Print Friendly, PDF & Email

Ungehindert können derzeit die Schiffe auf der Ems die Friesenbrücke bei Weener passieren. Die Menschen in der Region aber sind sauer. Sie wollen wieder die Ems queren können

Am 3. Dezember 2015 krachte der Frachter »Emsmoon« gegen die als Friesenbrücke bekannte Eisenbahn- und Fußgängerbrücke, die bei Weener über die Ems führt. Wer damals davon ausgegangen war, eine schnelle Reparatur würde die Bahnlinie Bremen–Groningen wieder flott machen und Radfahrer wie Fußgänger könnten wie gewohnt wieder den Fluss überqueren, hatte die Rechnung ohne deutsche Bürokratie gemacht, und ohne die geänderte Interessenlage.

Die Abwägung zwischen Reparatur und Neubau zog sich hin. Letztlich wurde einem Neubau Priorität eingeräumt. Eine Reparatur hätte nach Expertenangaben rund 30Mio. € gekostet. Ein Neubau wurde auf 50Mio. € taxiert. Entscheidender aber für die Zeitschiene zur Wiederherstellung sind rechtliche Vorgaben. Da ein Neubau mit Rücksicht auf die Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft eine größere Durchfahrtsbreite haben soll, muss zuvor ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen werden. Die Vorbereitung der entsprechenden Planungsunterlagen, so wurde berichtet, dauere wenigstens bis zum Jahr 2020, die Bauarbeiten sollten gar bis mindestens 2024 in Anspruch nehmen.

Da von der Haftpflichtversicherung des Schadensverursachers »nur« 4Mio. € bereitgestellt werden, müssen sich Bund und Land die verbleibenden Kosten teilen. Doch auch darüber gab es lange keinen Konsens.

Der auch durch Finanzierungsfragen immer wieder verzögerte Zeithorizont für die Wiederherstellung der Brücke ist nicht nur den örtlichen Politikern deutlich zu lang. »Ich verstehe nicht, dass der Bund bei einem Prestigeobjekt wie Stuttgart 21 Mehrkosten von mindestens 4Mrd. € in Kauf nimmt, und bei uns in Ostfriesland soll eine zeitgemäße und zukunftsweisende Lösung an 20Mio. € scheitern«, kritisierte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies.

Idee für eine Fährverbindung

Um unabhängig von den Neubauplänen eine vorübergehende Lösung für die Menschen in der Region zu bekommen, um von einem Ufer an das andere zu gelangen, wurde von der Meyer Werft und dem Papenburger Unternehmen Schulte&Bruns die Idee für eine Fährverbindung entwickelt. So, wie es sie in den Jahrhunderten vor der Errichtung der Friesenbrücke (gebaut von 1924 bis 1926 durch die Reichsbahndirektion Oldenburg) bereits lange gegeben hatte. Dann könnten zumindest Fußgänger und Radfahrer wieder zur jeweils anderen Emsseite zur Arbeit oder zum Einkauf fahren.

Allerdings: Auch gute Ideen müssen sich an Recht und Ordnung halten. Die von den zukünftigen Betreibern bereits in Cardiff in Wales erworbene Fähre konnte keine Zulassung in Deutschland erhalten. Die Zentrale Schiffsuntersuchungskommission (ZSUK) hatte festgestellt, dass die Tür der Fahrerkabine zu schmal sei und auch die mit Benzin betriebenen Außenbordmotoren nicht auf deutschen Gewässern erlaubt seien. Ferner sei die Stabilität nicht ausreichend. Und noch ein Problem tat sich auf: Es gab noch keinen Fähranleger auf der (östlichen) Westoverledinger Seite. Dafür brauchte es zudem einen Bauantrag. Ein Sprecher der Meyer Werft kommentierte dazu: »Wir wissen noch nicht, welche Anträge wir wo stellen müssen.« Fazit: die zu Mitte 2017 anvisierte Ersatzlösung durch die Fähre platzte.

