Frachtführerpfandrecht und Haftung

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Erteilt ein Zwischenfrachtführer im eigenen Interesse an den ausführenden Frachtführer die Weisung, ein Pfandrecht an der Ladung im Schiff auszuüben, haftet er für daraus entstehende Kosten (zum Beispiel Liegegeld) sowie gegebenenfalls für einen während der Ausübung des Pfandrechtes entstandenen Ladungsschaden gemäß Artikel 15 c) CMNI dem Weisungsempfänger auf Schadenersatz und Freistellung von Ansprüchen des geschädigten Absenders oder Eigentümers der Ladung.

Der Anspruch des Weisungsempfängers gegen den Anweisenden kann bei einer schuldhaften Mitverursachung durch den Weisungsempfänger gemäß Artikel 8 I Satz 2 CMNI gekürzt werden, da in diesem Vertragsverhältnis der Anweisende ein Absender im Sinne dieser Vorschrift ist. Der weisungsunterworfene Frachtführer hat fortlaufend zu prüfen, ob die Ladung Schaden nimmt, und hat die Ausführung der Weisung abzubrechen, wenn er merkt, dass dadurch Schäden entstehen. Nach § 254 II Satz 1 BGB, der bei ergänzender Geltung des deutschen Rechtes auch im Rahmen des CMNI heranzuziehen ist, treffen den Verletzten (hier den Frachtführer) drei Obliegenheiten gegenüber dem Schädiger (hier dem Absender), erkennt er, dass ein Schaden eintritt, hat er den Schädiger zu warnen, den Schaden abzuwenden und ihn zu mindern. Bei der Beurteilung der adäquaten Kausalität ist darauf abzustellen, ob die vom Geschädigten erwartet Sorgfaltsanforderung darauf abzielt, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern.

Für einen Schiffstransport von Serbien nach Rumänien durch einen in Deutschland ansässigen Beklagten, ist das Gericht am Sitz des Beklagten gemäß Artikel 4 I EuGVVO international zuständig, der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß Artikel 7 I EuGVVO steht dieser Zuständigkeit nicht entgegen.

Urteil des Oberlandesgerichtes Nürnberg vom 24. Januar 2018, Az.: 12 U 1435/17 (Landgericht Regensburg, Az.: 2 HK O 1833/16).

Aus den Gründen:

Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem Transport von Mais auf der Donau.

Die Klägerin ist ein internationales Logistikunternehmen mit Sitz in Belgrad/Serbien. Die Beklagte führt Binnenschifffahrtstransporte durch und hat ihren Sitz in Barbing/Deutschland.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung ihr entstandener Kosten sowie den Ersatz entstandener Schäden aus eigenem und abgetretenem Recht im Zusammenhang mit der Befolgung einer ihr von der Beklagten erteilten Weisung betreffend der unterlassenen Löschung eines Maistransportes in Constanta/Rumänien …

Die A gab den Transport von insgesamt 2.330,403 t Mais auf der Donau von Backa Palanka/Serbien nach Constanta/Rumänien über eine sog. Frachtführerkette (E und V) in Auftrag …

Die Klägerin führte den Transport mit einem Schubboot und zwei Leichtern aus. Dazu nahm sie die Ladung am 22.06.2015 in Backa Palanka/Serbien auf und transportierte diese auf der Donau nach Constanta/Rumänien, wo der Schubverband der Klägerin am 03.07.2015 eintraf und sich am 06.07.2015 bei der Empfängerin der Ladung, der A, löschbereit meldete …

Nach Ankunft des Transportes in Constanta/Rumänien bezahlte die Beklagte der Klägerin die vereinbarte Fracht in Höhe von 26.380,16 EUR.

Mit Wirkung zum 03.07.2015 trafen die Parteien eine als subrogation agreement« bezeichnete Vereinbarung.

