Antwerpen sucht nach Platz

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Die positive Entwicklung des Antwerpener Hafens setzt sich weiter fort. Bereits zum fünften Mal in Folge konnte der Umschlag gesteigert werden. Nun suchen die Belgier nach Möglichkeiten, zu expandieren

Im vergangenen Jahr wurden in Antwerpen insgesamt knapp 10,5Mio. TEU umgeschlagen, 4,3% mehr als im Vorjahr, in dem es den besten Umschlag der Geschichte gegeben hatte. Jacques Vandermeiren, der seit Anfang 2017 an der Spitze des zweitgrößten europäischen Hafens steht, erwartet auch in diesem Jahr beim Containerumschlag einen Anstieg von etwa 5%. Da in den allgemeinen Prognosen in den kommenden Jahren weltweit ein wirtschaftlichen Aufschwung angedeutet wird, dürfte das Ende des Wachstums damit längst noch nicht erreicht sein, sodass der Antwerpener Hafen trotz der Erweiterungen im Deurganckdok schon in wenigen Jahren an seine Kapazitätsgrenze stoßen könnte.

Laut Vandermeiren wäre das bereits im Jahr 2021 der Fall, wenn nicht investiert werde. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf oder sogar nur wenige Stunden vor zwölf, weißt er auf die Dringlichkeit hin.

Standort für Containerumschlag gesucht

Deswegen sucht der Hafen derzeit schnellstens nach Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau. Die sowohl von Port of Antwerp als auch von den Reedereien favorisierte Variante ist die Errichtung eines zusätzlichen Hafenbeckens nördlich des Deurganckdoks. In dem sogenannten Saeftinghedok könnten Kapazitäten für weitere 6,6Mio. TEU geschaffen werden, sagt Vandermeiren. Wenn alles reibungslos verläuft, könnten die ersten Anlagen 2023 in Betrieb gehen, hofft Antwerpens Hafenchef.

Das Gebiet liegt im kleinen Stadtteil Doel, der dafür allerdings weichen müsste. Zwar leben dort heute nur noch wenige Menschen, dennoch könnte sich das als Problem für die Pläne des Hafens erweisen. Die Einwohner hatten bereits gegen das Vorhaben geklagt. Daher liegen nach Aussage Vandermeirens insgesamt nicht weniger als acht Alternativen in der Schublade, drei davon konzentrieren sich allerdings auf das Saeftinghedok.

Demnächst soll es konkrete Gespräche zwischen dem Hafen und der Regierung geben. »Der Ball liegt aktuell bei der flämischen Regierung«, informiert der Hafenchef, der auf einen baldigen Präferenzentscheid hofft. Er sei aber zuversichtlich, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die Erweiterung erfolgen und dann auch der Standort für die Expansion feststehen werde.

»Wir halten an den Plänen für das Saeftinghedok fest«, bekräftigt Vandermeiren. Hier ließe sich schließlich die höchste Kapazität erzielen, zudem könnten die Aktivitäten gebündelt werden, denn der Standort liegt unweit des Deurganckdoks. Dies sei auch wichtig für die Verkehrsverlagerung, denn dadurch ließen sich Container effektiver auf Eisenbahn oder Binnenschiff bringen. Denkbar sei auch eine Mischvariante aus dem Saeftinghedok und einem anderen Standort, sofern sich die Pläne dort nicht vollständig umsetzen ließen. Vandermeiren sagt aber auch, dass er die endgültige Entscheidung der flämischen Regierung akzeptieren wolle.

Flüssiggut als Wachstumsfaktor

Der Nutzer der nach dem Umzug des MSC PSA European Terminals zum Deurganckdok freigewordenen Fläche im Delwaidedok steht derweil längst fest. Die Sea-Invest Group baut dort für rund 250Mio. € ein neues Tankterminal. Erste Tanks sind bereits zu erkennen.

Ohnehin will Antwerpen künftig weiter verstärkt auf den Umschlag flüssiger Güter setzen, denn auch dieser Sektor wächst stetig. Hierfür lieferte das vergangene Jahr einen zusätzlichen Beleg, denn die umgeschlagenen 73,1Mio.t Flüssiggüter entsprechen einem Anstieg von 5,7% im Vergleich zum Vorjahr. Analog zum Containergeschäft konnte auch bei dieser Warengruppe in den vergangenen fünf Jahren ein stetiger Umschlagzuwachs erzielt werden. Hauptverantwortlich dafür sind Derivate, deren Umschlag sogar seit dem Jahr 2010 kontinuierlich angestiegen ist.

Im Gegensatz dazu verringert sich der Umschlag trockener Massengüter weiter. Im vergangenen Jahr gingen nur noch 12,2Mio.t über die Kaikanten, 3,7% weniger als 2016. Hauptausschlaggebend ist die zurückgehende Bedeutung der Kohle. Deshalb will man sich an der Schelde auf andere Warensektoren wie Container und Flüssiggüter konzentrieren. Im Fokus ist aber auch weiterhin Breakbulk. Hier stieg der Umschlag gegenüber 2016 um 6,6% auf 15,3Mio.t. Während der konventionelle Breakbulkumschlag um 4,8% kletterte, verbesserte sich die RoRo-Bilanz gar um 10,5%.

