Niedersachsens Häfen vor neuen Aufgaben

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Der 28. Niedersächsische Hafentag im ostfriesischen Leer blieb sich auch in diesem Jahr treu: zwischen den gegebenen Fakten und den kommenden Entwicklungen einen passenden Bogen zu schlagen, aber auch Dinge kritisch zu hinterfragen

Bernd Althusmann, Niedersachsens Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, nutzte den von ihm erbetenen »stimulierenden Impulsvortrag« anlässlich der Eröffnung des Hafentags, um seine Visionen 2030/2040 zu formulieren. Die klangen optimistisch: »Der JadeWeserPort hat die 2. Ausbaustufe längst erreicht, die dritte ist in Aussicht. Die weltgrößten Containerschiffe nutzen den einzigen deutschen Tiefwasserhafen mit zunehmender Präsenz. Weitere niedersächsische Seehäfen haben sich hinter NPorts versammelt, wir haben zwei Standorte, die LNG anbieten, Stade und Wilhelmshaven, einen dritten in Brunsbüttel«, begann der Minister. Überall seien Landstromanlagen installiert, aus der Windenergie werde längst nicht nur Strom sondern auch Power-to-X erzeugt. E-Mobilität sei eine Selbstverständlichkeit, auch in den Häfen, und Wasserstoff ein weiterer Energieträger. »Die viel beschworene deutsche Hafenkooperation ist inzwischen ein echtes Erfolgsmodell geworden, so dass Hamburg, Bremen, Bremerhaven und die niedersächsischen Seehäfen eine echte Konkurrenz für Rotterdam und die Häfen im Mittelmeer geworden sind«, formulierte Althusmann unter dem Beifall der mehr als 300 Gäste des Hafentags. Ob denn diese Vision Grundlage seiner Politik sei, ließ der Minister offen.

Näher als die Visionen lagen den weiteren Ausführungen des Ministers konkrete Herausforderungen zugrunde. Eine Grundlage, diese zu meistern, sah Althusmann in dem eindeutigen Bekenntnis zu Niedersachsen als Hafenland. Die Niedersächsischen Seehäfen seien ein starker Partner der Wirtschaft, die Hafenindustrie gehöre als Schlüsselbranche zu den Schwerpunkten der Arbeit der Landesregierung und könne mit entsprechender Unterstützung rechnen.

Vielfältige Herausforderungen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, im Bürokratieabbau und in der Digitalisierung seien zu meistern, die Verkehrsinfrastruktur zu sanieren und auszubauen und der Fachkräftebedarf sowie der berufliche Nachwuchs sei zu sichern, erkannte Althusmann die Aufgaben.

Gerade die Digitalisierung sei von essentieller Bedeutung, auch für die Seehäfen: »Mit dem Masterplan Digitalisierung hat die niedersächsische Landesregierung einen konkreten Plan für die Gestaltung des digitalen Wandels geschaffen. Ein Fokus liegt hier ganz klar auf einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur. Ein Thema, das gerade für den Küstenraum und die Seehäfen von entscheidender Bedeutung ist. Bis 2021 wollen wir alle Seehäfen in Niedersachsen gigabitfähig ans Netz bringen. Ich werde mich daher auf der nächsten Küsten-Wirtschafts-Verkehrsministerkonferenz deutlich für die LTE-Versorgung des Küstenraums mit seinen Wasserstraßen und Seehäfen einsetzen«, steckte der Minister seine Ziele deutlich ab. Denn die Frage der Digitalisierung der norddeutschen Häfen werde eine entscheidende Rolle spielen im Wettbewerb mit den anderen Häfen, etwa Rotterdam oder Antwerpen.

Intensiv beleuchtete der niedersächsische Wirtschaftsminister den kommenden Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union. Im Handel mit den Briten, der auf Niedersachsen bezogen knapp 10Mrd. € umfasst, würden sich gravierende Veränderungen ergeben. Allein die Wiedereinführung von Zollschranken erfordere den Aufbau einer neuen komplexen Zollverwaltung in den Häfen. Darauf müsse man sich rechtzeitig einstellen, so der Minister.