Am 06.07.2015 erteilte die Beklagte der Klägerin die Weisung, die Ladung der Barge »72725« nicht zu löschen, da die V (d.i. der Absender im Verhältnis zur Beklagten d. Red.) die vereinbarte Fracht in Höhe von 28.547,44 EUR nicht bezahlt hätte. Die Barge »72725« verblieb mit der darauf befindlichen Ladung von 1.163,5 t Mais im Hafen von Constanta ungelöscht liegen …

Am 14.10.2015 wurde auf Veranlassung der A gutachterlich festgestellt, dass die Ware teilweise verdorben war. Es wurde ein Schaden an der Ladung in Höhe von 44.698,21 EUR errechnet. Für die Erstellung des Gutachtens wurde ein Betrag in Höhe von 1.280 EUR in Rechnung gestellt.

Entgegen der ausdrücklichen Weisung der Beklagten ließ die Klägerin die Ladung am 14.10.2015 durch die Empfängerin, die A löschen …

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gegen die Beklagte gemäß Art. 15 c CMNI einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihr durch das Befolgen der Weisung der Beklagten entstanden seien. Sie habe an die Empfängerin, die A, einen Schadensersatz in Höhe von 44.698,21 EUR sowie für die Begutachtung einen Betrag in Höhe von 1.280 EUR, insgesamt 45.978,21 EUR leisten müssen. Zudem seien Liegegelder in Höhe von 29.651 EUR angefallen, die die Beklagte zu erstatten habe.

Die Klägerin. hat zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 75.629,21 EUR zu zahlen …

Das Landgericht Regensburg hat die Beklagte verurteilt, einen Betrag in Höhe von 37.840,61 EUR an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht zunächst ausgeführt, es sei sachlich und örtlich zuständig. Die Klägerin habe gegen die Beklagte gemäß Art. 15 c CMNI einen Anspruch auf Ersatz des ihr im Zuge der Weisung entstandenen Schadens, der aber gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI wegen eines (eigenen) mitverursachenden Verhaltens der Klägerin auf die Hälfte zu kürzen sei.

Zwischen den Parteien sei ein Frachtvertrag, auf den die CMNI anzuwenden sei, geschlossen worden. Die Klägerin habe den Weisungen der Beklagten Folge leisten müssen.

Die Beklagte habe der Klägerin gemäß Art. 15 c CMNI alle Kosten und Schäden zu ersetzen, die durch das Befolgen der Weisung eingetreten seien. Es ergebe sich insoweit grundsätzlich ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 75.629,21 EUR. Allerdings sei dieser Anspruch gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI wegen eines mitverursachenden Verhaltens der Klägerin auf die Hälfte zu kürzen. Dieses Verschulden sei aus der als »subrogation agreement« bezeichneten Vereinbarung abzuleiten, denn diese würde ein kollusives Zusammenwirken der Parteien zu Lasten der Absenderin bzw. Empfängerin der Ladung, der A, darstellen …

Aus dem Tatbestand:

1. Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

a) Das Landgericht Regensburg hat zu Recht seine internationale Zuständigkeit angenommen. Die insoweit durch die Beklagte erhobene Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg greift nicht durch, denn dieses ist jedenfalls gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO (als Gericht des Sitzes der Beklagten) international (all-)zuständig. Ein abweichender ausschließlicher Gerichtsstand wurde durch die Parteien weder behauptet noch ist ein solcher dem Senat sonst ersichtlich.

Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist die EuGVVO auch anzuwenden, nachdem dieser als zivilrechtliche Streitigkeit mit Auslandsbezug zu qualifizieren ist und die Beklagte ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und damit in einem Mitgliedstaat hat.

Soweit die Beklagte meint, die Zuständigkeit des Gerichts in Constanta/Rumänien sei begründet, handelt es sich bei dem von ihr in Bezug genommenen Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 7 Nr. 1 EuGVVO) um einen besonderen Gerichtsstand. Die besonderen Zuständigkeitsregeln in den Art. 7 ff. EuGVVO stellen aber nur eine zusätzliche Option für die Klägerin dar, ohne dass sie die in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO stipulierte Allzuständigkeit des Wohnsitzstaats berühren würden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 32 Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 1).