Port of Antwerp ist noch immer auf der Suche nach einem Investor für eine 88ha große Fläche im Churchilldok, die ehemals von General Motors genutzt wurde. Interessierte Unternehmen können bis August dieses Jahres ihre Projektvorschläge einreichen. Mit dem Abriss der vorhandenen Gebäude soll im Herbst begonnen werden, die Arbeiten sollen etwa ein Jahr andauern. Im Churchilldok ist darüber hinaus noch eine weitere 27ha große Fläche zu haben. Auch hierfür werden Projektvorschläge angenommen.

Investitionen in bessere Abläufe

Im vergangenen Jahr hat Port of Antwerp nach eigenen Angaben 1,4Mio. € investiert, um die Frachtabläufe zu verbessern. So ließen sich jährlich rund 250.000 Lkw-Fahrten einsparen, hießt es. Insgesamt werden sieben Projekte gefördert. Vom Containerterminal von DP World wird eine neue Bahnverbindung nach Stuttgart angeboten, Delcatrans hat nunmehr verstärkt die Binnenschifffahrt im Fokus, es wurde eine neue Plattform für den Transport von Kühlcontainern entwickelt. Hakka hat eine neue App herausgebracht, um Lkw-Leerfahrten zu vermeiden, Port-Liner konzentriert sich auf elektrisch-betriebene Barges, während Danser innovative Binnenschiffskonzepte entwickelt. Von Euroports Inland Terminals gibt es eine direkte Zugverbindung nach Lüttich und es wurde eine Direktverbindung nach Bratislava zu einem Terminal von Slovak Shipping and Ports gestartet.

Aktuell liegt der Anteil der Binnenschifffahrt am Modal Split in Antwerpen insgesamt bei 37%, im Containerverkehr sind es 38%. Schiffe, die in oder aus dem Hafen fahren, können im Norden den 35km langen Schelde-Rhein-Kanal nutzen, oder im Süden den Albertkanal, der bis nach Lüttich führt. Am Bedeutendsten in Belgiens größtem Hafen ist nach wie vor der Lkw mit 52% bzw. 56%. Die Bahn hat indes einen vergleichsweise geringen Anteil von 8% bzw. 6%.

Vandermeiren ist bestrebt, das zu ändern und die Bahntransporte deutlich auszuweiten. Als Vorbild nennt er den Hamburger Hafen. Der Antwerpener Hafenchef strebt ein ähnliches Model an. Erste Gespräche mit Infrabel, dem Manager und Betreiber des belgischen Eisenbahnnetzes, will er im ersten Quartal dieses Jahres führen. Wenn es gelänge, Besitzer des Schienennetzes im Hafen zu werden, ließe sich die Effektivität steigern, so Vandermeiren, denn dann könnten eine Vielzahl von Bewegungen in kurzer Zeit stattfinden. Darüber hinaus ist für den Hafen eine zuverlässige Eisenbahnverbindung zum Rhein ein weiterer wichtiger Faktor.

Beratungen über Verbesserungen bei den Binnenschiffsabläufen will der CEO derweil in diesem Monat aufnehmen. Ziel sei es, die Kapazitäten an zentralen Plätzen im und außerhalb des Hafens zu bündeln, um so eine höhere Effektivität bei den Transporten zu erzielen. Die Verantwortung für die zeitlichen Verzögerungen bei der Abfertigung der Binnenschiffe sieht er indes in erster Linie bei den Terminals selbst. Die Initiative müsse von den Betreibern der Hafenanlagen ausgehen, man selbst könne aber bei der Umsetzung unterstützen.

Künftige Zielsetzungen

Darüber hinaus haben die Antwerpener bis 2020 mehrere strategische Ziele festgelegt. Unter anderem soll eine CO2-Roadmap erstellt werden, des Weiteren soll es einen Übergangsfonds geben, um die Eintrittsbarrieren für kreisförmige Aktivitäten im Hafen zu verringern. Ferner sollen Richtlinien für Testbeds sowie Plug-and-Play-Sites mit praktischer Umsetzung geschaffen und die aktuelle und künftige Infra- und Suprastruktur nachhaltiger werden. Seeschiffe sollen entweder durch feste oder mobile Stationen mit Landstrom versorgt werden und es soll Zugang zu nachhaltigeren Kraftstoffen geben. Dafür ist ein erstes LNG-Bunkerprojekt vorgesehen.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung: Transporte sollen dadurch umweltfreundlicher, energieeffizienter und sicherer werden, zudem will Antwerpen den Austausch mit dem Hinterland verstärken. Mit dem NxtPort-Projekt wurde bereits begonnen. Ziel sei es, eine offene Plattform zu schaffen, bei der alle Daten allen Akteuren der Versorgungskette zugänglich gemacht würden, u.a. soll sich dadurch die aktive Zusammenarbeit mit dem Zoll verbessern.


Thomas Wägener