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Aktuell in den Regelwerken verankerte Prüfverfahren sind nicht ausreichend. Ein Blick auf vergleichbare Ansätze im Hochbau und der Seeschifffahrt könnte die Lösung bringen

Um Passagiere, Besatzung, Schiff und Ladung vor der Entstehung und vor den Auswirkungen eines Brandes an Bord zu schützen, müssen Schiff und Ausstattung den Anforderungen der Binnenschiffuntersuchungsordnung (BinSchUO) und den Bauvorschriften der Klassifikationsgesellschaften entsprechen. Darin werden brandschutztechnische Anforderungen an Trennflächen definiert, die eine unkontrollierte Ausbreitung von Rauch und Feuer verhindern sollen. Mit den aktuell geregelten Prüfverfahren können diese Anforderungen jedoch nicht in Gänze nachgewiesen werden.

Grenzen gängiger Prüfverfahren

Der Brand an Bord des Kreuzfahrtschiffes »A-Rosa Riva« am 24. Juli 2017 (s. BS 08/2017), bei dem acht Crew-Mitglieder verletzt wurden und immenser Schaden am Schiff entstand, hat gezeigt, welche Gefahren ein Brand an Bord darstellt. Um im Brandfall die Ausbreitung von Rauch und Feuer zu beschränken, Passagieren eine sichere Flucht und der Besatzung wirksame Löschmaßnahmen zu ermöglichen, sind Fahrgastschiffe mit brandschutztechnisch bemessenen Trennflächen zu unterteilen. Die tragen dabei den Brandrisiken und der Bedeutung der Räumlichkeiten für die Sicherheit des Schiffes Rechnung. So werden an die Abtrennung des Maschinenraumes zu angrenzenden Schiffsbereichen andere Anforderungen gestellt, als an die Trennwände benachbarter Kabinen. Um diese unterschiedlichen Anforderungen abbilden zu können, kennen die Regelwerke zwei Typen von Trennflächen: Trennflächen vom Typ »A« und Trennflächen vom Typ »B«. Erstere müssen aus Stahl oder gleichwertigen Materialien bestehen und 60 Minuten den Durchgang von Rauch und Flammen sicher verhindern. Trennflächen vom Typ »B« müssen aus nichtbrennbaren Materialien bestehen und den Durchgang von Feuer 30 Minuten sicher verhindern. Neben diesen grundlegenden Anforderungen an die raumabschließende Wirkung (Integrität) werden auch Anforderungen an die isolierende Wirkung gestellt. Daher werden die beiden Typen in weitere Kategorien unterteilt: Die Trennflächen vom Typ »A« gliedern sich in die Kategorien »A0«, »A30« und »A60« und die Trennflächen vom Typ »B« in die Kategorien »B0« und »B15«. Die Ziffernfolge beschreibt, wie viele Minuten die Trennfläche die Temperaturerhöhung auf der dem Brand abgewandten Seite begrenzen können muss (Isolierung). Für Trennflächen vom Typ »A« ist eine maximale Temperaturerhöhung von 180K vorgeschrieben. Trennflächen vom Typ »B« dürfen sich um maximal 225K erwärmen. Praktisch bedeutet dies, dass eine Trennfläche vom Typ »A30« den Raumabschluss für 60 Minuten wahren und die Temperaturerhöhung auf der Oberfläche auf 180K für 30 Minuten begrenzen können muss. Eine Trennfläche vom Typ »B0« hingegen muss lediglich den Raumabschluss für 30 Minuten wahren können – eine isolierende Wirkung wird nicht gefordert.

Öffnungen in diesen Trennflächen stellen naturgemäß Schwachstellen dar. So können Rohre und Kabel über Wärmeleitung aus dem Brandraum heraus Temperaturen in angrenzende Räume übertragen. Türen und Fenster können sich unter Hitzeeinwirkung unabhängig von der Trennfläche verformen, was zu einem Durchgang heißer Gase oder gar Flammen durch die entstandenen Spalte führen kann. Damit diese brandschutztechnischen Abtrennungen vom Typ »A« oder »B« ihre Funktionen sicher erfüllen, müssen die isolierenden und raumabschließenden Eigenschaften auch an diesen Öffnungen sicher gewahrt bleiben.

Dass die genannten Anforderungen (Integrität und Isolierung) von den Trennflächen und Einbauten eingehalten werden, wird durch Prüfungen gemäß Teil 3 des Codes für Brandprüfverfahren (2010 FTP Code / MSC.307(88)) nachgewiesen. Bei diesen Prüfungen wird die Trennfläche Temperaturen gemäß der sogenannten Einheitstemperatur-Zeitkurve ausgesetzt. Diese entspricht dem Temperaturverlauf in einem Brandraum zum Zeitpunkt des Übergangs von einem Entstehungsbrand zu einem Vollbrand. Während dieser Prüfungen werden die Temperaturen auf der Oberfläche der dem Brandraum abgewandten Seite der Trennfläche ermittelt, um die isolierende Wirkung zu bestimmen. Die Integrität der Trennfläche wird mittels Spaltlehren und dem sogenannten Wattebausch-Test ermittelt. Ist es möglich die Trennfläche mit den Spaltlehren zu durchdringen oder entzündet sich der Wattebausch, so gilt die Prüfung als nicht bestanden. Sollten Flammen auf der dem Brandraum abgewandten Seite auftreten, so gilt die Prüfung entsprechend ebenfalls als nicht bestanden.

