Verstecktes Potenzial im Hinterland

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Rotterdam könnte seinen Marktanteil in Südwestdeutschland mit zusätzlichen Bahnverbindungen um bis zu 23 % erhöhen. Aber auch für andere Seehäfen weist eine aktuelle Marktstudie mögliche Veränderungen im Modal Split aus

Im Zentrum der Studie mit dem Titel »HiRo – Marktpotenzial von Containertransporten aus dem südwestdeutschen Hinterland« stand eine Befragung von 30 Spediteuren, Reedern und Verladern der Regionen, die deren Wahlverhalten über Häfen und Transportmodalitäten näher beleuchtet sowie ein Simulationsmodell, mit dem die vorhandenen mit den potenziellen Marktanteilen miteinander verglichen wurden.

Bei einem wachsenden Containeraufkommen entwickelt sich die Anbindung an das Hinterland zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Seehäfen – vor allem aufgrund von drohenden Kapazitätsengpässen sowie wegen des hohen Anteils von Vor- und Nachlauf an den gesamten Transportkosten. Sie machen laut Studie 40-80 % der gesamten Kosten der maritimen Transportkette aus.

Prinzipiell stünden den Entscheidungsträgern – Verladern, Spediteuren, vor allem bei großen Transportmengen auch Reedern – mehrere konkurrierende Seehäfen, Transportmittel und -wege zur Auswahl. Sie tendierten aber häufig dazu, einen einmal gewählten Transportweg routinemäßig weiter zu nutzen, selbst wenn ein Wechsel vorteilhaft wäre.

Während sich Reeder eher an einen Hafen binden und der seeseitigen Anbindung höchste Priorität einräumen, sind für Verlader auch die Anbindung an das Hinterland und für Spediteure die Transportkosten maßgeblich. Untersucht wurden in der »HiRo«-Studie Transporte zwischen den exportstarken südwestdeutschen Regionen (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen) zu den umschlagstärksten Seehäfen Europas (Rotterdam, Antwerpen, Hamburg und Bremerhaven). Es wurden folgende Szenarien analysiert:

• Im Basisszenario werden Ist-Marktanteile und Modal Split der Seehäfen unter Berücksichtigung aktueller Fahrpläne und Kapazitäten untersucht

• Im erweiterten Szenario wird das gegebene Güterzugangebot der Regionen um 20% Richtung Rotterdam erhöht und hinsichtlich der Marktanteile und des Modal Split analysiert

• Im Zukunftsszenario wurde eine dynamische Anpassung des Kapazitätsangebots aller Verkehrsträger in Abhängigkeit von der Nachfrage angenommen.

Binnenschiff könnte profitieren

Die Ergebnisse der Befragung hätten gezeigt, dass die Digitalisierung in der Transportabwicklung langsam aber stetig Fuß fasse und somit auch immer stärker die Prozesse und die Entscheidungen beeinflusse. Außerdem sei bestätigt worden, dass zuverlässige Hinterlandanbindungen zunehmend zum zentralen Wettbewerbsfaktor der Hafenauswahl würden, so die Ersteller der Marktstudie.

Die Ergebnisse der Simulation hätten gezeigt, dass durch eine Angebotsverbesserung vor allem die Westhäfen Marktanteile hinzugewinnen könnten und Verschiebungen beim Modal Split zu erwarten seien. Dabei habe das theoretische Marktpotenzial, bei dem ein »rationaler Entscheider« einzig auf Basis von Transportkosten und -dauer urteilt, ein Verlagerungspotenzial auf Binnenschiff und Bahn aufgezeigt. So könnte Rotterdam zum Beispiel im Großraum Stuttgart den Marktanteil u 15% steigern, heißt es.

Auch bei der Betrachtung der erweiterten Entscheidungslogik zur Feststellung des tatsächlichen Marktpotenzials habe sich der Modal Split zugunsten von Binnenschiff und Bahn verschoben. Basierend auf den getroffenen Annahmen und gewählten Szenarien könne der Marktanteil für Rotterdam in bestimmten Regionen sogar um bis zu 23 % erhöht werden. Dafür seien allerdings zusätzliche Bahnverbindungen erforderlich.