Realpolitik ist gefragt

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Das zähe Ringen um eine neue Regierung in Deutschland ist beendet, die Spitzenpositionen sind besetzt. Und damit steht auch der neue Verkehrsminister fest, der ein alter Bekannter ist. Für die nächsten vier Jahre steht Andreas Scheuer an der Spitze eines Ressort, das mit knapp 27 Mrd. € einen der größten Einzeletats des Bundes zu verwalten hat. Allein für die Infrastruktur sind es gut 14 Mrd. €.

Das weckt natürlich Gelüste. Mit so viel Geld lassen sich Akzente setzen – für eine nachhaltige Verkehrspolitik ebenso wie auch zur Erfüllung von regionalen Partikularinteressen. Im Oktober 2019 werden es volle zehn Jahre sein, in denen die CSU dieses zuvor lange von der SPD geführte Ministerium steuert. In der Zeit unter Scheuers Amtsvorgängern Ramsauer und Dobrindt dürfte ihr Heimatland Bayern wenig Grund zur Klage über die Zuwendungen aus Berlin gehabt haben. Der »Andy« wird’s schon richten, heißt es auch jetzt wieder in München.

Scheuer ist zweifelsohne ein Politprofi (seit 2002 im Bundestag) und ein getreuer Gefolgsmann Seehofers (zuletzt Generalsekretär der CSU). Ebenso kennt er das Verkehrsministerium aus seiner Zeit als Parlamentarischer Staatssekretär (2009–2013) unter Ramsauer bestens, auch wenn ihm Kritiker in jener Zeit zwar eine Vorliebe für öffentliche Auftritte, nicht aber für die tägliche Kärrnerarbeit nachsagen. Es dürfte spannend werden, welche Leitlinien der »Andy« setzen wird.

Auch Scheuer weiß natürlich, dass Verkehrspolitik von heute nicht mehr allein aus der Einweihung von Ortsumgehungsstraßen besteht … Als CSU-Generalsekretär durfte Scheuer zudem – ganz im Sinne seiner Partei – freigebig austeilen, jetzt ist eher seine Fähigkeit gefragt, heikle Themen zu moderieren und Kompromisse zu erzielen.

Tatsächlich muss der Niederfranke nämlich sehr vieles richten: Diesel-Krise, Maut-Streit, allgemeines Verkehrschaos, die marode Infrastruktur, Elektromobilität, Planungsbeschleunigung bei Großprojekten – das alles ist im Koalitionsvertrag bereits benannt. Ebenso wie übrigens ein Masterplan für die Binnenschifffahrt …

Es wird der maritimen Wirtschaft und der Binnenschifffahrt sicher nicht leicht fallen, sich als kleine Teilbranche in dieser politischen Großwetterlage Gehör zu verschaffen. Vermutlich ist sie besser beraten, sich nicht allein auf den künftigen Spitzenmann, sondern eher auf die Fach­ebene im Ministerium und in den Bundestagsausschüssen zu verlassen.

Man nehme als Beispiel die Motorenförderung: Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat sehr konkret eine Neuordnung vorgeschlagen, die der Einführung der neuen Abgasgrenzwerte wirksam begegnet (siehe Bericht ab S. 16). Solche Vorstöße könnten am Ende – mehr als irgendwelche Sonntagsreden – eine wirksame Realpolitik befördern. Vorausgesetzt, Gewerbe, Bundestag und Verkehrsministerium ziehen am Ende am gleichen Strang.

Viel Spaß beim weiteren Lesen wünscht Krischan Förster