Die Schifffahrt ist die Misere auf Deutschlands Wasserstraßen leid!

Print Friendly, PDF & Email

Die Beseitigung der Liegestellen im Kölner Rheinauhafen hat bei den Schifffahrtstreibenden in Deutschland und den Nachbarstaaten zu Recht große Empörung ausgelöst. Zu sehr sah die Aktion nach der Gelegenheit aus, auf die man gewartet hatte und zu sehr passt sie zu dem anhaltenden Gefühl der Schifffahrt von mangelnder Wertschätzung. Wenn sonst alles in Ordnung wäre, wäre die Aufregung vermutlich gar nicht so groß gewesen. Es ist aber nichts in Ordnung. Nicht bei der Liegeplatzsituation auf den meisten Wasserstraßen in Deutschland und schon gar nicht beim Zustand der Schleusen.

Schlamassel bei der Infrastruktur

Im Januar hatten wir über ein Schreiben des BDS an den Präsidenten der GDWS berichtet, in dem es um die zahlreichen Beschwerden unserer Mitglieder über den Zustand der Wasserstraßeninfrastruktur ging. Mittlerweile ist die Antwort der GDWS eingetroffen und diese hat – wie kaum anders zu erwarten – für jede Beanstandung eine Erklärung. Immerhin heißt es einleitend:

»Die GDWS kann nachvollziehen, dass sich die gewerbetreibende Binnenschifffahrt über Unterbrechungen im Schleusenbetrieb auf ihren Fahrtrouten beschweren und in Kenntnis des Anlagenalters, in Sorge sind ihre Fahrzeiten verlässlich planen zu können. Zu den beschriebenen Zuständen an den Schleusen im nordwestdeutschen Kanalnetz und der Weserschleuse Dörverden versichert die GDWS, dass die Beschäftigten der WSV bemüht sind einen durchgängigen Schiffsverkehr ganzjährig zu ermöglichen und die Umfahrungsstrecken nicht durch bauliche Maßnahmen zu behindern. An einigen Beispielen wird deutlich, wie weitreichend die Bemühungen der WSV hierbei gehen.«

Niemand bezweifelt, dass die WSV sich bemüht. Aber angesichts des Zustandes vieler Schleusen sind Bemühungen offenkundig nicht mehr genug. Wir erinnern uns an den Verkehrsinfrastrukturbericht aus dem Jahr 2015, der den Wasserstraßenbauwerken aufgrund der Altersstruktur und aufgeschobener Erhaltungsinvestitionen kritische Bauwerkszustände attestiert. In den nächsten 10 Jahren muss danach bei 50 Schleusen mit einem Ersatz-Neubau oder einen großen Grundinstandsetzung gerechnet werden. Es heißt dort: »In einigen Bereichen des Kernnetzes, wie im Westdeutschen Kanalnetz, am Main, am MDK, am Neckar oder der Mosel, könnte bei einem Ausfall von nur einer einzigen Schleusenanlage auf einer Transportrelation über einige Wochen oder gar Monate die Versorgungssicherheit der Industrie nicht mehr gewährleistet werden.

Dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Wir leben jetzt im Jahr 3 nach Vorlage des Infrastrukturberichts und der Zustand vieler Schleusen wird immer kritischer. Jenseits der beschriebenen Schreckensszenarien ist es für die Schifffahrt einfach nicht hinnehmbar, dass man Transporte zeitlich nicht mehr vernünftig kalkulieren kann und immer darauf gefasst sein muss, dass der nächste Zwischenfall die Reise behindert und den Unternehmer Zeit und Geld kostet! Auf genau diesen Schlamassel hat der BDS immer wieder hingewiesen. Die heutigen Probleme waren für jeden, der die Augen auf gemacht hat, vorhersehbar.

Dauerstau im Wesel-Datteln-Kanal

Der Wesel-Datteln-Kanal ist eine der am stärksten frequentierten Wasserstraßen mit herausragender überregionaler Bedeutung. Immerhin werden ihm im Verkehrsinfrastrukturbericht Kapazitätsengpässe an den Schleusen bescheinigt. Im Moment möchte man sagen: Schlimmer geht’s nimmer!

Weil die Nischenpoller in den Schleusenkammern der Belastung durch große Schiffe nicht mehr Stand halten, dürfen sie nicht mehr benutzt werden. Folge ist, dass Schiffe nur noch einzeln geschleust werden und sich der Verkehr dadurch deutlich verlangsamt.

Bei der GDWS heißt es dazu: »Derzeit werden in einigen kleinen Kammern der WDK-Schleusen dringende Torerneuerungen und Umbauarbeiten für den Anschluss an die Leitzentrale ausgeführt. Dass diese Arbeiten unvermeidbar sind, der Aufrechterhaltung und Verbesserung des Schifffahrtswegen dienen, steht sicher außer Zweifel. Der Zustand der Nischenpoller in den großen Kammern der WDK-Schleusen ist für alle Seiten ein besonderes Ärgernis. Zum einen können diese Poller nicht die Zugkräfte der heute verkehrenden Schiffsgrößen aufnehmen und zum anderen ist ein Auswechseln unter Betrieb nicht möglich. Bis zur Auswechslung können die Fahrzeuge nur über die Kantenpoller festgemacht werden bzw. werden allein geschleust ohne festzumachen. Dadurch entstehen unvermeidlich längere Wartezeiten für die Schifffahrt.«

Nischenpoller als Ärgernis

Die Nischenpoller sind für alle Seiten ein großes Ärgernis. Richtig. Und sonst? Woran ist gedacht? Ein wirkliches Konzept ist nicht erkennbar.

Solange es keine standsicheren Nischenpoller gibt, könnte man doch zumindest nach Schiffsgrößen differenzieren. Warum dürfen nicht zumindest Schiffe bis 86 m zusammen schleusen und auch festmachen? Für diese Schiffe sind die Nischenpoller ausgelegt.

Auch könnte man mal auf die Idee kommen, die Schleusen Flaesheim, Ahsen und Datteln am Wochenende genauso durchgehend zu betreiben wie Friedrichsfeld, Hünxe und Dorsten. Vor der Schleuse Datteln staut sich alles, was sich vom Wochenende angesammelt hat, weil nur eine Kammer zur Verfügung steht.

Nicht nur am WDK ist es die Schifffahrt leid, sich immer wieder anzuhören, was alles getan wird und gleichzeitig zusehen zu müssen, wie die Misere immer größer wird.

GDWS und BMVI müssen dringend mit dem Gewerbe darüber sprechen, wie die nötigen Instandsetzungsmaßnahmen so organisiert und beschleunigt werden können, damit sich die Situation auf Deutschlands Wasserstraßen wenigstens nicht noch weiter verschlechtert!