und Binnenschifffahrt legten vor den rund 100 Teilnehmern in Dresden dar, welchen Anteil sie am Seehafen-Hinterlandverkehr haben. Die zwölf Häfen von Mecklenburg-Vorpommern zwischen Wismar und Ueckermünde präsentierten sich gemeinsam mit einer bildhaften Ausstellung.

Sören Jurrat, Vorsitzender der MV-Hafenverbundes und Geschäftsführer des Stralsunder Seehafens, gab einen Überblick über die signifikanten Veränderungen in den Gutartenstrukturen der deutschen Ostseehäfen in den vergangenen rund 25 Jahren: weniger Massengüter, mehr logistische Anforderungen an Spezial- und Fährverkehren sowie eine bedeutende Zunahme der Kreuzfahrtschifffahrt kennzeichnen diese Entwicklung. Mit Hilfe von Fördermitteln des Bundes, der Länder und der EU sind leistungsfähige und moderne Hafenstandorte entstanden, von denen jeder seine speziellen Aufgaben erfüllt.

Rostock rage mit einem Umschlagsvolumen 23 bis 28Mio.t, die vor allem mit den Trailerfährverkehren zu Ostseehäfen abgewickelt würden, heraus. Die Kreuzfahrtschifffahrt boome, eine Branche auf die sich auch die MV Werften in Wismar, Rostock und Stralsund spezialisieren. Die ersten beiden Flusskreuzfahrtschiffe nach der Umfirmierung wurden im vergangenen Jahr abgeliefert, die beiden übrigen des Viererauftrags für Crystal River Cruises sollen in diesem Jahr folgen. Darüber hinaus ist bereits der Stahlschnitt für das erste von drei Expeditionsschiffen erfolgt, zudem befinden sich zwei Luxusliner über 200.000 GT im Auftragsbuch. Neben Binnenkreuzfahrern kämen künftig also auch die größten je in Deutschland gebauten Kreuzfahrtschiffe von der Ostseeküste.

Embargo schadet Ostseehandel

Jurrat erläuterte auch die spezifischen Besonderheiten einiger Häfen, die aktuell mit Problemen zu kämpfen haben. Das sind vor allem solche, die in den Handel mit Erntegütern nach Russland eingebunden sind.

Auf die Sanktionen in der Ukraine­krise habe Russlands Präsident Putin mit einer Ablehnung des Imports von Erntegütern vor allem aus Deutschland geantwortet. Das habe in einigen Ostseehäfen für große Schwierigkeiten gesorgt und auch Arbeitsplätze gekostet. Aus seiner Sicht schaden diese Embargos mehr, als dass sie einen Beitrag zur Lösung der Krise bringen würden, sagte Jurrat.

Die Binnenschifffahrt in MV beschränkt sich indes auf die Häfen von Stralsund und östlich davon. Allerdings sei das Güterangebot nicht sehr groß, sodass auch der Schiffsverkehr in dieser Region sich überwiegend auf Düngertransporte, Schrotte und Erntegüter beschränke. Die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern produziere zu wenige Güter für Containerverkehre, den Großteil des Transports übernehme der Fährverkehr.

Das Gesamtkonzept Elbe

Als Vorsitzender des Elbe-Allianz und als Repräsentant des Hafen Hamburg plädierte Stefan Kunze nachdrücklich für das Gesamtkonzept Elbe. Er erinnerte daran, dass es bereits im Verkehrswegeplan 1993 gelungen war, die Fahrwasserregelung von 1,60m Wassertiefe, was 1,40m Tauchtiefe bedeute, für 345 Tage im Jahr festzuschreiben. Doch alle folgenden Bundesregierungen hätten keine Ansätze gezeigt, es realisieren zu wollen. Nach dem Hochwasser 2002 waren sogar jegliche Ausbau- und Instandhaltungsarbeiten untersagt worden. Das habe sowohl der Elbe als Schifffahrtsweg als auch dem auf die Binnenschifffahrt angewiesenen Gewerbe an der Elbe schwer geschadet. Kunze erläuterte, dass es auch früher schon Niedrigwasser gegeben habe, ohne dass die Schifffahrt eingestellt worden sei, oder zumindest nur zeitweilig.