Eine Besonderheit der Binnenschifffahrt stellen jene Trennflächen dar, die Fahrgastbereiche mit Grundflächen von mehr als 800m² oder Kabinenbereiche unterteilen. Für diese Trennflächen wird gemäß BinSchUO zusätzlich gefordert, dass sie unter »normalen Bedingungen« rauchdicht sind. Definitionen der Begriffe »normale Bedingungen« und »rauchdicht« sind im Regelwerk nicht enthalten.

Das Prüfverfahren nach Teil 3 des Codes für Brandprüfverfahren hat nicht das Ziel eine Rauchdichtigkeit zu ermitteln. Ausschließliches Ziel ist es, eine Aussage über die Isolierung und die Integrität des Bauteils im Brandfall zu treffen. So ist das Prüfverfahren weder dafür ausgelegt noch ist es aus technischen Gesichtspunkten dafür geeignet die geforderte Rauchdichtigkeit nachzuweisen. Einerseits müssen die Prüföfen dem Umweltschutz genügen und dürfen daher nur wenig bis keinen Rauch in der Brandkammer erzeugen, andererseits setzen viele der in den Trennflächen verbauten Materialien unter Temperatureinwirkung Dämpfe frei. So kann nicht sicher gesagt werden, ob die während der Prüfung sichtbaren Dämpfe tatsächlich aus dem Brandraum stammen oder erst auf der abgewandten Seite entstanden sind. Eine Beurteilung der Rauchdichtigkeit unter »normalen Bedingungen« ist mit der zuvor beschriebenen Prüfmethode unter keinen Umständen möglich. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beanspruchungen im Brandfall als »normale Bedingungen« anzusehen sind.

So fehlen neben einer Definition der Anforderungen »rauchdicht« und »normale Bedingungen« auch geeignete Prüfverfahren mit definierten Grenzwerten. Formal gesehen ist es derzeit somit nicht möglich, ein Schiff in Übereinstimmung mit den Bauvorschriften mit nachgewiesenermaßen geeigneten Elementen zu bauen. Das führt verständlicherweise sowohl bei Werften und Ausrüstern als auch bei zulassenden Stellen zu Unsicherheiten.

Lösungsansatz

Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass im Hochbau gleiche Schutzziele erreicht werden sollen und dort entsprechende Prüfverfahren gemäß DIN EN 1634-3 bereits etabliert wurden. Damit ist es möglich, Aussagen über die Rauchdichtigkeit von Türen zu treffen. Das Prüfverfahren stellt vereinfacht dar, welchen Beanspruchungen eine Tür ausgesetzt ist, wenn sich Rauch im Brandfall ausbreitet und dabei bis zu dieser Tür gelangt. In einem frühen Brandstadium oder wenn die Tür sich in einiger Entfernung zum Brandherd befindet, wird der Rauch bereits viel von seiner Wärme verloren haben. Im späteren Brandverlauf oder wenn sich die Tür unmittelbar am Brandherd befindet, wird der Brandrauch höhere Temperaturen aufweisen. Die Prüfnorm kennt daher die beiden Zustände »Zustand bei Einwirkung von Umgebungstemperatur mit Lufttemperaturen von etwa 20 °C« und »Zustand bei erhöhter Temperatur mit Lufttemperaturen von etwa 200 °C«. Im Zug eines Brandes stellen sich neben erhöhten Temperaturen auch erhöhte Druckverhältnisse in den vom Brand betroffenen Räumen ein. Der Druckunterschied zwischen beiden Seiten der Tür treibt Rauch durch sämtliche Spalten und Öffnungen. Daher werden bei dem Prüfverfahren die Leckraten von Türen bei Differenzdrücken von 10 Pa, 25 Pa und 50Pa jeweils bei Temperaturen von 20 °C und 200 °C ermittelt. Die Prüfbedingung »Zustand bei Einwirkung von Umgebungstemperatur mit Lufttemperaturen von etwa 20 °C« scheint den Anforderungen der BinSchUO »unter normalen Bedingungen rauchdicht« bereits sehr gut zu entsprechen und könnte für eine Definition des Begriffs verwendet werden.

Nahezu identische Anforderungen zur Rauchdichtigkeit von Trennflächen gibt es für seegängige Fahrzeuge gemäß der SOLAS-Richtlinie. Auch hier kennen die Regelwerke keine Prüfvorschriften. Derzeit wird an einer Eingabe an die Europäische Kommission gearbeitet, die zumindest für Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedsstaates der EU Prüfungen auf Rauchdichtigkeit verbindlich machen und die bestehende Lücke zwischen Bauvorschriften und anzuwendenden Prüfverfahren schließen soll. Eine Übernahme für Binnenschiffe wäre überaus begrüßenswert, um die Sicherheit aller an Bord und die Handlungssicherheit aller mit Bau und Ausrüstung Beschäftigten zu erhöhen.


Fabian Hauschild