Althusmann schaltete sich auch in die Diskussion um ein mögliches LNG-Terminal im Bereich der Nordseehäfen ein. »Mit Blick auf Brunsbüttel haben wir zwei weitere Projekte in Niedersachsen. Wir werden die Chance nutzen, auf unsere Standortqualitäten und die vorhandenen Netze hinzuweisen und uns neben Brunsbüttel als weitere gute Standorte zu positionieren«, warb der Wirtschaftsminister dafür, sich nicht vorschnell auf nur einen Standort zu beschränken.

Einen ähnlich lautenden Appell hatte zuvor bereits Timo A. Schön in Richtung Berlin gerichtet. Schön, erst seit August im Amt als Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Seaports of Niedersachen, trat Meldungen entgegen, wonach sich die Bundesregierung fast schon sicher auf Brunsbüttel als Standort des ersten deutschen LNG-Terminals eingeschossen habe. »Geben Sie den Standorten in Niedersachsen eine reelle Chance und eine faire Wettbewerbs-Ausgangsposition. Es sollte nicht das schnellste Konzept sondern das nachhaltigste und effizienteste die Unterstützung erhalten. Und passenderweise attestiert die unabhängig erstellte Potenzialanalyse aller Standorte an der deutschen Nordseeküste des Maritimen Kompetenzzentrums beiden niedersächsischen Bewerbern entsprechend gute Voraussetzungen«, argumentierte Schön für Stade und Wilhelmshaven.

Der neue Geschäftsführer konnte die momentanen Entwicklungen in den Seehäfen mit weitgehend zufrieden stellenden Zahlen belegen. Im ersten Halbjahr sei für die neun niedersächsischen Seehäfen von Brake bis Wilhelmshaven ein Umschlagergebnis im Seeverkehr von 25,175Mio.t zu verzeichnen. Das entspräche im Vergleich zum Halbjahresergebnis aus 2017 einem Minus von 3%. Dabei würde das Wachstum im Export durch einen dezenten Rückgang im Import relativiert.

Im Containerbereich habe es, gemessen an umgeschlagenen TEU, ein sehr erfreuliches Plus von 25% (auf 291.000TEU) sowie bei Stückgut von 8 % auf rund 3,54Mio.t gegeben. Technische Aspekte wie der angestrebte Ausstieg aus der Kohleenergie sowie die Verlagerungen von Warenströmen in einigen der Seehäfen hätten zu einer Verringerung des Massengut-Umschlags geführt. »In diesem Bereich verzeichneten wir mit einem Gesamtumschlagsvolumen von rund 18,05Mio.t im ersten Halbjahr ein Minus von 9%. Für das dritte und vierte Quartal gehen wir jedoch nach den bisherigen Schätzungen von einem positiven Jahresergebnis für 2018 aus«, bilanzierte Schön.

An aktuellen Projekten sei zu erkennen, dass sich die niedersächsische Hafenindustrie und die Hafenbetreiber den Anforderungen stellten, so der neue Geschäftsführer, der kurz auf laufende Projekte einging. »Unter dem Nachhaltigkeitsaspekt wurde in Cuxhaven im Juli die neue Landstromanlage eingeweiht. Emden bekommt derzeit eine intelligente LED Beleuchtungsanlage für ein Gleisfeld im Hafen, außerdem startet dort demnächst das Projekt Wash2, welches eine neue Form der Energieversorgung untersucht. In Brake wurde kürzlich eine Teststrecke für das Projekt ‚LED und Plasmabeleuchtung in Häfen’ eingerichtet«, so der Marketingexperte. Weitere Projekte seien die Vertiefung der Außenems, die Instandsetzung der Schleuse in Emden, der Planungsbeginn für die Liegeplätze 5 bis 7 sowie Fertigstellung des LP 4 in Cuxhaven. Der sei bereits vor der offiziellen Eröffnung Schauplatz einer spektakulären Verladung von je 31 Transitionpieces und Monopiles mit einem Gesamtgewicht von 43.400t gewesen, so Schön.

Als Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR) und ortsansässiger Reeder und Gründer der Hartmann-Gruppe, referierte Alfred Hartmann unter dem Redetitel »Schifffahrt und Häfen: unverzichtbar für Wohlstand und Fortschritt«. »Das Land Niedersachsen ist ein wichtiger Reederstandort. Mit 124 Unternehmen gibt es zwischen Ems und Elbe mehr Reedereien als in jedem anderen Bundesland. Und mit über 800 Schiffen liegen wir in Niedersachsen nur knapp hinter Hamburg auf Platz 2«, betonte Hartmann.


Hermann Garrelmann