Ende 2017 kam dann wieder Bewegung in die Angelegenheit. Mit der entscheidenden Änderung, dass nicht mehr zwei Firmen sondern eine kommunale Gesellschaft die Fähre betreiben und die nötigen Anträge stellen sollte.

Die Betreibergesellschaft mit den beiden anliegenden Kommunen als Gesellschafter wurde nun Anfang Februar dieses Jahres gegründet. Paul Bloem, Leiter für Politik und Kommunikation bei der Papenburger Meyer Werft, nannte jüngst das Pfingstwochenende dieses Jahres als möglichen Starttermin für die Fähre. Allerdings mit einem Wermutstropfen: wegen »ausufernder Kosten« würde eine abgespeckte Version ins Auge gefasst. Das bedeutet, das Schiff kann »bei extremem Niedrigwasser« nicht fahren, weil die geplanten Ponton-Anleger dann im Schlick aufliegen.

Zuversicht nach neuem Anlauf

Eberhard Lüpkes, einst Bürgermeister der anliegenden Gemeinde Westoverledingen und zukünftiger Geschäftsführer der Fährgesellschaft, kann sich nicht vorstellen, dass das Projekt noch kurz vor dem Ziel scheitert: »Ich gehe davon aus, dass eine Fähre fahren wird. Der gute Wille ist auf allen Seiten da.« Damit meint er die am weiteren Verfahren beteiligten Stellen: neben der Fährgesellschaft sind der Landkreis Leer, die Meyer Werft, das mit den Planungen beauftragte Ingenieurbüro, der Rheider Deichacht und der Overledinger Deichacht, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und Weeners Hafenmeister Heiner Düring für die Hafen und Tourismus GmbH (HuT) am Planungstisch. Erste Abstimmungstreffen haben bereits stattgefunden.

Die neue Fähre, die bei einem »Spezialunternehmen für Fähren am Rhein« in Auftrag gegeben wurde, soll aber keinem direkten Weg zwischen beiden Emsufern folgen. Eine der nun beantragten Anlegestellen befindet sich an der Schleuse in Weener. Hier kann der Deich auf einer vorhandenen Treppe überquert werden. An der gegenüberliegenden Seite soll beim Schöpfwerk am Marker Sieltief in Mitling-Mark ein Anleger entstehen. Die Strecke dazwischen ist etwa 2,1km und soll von der Fähre in zehn Minuten zurückgelegt werden können. Dabei wird auch während der Bautätigkeit die Friesenbrücke durchfahren werden. Deren Lücke beträgt gerade mal 80m.

Neue Friesenbrücke in Planung

Für die weiteren Planungen der Brücke hat das Land Niedersachsen inzwischen die Initiative ergriffen. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn Netz AG hat man sich auf die Vorfinanzierung des Neubaus der Friesenbrücke verständigt. Wirtschaftsminister Lies begründet dieses Vorgehen: »Wir sind als Land zwar nicht zuständig, aber es ist mir ein sehr großes Anliegen, dass es zügig mit dem Teilneubau voran geht. Das erwarten die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, aber vor allem auch unsere niederländischen Freunde«, wird der Verkehrsminister in der Mitteilung zitiert.

Zur Finanzierung gibt es einen abgestimmten Plan: Mit der Vorfinanzierung von bis zu 30Mio.€ für die Planung und Realisierung des Vorhabens will man sicherstellen, dass die ursprünglich für den »schlichten« Wiederaufbau der Klappbrücke vorgeschossenen Mittel nun auch für eine moderne Drehbrücke verwendet werden können. Das Ziel von Minister Lies ist klar definiert: die Wiederaufnahme einer ununterbrochenen Schienenverbindung zwischen Leer und Groningen bis zum Herbst 2024. Vom Bund ist hinsichtlich der Finanzierung derzeit nichts zu erfahren. »Wir haben noch gar keinen Haushalt für 2018. Den Entwurf kann erst die neue Regierung vorliegen. Sollte die SPD zustimmen, würde das im April der Fall sein. Dann kämen die Beratungen. Also das dauert noch«, so die örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann. Aus dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur liegt ebenfalls auch noch Aussage vor.
Hermann Garrelmann