Demgegenüber kann die fehlende örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Handelskammer des Landgerichts Regensburg die Berufung nicht rechtfertigen, § 513 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426 f.).

b) Ferner hat das Landgericht im Grundsatz rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß Art. 15 c CMNI einen Anspruch auf den Ersatz des ihr im Zuge der durch die Beklagte erteilten Weisung entstandenen Schadens hat, wobei es zutreffend von der Anwendung des Budapester Übereinkommens über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) auf den gegenständlichen Rechtsstreit ausgegangen ist …

Nach Art. 15 c CMNI hat die Beklagte der Klägerin alle Kosten und Schäden zu ersetzen, die durch die Ausführung der Weisung entstanden sind.

Unstreitig erteilte die Beklagte der Klägerin am 06.07.2015 die Weisung, die Ladung der Barge »72725« nicht zu löschen. Infolge dieser Weisung sind der Klägerin nach ihrem Vortrag Kosten und Schäden entstanden.

Die Klägerin hat insoweit zuletzt einen Betrag in Höhe von insgesamt 75.629,46 EUR geltend gemacht, der sich aus einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 44.698,21 EUR, einem Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten in Höhe von 1.280 EUR und Liegegeldkosten in Höhe von 29.651,25 EUR zusammengesetzt hat.

aa) Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung eines Betrages in Höhe von 45.978,21 EUR gemäß Art. 15 c CMNI beanspruchen …

Die Klägerin haftet als ausführende Frachtführerin wie ein Frachtführer, vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 CMNI. Der ausführende Frachtführer (etwa als Unter-Unter-Frachtführer) haftet also vertraglich seinem Auftraggeber (dem Unter-Frachtführer) und nach der Logik des Art. 4 Abs. 2 CMNI direkt dem Auftraggeber des diesen beauftragenden Hauptfrachtführers (also dem Urabsender) und dem durch den Hauptfrachtvertrag begünstigten Endempfänger sowie dem Auftraggeber (der Hauptfrachtführer oder ein ihm nachfolgender Unter-Frachtführer) des ihn beauftragenden Unter-Frachtführers und dem aus seinem Vertragsverhältnis begünstigten Empfänger (vgl. MüKoHGB/Otte, 3. Aufl., Art. 1 CMNI Rn. 34).

Nachdem der Mais in dem Zeitraum vom 06.07.2015 bis zum 14.10.2015 teilweise verdorben war, war auch eine Beschädigung der Ladung durch eine Substanzveränderung im Obhutszeitraum der Klägerin gemäß Art. 16 Abs. 1 CMNI eingetreten. Durch die Weigerung der Löschung der Ladung der Barge »72725« wurde ein Schaden in Höhe von 44.698,21 EUR verursacht.

Darüber hinaus waren die Kosten für die Erstellung des Gutachtens in Höhe von 1.280 EUR ebenfalls kausal durch die Weigerung der Löschung der Ladung entstanden …

bb) Ferner kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Liegegeldkosten in Höhe von 29.651,25 EUR beanspruchen.

Bereits aus dem von den Parteien geschlossenen Frachtvertrag vom 12.06.2015 (»cargo booking note«) ergibt sich, dass die Klägerin von der Beklagten die angefallenen Liegegeld-kosten (,‚demurrage«) ersetzt verlangen kann …

c) Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß Art 15 c CMNI ist allerdings vorliegend in Anwendung des Rechtsgedankens des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI zu kürzen (vgl. MüKoHGB/Otte, 3. Aufl., Art. 15 CMNI Rn. 9), weil die Klägerin den Eintritt der Schäden bzw. den Anfall der Aufwendungen durch ein eigenes schuldhaftes Verhalten mitverursacht hat.