Großvolumige Projekt- oder Anlagentransporte einschließlich Schwergüter und Container seien bei 1,40m Tauchtiefe immer noch rentabel transportierbar. Auch Kreuzfahrtschiffe könnten dann immer noch verkehren, denn sie müssten erst bei Tauchtiefen um 1m stillgelegt werden. Für Massengüter sei das dagegen nicht mehr ausreichend.

Der Elbschifffahrtstag am 24. Mai dieses Jahres in Wittenberge werde diese Thematik auf der Tagesordnung haben und man wünsche sich, dass die Verkehrspolitik sich zu dem bekenne, was sie mit beschlossen habe.

Kunze begrüßte derweil den Beschluss der tschechischen Regierung, die lange diskutierte Staustufe in Decin zu bauen, deren Anstauung sich den deutschen Ausbauparametern von 1,60m Wassertiefe anpassen wolle.

Investitionen in Oberelbehäfen

Der Marketingleiter der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO), Frank Thiele, gab einen Überblick über die Leistungsfähigkeiten der insgesamt sieben Häfen der SBO-Gruppe. Alle Standorte bis auf den Mühlberger Hafen seien trimodal angelegt und mit modernsten Umschlagmitteln ausgestattet. Besonders erfolgreich sei im vergangenen Jahr die Steigerungen im Containerverkehr verlaufen. Mit fast 43.000TEU wurde ein Rekordergebnis erzielt. Dazu käme noch, dass die auf dem künftigen Terminal Süd vor drei Jahren neu eröffnete Containerservicehalle in Riesa bereits zweischichtig gefahren werden müsse, weil sie bereits ausgelastet sei und daher sogar erweitert werden müsse.

Insgesamt drei wichtige Investitionsvorhaben laufen derzeit in den SBO-Häfen. Zum einen die grundlegende Modernisierung des Torgauer Hafens mit neuer Kaianlage, neuen Hafenbahngleisen, neuen Krangleisen und einem neuen Kran, der bereits montiert sei. Der Hafen Torgau soll noch im Frühjahr dieses Jahres wieder eröffnet werden.

Zum anderen läuft im Hafen Roßlau, gegenwärtig ebenfalls eine grundlegende Modernisierung mit neuer Gleiszuführung, einem zweiten Hafenbahngleis, einer Verlängerung der Kaimauer und der Kranbahn. Die neue Gleiszuführung ist bereits erfolgt.

Die das dritte Investitionsvorhaben gibt es im Hafen Riesa. Die Fertigstellung des neuen Terminals Süd, die am dringendsten erforderlich sei, weil das Nord-Terminal seine Kapazität bereits überschritten habe, ruhe allerdings derzeit noch, weil Nachbesserungen an der der Planfeststellung zu erfolgen haben, die wesentlich auf Einsprüchen von Umweltschützern beruhen, so Thiele. Doch noch in diesem Jahr sollen die Probleme ausgeräumt werden.

Trotz eines extremen Niedrigwassers von Mai bis Oktober 2017 waren die SBO-Häfen sehr erfolgreich. Die Häfen in Lovosice und Decin steigerten sich sowohl in den Massengutverkehren als auch bei Schwergütern sowie Projekt- und Anlagentransporten. Durch den neuen Schwerlastkran im Hafen Dresden haben sich die Leistungen im vergangenen Jahr mit 180 solcher Umschläge gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Die sächsische Wirtschaft greife auf diese Angebote verstärkt zurück.

Der Hafen Roßlau habe seine Erwartungen erfüllt und bei Bahntransporten sogar übererfüllt. Bei den Schiffstransporten wegen des langen Niedrigwassers konnte er die Leistungen des Vorjahres indes nicht erreichen. Daher sei es dringend geboten, das Gesamtkonzept Elbe nun zügig anzugehen und keine Zeit zu verlieren.


Christian Knoll