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Weniger als 500 Tage sind es noch bis zum Inkrafttreten der neuen EU-Motorenrichtlinie für nicht straßengebundene Maschinen, kurz NRMM. Deutsche Binnenschiffer schauen vorerst in die Röhre. Eine kritische Betrachtung von Hermann Garrelmann

Genau 105 Jahre nach dem Tod von Rudolf Diesel steht dessen Erfindung im Mittelpunkt vieler Diskussionen. Das einstige Zugpferd der Transportwirtschaft, der selbstzündende Dieselmotor, wird zum Auslaufmodell kaputt diskutiert. Dreckig, laut und nicht mehr zeitgemäß, so heißt es plötzlich allerorten.

Mitten in die entflammte Diskussion um Fahrverbote wegen zu hoher Emissionen von Stickoxiden und Feinstaub hinein hat die Europäische Union ihre Neuregelung für nicht straßentaugliche Maschinen, kurz NRMM, erlassen. Euro IV für Lastkraftwagen ist angewandte Geschichte, NRMM heißt die neue Herausforderung.

Nicht wenige hatten gewarnt, die Ziele könnten, vor allem für Antriebe von Binnenschiffen, nicht erreicht werden. Zu hoch die Ambitionen, zu aufwändig die Testläufe bis zum begehrten Zertifikat, zu gering die Stückzahlen am Markt. Für Baumaschinen und große Agrargeräte, Märkte mit großen Absatzzahlen, haben Hersteller wie ABS, Cummins, Deutz, Volvo und wie sie alle heißen, Lösungen in der Pipeline. Zumindest mit der Option, rechtzeitig und sicher liefern zu können. Aber für Binnenschiffe? Bislang Fehlanzeige. Für die wenigen Motoren lohne der Aufwand nicht, heißt es, die Vorgaben seien innermotorisch ohnehin nicht zu erfüllen, heißt es andernorts.

Wer als Eigner kann (oder muss), baut kurz vor Toreschluss noch schnell einen ZKR II-Motor ein. Kostet zwar auch Geld, aber nur in etwa die Hälfte und verschafft auf 30 Jahre Planbarkeit. Vermutlich. Wenn nicht noch neue Regelungen für Bestandsmotoren kommen. Wer nicht ganz pünktlich zur Werft kommt, nutzt Übergangsregelungen. Aber irgendwann greift sie doch, die NRMM.

In dieser Hilflosigkeit – oder ist es Ausdruck kreativer Schläue – sind Spezialisten in den Niederlanden auf eine pfiffige Idee gekommen. Sie nehmen sogenannte NRE-Motoren, passen sie dem Bedarf im maritimen Einsatz an – und schon haben sie eine rechtssichere Antriebslösung.

Die Experten von Vink Diesel haben, begleitet vom Expertise and Innovation Centre Inland Shipping (EICB), lange daran lange getüftelt. Und sich dazu inzwischen auch die Zustimmung der EU eingeholt. Wenn mit der Marinisierung die Abgaswerte der Lkw-Motoren nach Euro VI unverändert blieben und das von zwei unabhängigen staatlichen Stellen bestätigt werde, könnten die bis zu 560 kW starken Antriebe in den Maschinenraum kommen. Für Binnenschiffe, die auf einen zweimotorigen Antrieb setzen, wäre das eine perfekte Lösung. Auch preislich, weil es NRE-Motoren in großer Zahl »von der Stange« gibt.

Wer nun denkt, dass sei doch auch für deutsche Binnenschiffer oder gar für alle Europäer die ideale Lösung, trifft auf Bedenken(träger). Aus dem deutschen Verkehrsministerium wird kolportiert, so einfach gehe das nicht. Dies müsse erst einmal geprüft werden, und überhaupt, man wolle einheitliche europäische Lösungen im Rahmen von CESNI und ES-TRIN abwarten. Während also die Niederländer Nägel mit Köpfen machen, wird in Deutschland abgewartet. Man könne das ja auch im Rahmen des heiß ersehnten Masterplanes Binnenschifffahrt diskutieren, heißt es.

Abgewartet wird auch bei der Neuausrichtung der Motorenförderrichtlinie. Vor dem Hintergrund geringer Abruf­summen und der neuen Anforderungen durch die NRMM-Vorgaben könne man nicht mal eben so eine neue Richtlinie erstellen. Zunächst müssten die beiden Förderprogramme »Nachhaltige Modernisierung von Binnenschiffen« (früher Motorenförderung) und »Aus- und Weiterbildung in der Binnenschifffahrt« von externen Gutachtern evaluiert werden. Das dauere wohl bis Ende 2019, ist zu hören. Neben der Abfrage von Erfahrungen aus Unternehmersicht solle dabei auch geklärt werden, warum so wenige Förderanträge gestellt wurden. Für die Übergangszeit erwägt das Ministerium, die Laufzeit der aktuellen Förderprogramme, die eigentlich Ende 2018 auslaufen, um ein Jahr zu verlängern.

Da haben es Bahn und Lkw deutlich einfacher. Das Verkehrsministerium meldet stolz: »Vier Wochen nach dem Startschuss für das Förderprogramm für energieeffiziente und/oder CO2-arme schwere Nutzfahrzeuge (EEN) sind 29 Anträge für 148 Fahrzeuge eingegangen.« Dabei handelt es sich um 122 Erdgas- und 26 Elektrofahrzeuge. Die Fördersumme beläuft sich auf 2,1Mio. €. Zum Vergleich: Für die Binennschifffahrt steht in etwa das Doppelte zur Verfügung.

Auch die Bahn kann sich über eine erneute Stütze freuen: Denn die Bundesregierung fördert die Senkung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr in diesem Jahr mit 175Mio. €, in den Folgejahren sogar mit jeweils 350Mio. €.

Bei der Binnenschifffahrt schafft man es dagegen nicht, die Fördertöpfe praxisnah zu gestalten, das Geld bleibt im Säckel. Die Pläne zur Abschaffung der Kanalabgabe, im Koalitionsvertrag auf der Opferliste der Einnahmen, drohen in irgendeiner Ablage zu vergilben. Etliche Kanalbau- und Schleusenprojekte schlummern aus Mangel an Ingenieuren weiter ihren Dornröschenschlaf.

So bleibt der politisch artikulierte Wunsch nach einer Verlagerung von Transporten von der Straße aufs Schiff nur ein hohles Versprechen. Immerhin weiß die Branche jetzt, woran sie ist. Und vielleicht fahren bald noch mehr Schiffe unter niederländischer Flagge über die deutschen Wasserstraßen, mit einem Lkw-Motor im Heck.
Herrmann Garrelmann