aa) Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI ist eine nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 CMNI begründete Haftung des Absenders dann ausgeschlossen, wenn den Frachtführer oder seine Hilfspersonen ein Verschulden trifft, das zu der Entstehung des Schadens geführt hat. Die Regelung ist Ausdruck des in § 254 BGB verankerten Gedankens, dass im Falle eines Mitverschuldens die Ersatzpflicht des an sich Haftpflichtigen davon abhängt, inwieweit der Schaden von dem anderen Teil verursacht worden ist (vgl. BR-Drs. 563/06, S. 36 f.).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Übereinkommens ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Absenders generell ausgeschlossen, wenn feststeht, dass (auch) den Frachtführer bzw. dessen Beauftragte und Bedienstete ein (Mit)Verschulden trifft. In diesen Fällen verbleibt es also bei dem Verschuldenserfordernis und zwar unabhängig davon, ob das über Art. 29 CMNI anwendbare nationale Recht hierfür eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht (vgl. v. Waldstein/Holland, BinSchR, 5. Aufl., Art. 8 CMNI Rn. 9).

bb) Die Klägerin hat vorliegend den Eintritt der Schäden bzw. den Anfall der Aufwendungen durch ein eigenes schuldhaftes Verhalten mitverursacht …

… zu Lasten der Klägerin auch zu berücksichtigen, dass sie, obwohl sich der Mais auf ihrer Barge befand, selbst nicht fortlaufend überprüft hat, dass die Ladung keinen Schaden nimmt.

Denn die Ausführung einer Weisung ist abzubrechen, wenn der Frachtführer merkt, dass dadurch Schäden entstehen (vgl. MüKoHGB/Otte, 3. Aufl., Art. 15 CMNI Rp. 10). Diesen trifft somit eine Schadensminderungspflicht. Nichts anderes konnte vorliegend für die die Beklagte unterstützende Klägerin gelten.

§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB statuiert drei Obliegenheiten des Verletzten: Er muss den Schädiger warnen, den Schaden abwenden und ihn mindern. Zwischen den Obliegenheiten zur Warnung und zur Schadensabwendung auf der einen und zur Schadensminderung auf der anderen Seite verläuft eine klare Grenze. Die Schadensminderung setzt voraus, dass es bereits zu einem schädigenden Eingriff gekommen ist, während durch die Warnung bzw. sonstige Schadensab-wendung vermieden werden soll, dass überhaupt ein Schaden eintritt (vgl. MüKoBGB, Oetker, 7. Aufl., § 254 Rn. 68). Zudem muss die Sorgfaltsverletzung für die Schadensherbeiführung adäquat kausal geworden sein. Bei der Berücksichtigung der Mitverursachung geht es jedoch nicht ausschließlich um die Kausalität. Maßgeblich ist letztlich vielmehr, ob die von dem Geschädigten übertretene Sorgfaltsanforderung darauf abzielt, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern (vgl. MüKoBGB, Oetker, 7. Aufl., § 254 Rn. 33).

Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung der Schadensminderungspflicht der Klägerin im Anwendungsbereich der CMNI heranzuziehen (vgl. BR-Drs. 563/06, S. 36 f.).

Der in der Barge »72725« verbliebene Mais hatte im Oktober 2015 bereits sichtlich zu leiden begonnen, als sich die Klägerin, um einen noch höheren Schaden zu vermeiden, über die Weisung der Beklagten hinweggesetzt und die Löschung der Ladung durch die Empfängerin, die A, zugelassen hat.

Nach Würdigung aller maßgeblichen Umstände erachtet der Senat einen Mitverursachungsanteil der Klägerin von 20 % vorliegend als gegeben. Dementsprechend war der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß Art. 15 c CMNI vorliegend in Anwendung des Rechtsgedankens des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI um 20 % zu kürzen …