Print Friendly, PDF & Email

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) verweist erneut auf die großen Defizite bei der Infrastruktur der Wasserstraßen. Engpässe treten vor allem bei Niedrigwasser zu Tage.

Die lang anhaltende Trockenperiode hat den Wasserstand auf vielen Flüssen sinken lassen. Die Binnenschifffahrt käme deshalb an ihre Leistungsgrenze, so der BDB. Trotz vorausschauender Planung, laufendem Dialog mit den Kunden und großer Erfahrung im Umgang mit schwankenden Wasserständen hätten historische Pegeltiefstände an Rhein, Elbe und Donau dafür gesorgt, dass die Güterversorgung durch die deutlich reduzierten Abladetiefen der Schiffe erheblich erschwert werde. Das extreme Niedrigwasser zeige aber auch deutlich auf, wie massiv die vorhandenen Engstellen im deutschen Wasserstraßennetz die Schifffahrt beeinträchtigten.

Der BDB fordert deshalb, dass die im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 sowie dem Wasserstraßenausbaugesetz ausgewiesenen Projekte für die Binnenschifffahrt schnellstmöglich angestoßen werden. Dies gelte auch für nicht im BVWP verankerte Sanierungsmaßnahmen. Ein durchgängig gut ausgebautes Wasserstraßennetz gewährleiste, dass auch bei niedrigen Wasserständen Transporte per Binnenschiff länger plan- und durchführbar blieben.

Der BDB sieht vor allem für drei Kernprojekte an Rhein, Donau und den Kanälen dringenden Handlungsbedarf:

Abladeoptimierung am Mittelrhein

Der Streckenabschnitt zwischen Mainz/Wiesbaden und St. Goar am Mittelrhein sei in seinem jetzigen Ausbauzustand ein Nadelöhr für Binnenschiffstransporte auf Europas wichtigster Wasserstraße. Grund dafür sei, dass die freigegebene Fahrrinnentiefe lediglich 1,90 m betrage, während sowohl oberhalb als auch unterhalb der Strecke 2,10 m unter dem Gleichwertigen Wasserstand (GlW) ausgewiesen seien. Somit werde die Transportkapazität der passierenden Schiffe an vielen Tagen im Jahr deutlich eingeschränkt – und zwar auf der gesamten Route des Schiffes vom Startpunkt bis zum Ziel. Mit Umsetzung der »Abladeoptimierung« sollten deshalb die Tiefenengpässe beseitigt werden, um die Ausnutzung der Transportkapazitäten zu erhöhen. Der Handlungsbedarf sei immens: Jährlich werde dieser Mittelrheinabschnitt von rund 50.000 Güterschiffen befahren, die annähernd 60 Mio. t Güter transportierten, informiert der BDB. Prognosen gingen davon aus, dass das Güteraufkommen in diesem Bereich auf mehr als 75 Mio. Gütertonnen ansteigen werde. Das Projekt sei völlig zu Recht mit einem überragenden Nutzen-Kosten-Verhältnis in den Vordringlichen Bedarf eingestuft worden.

Durch die Umsetzung der Abladeoptimierung wird eine relative Mehrtransportmenge im Niedrig- und Mittelwasserbereich von rund 210 t je Schiff erwartet. Dies entspricht umgerechnet ca. 10 bis 15 Lkw-Ladungen pro Binnenschiff und insgesamt mehr als 500.000 Mio. Lkw, um die das Straßennetz zusätzlich entlastet werden könnte.

Wie wichtig das Projekt sei, das sich derzeit erst in der Konsultationsphase befindet, hätten mittlerweile auch Vertreter der Grünen erkannt. So habe Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir jüngst die schnelle Umsetzung gefordert: »Das Binnenschiff ist ein denkbar umweltfreundliches Transportmittel, wird jedoch ausgebremst – nicht allein von der Trockenheit, sondern auch, weil notwendige Maßnahmen nicht beherzt angegangen werden. Man muss nur wenige Untiefen beseitigen, um die Kapazität von Europas wichtigster Wasserstraße beträchtlich zu steigern«, so der Politiker.

Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen

Der 69 km lange Donauabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen limitiert die Binnenschifffahrt im süddeutschen nach Auskunft des BDB enorm Raum. Lösungen seien jahrelang diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass die von der Schifffahrt favorisierte Ausbauvariante »C280« vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer »urplötzlich vom Tisch gewischt worden ist.« Das Bayerische Kabinett hatte sich daraufhin im Februar 2013 für einen sog. »sanften« Donauausbau nach der Variante »A« entschieden. »Auf die Umsetzung wartet die Binnenschifffahrt jedoch bis heute«, kritisiert der BDB. Das Projekt stehe ebenfalls mit hohem Nutzen-Kosten-Verhältnis im Vordringlichen Bedarf des BVWP. Konkretes Ziel der Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse sei die Erhöhung der Abladetiefe durch Vergrößerung der Fahrrinnentiefe um mindestens 20 cm bei Niedrigwasser. Dies solle durch das Optimieren bestehender und den Bau neuer wasserbaulicher Regelungsbauwerke erfolgen. Gleichzeitig sollten Maßnahmen gegen die fortschreitende Sohlerosion getroffen und der Hochwasserschutz für die Bevölkerung verstärkt werden. Die Ankündigung der Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrt (GDWS), dass der spätestens für Mitte 2018 angekündigte Planfeststellungsbeschluss nun voraussichtlich erst im Sommer 2019 erlassen werden soll, sei für die Schifffahrt »ein Schlag ins Gesicht« gewesen.

Martin Staats
Martin Staats. Foto: BDB

»Gerade das extreme Niedrigwasserjahr 2018 sollte Politik und Verwaltung noch einmal vor Augen geführt haben, wie dringend die Schifffahrt die Verbesserung der Fahrrinnentiefe in diesem Donauabschnitt benötigt. Angesichts der immensen Schwankungen der Wasserstände benötigen wir zudem stabilisierende Maßnahmen. Dies kann beispielsweise durch Sohlrampen erreicht werden. Wir warten schon seit Jahren auf den ersten Ausbauabschnitt. Das gesamte Verwaltungsverfahren gehört auf den Prüfstand und muss gehörig verschlankt und entrümpelt werden«, betont BDB-Präsident Martin Staats (MSG, Würzburg).

Gesperrte Nischenpoller am Wesel-Datteln-Kanal

Die seit Ende 2017 gesperrten und damit für die Schifffahrt nicht mehr nutzbaren Nischenpoller in den großen Kammern der Schleusen am Wesel-Datteln-Kanal seien ein Sinnbild für den maroden Zustand der deutschen Wasserstraßeninfrastruktur. Die Poller, die genau wie die Schleusen aus den 1930er-Jahren stammten, seien nie an die erhöhten Zugkräfte moderner Binnenschiffe angepasst und schlussendlich von der Verwaltung aus Sicherheitsgründen gesperrt worden – mit der Folge, dass in den über 200 m langen Kammern derzeit jeweils nur ein Schiff geschleust werden könne, informiert der Verband. Die dadurch entstehenden massiven Verzögerungen seien ein Dilemma für den Gütertransport auf dem Kanal, der mit jährlich knapp 20 Mio. t zu den am meisten frequentierten Wasserstraßen nach dem Rhein gehöre, und die Versorgung der Großindustrie im Ruhrgebiet.

Die Verwaltung hat angekündigt, ab 3. Dezember 2018 einen Festmacherdienst an allen WDK-Schleusen zu postieren. Durch den Einsatz dieser Festmacher sollen auch wieder Schleusungen mit mehreren Schiffen ermöglicht werden. Dies könne jedoch nur eine Übergangslösung sein. Die Nischenpoller müssten schnellstmöglich komplett saniert und an die Belange der Binnenschifffahrt im 21. Jahrhundert angepasst werden. »Wenn wir der Verstopfung einer der Hauptschlagadern des Ruhrgebiets entgegenwirken wollen, müssen wir jetzt handeln«, macht Staats deutlich.

Massiver Sanierungsbedarf im Wasserstraßennetz

»Im deutschen Wasserstraßennetz besteht ein immenser Sanierungs- und Handlungsbedarf«, so das Fazit des BDB. Die Liste der wichtigen BVWP-Projekte lasse sich weiter fortführen. Maßnahmen wie die geplante Abladeverbesserung und Sohlenstabilisierung am Rhein zwischen Duisburg und Dormagen-Stürzelberg auf 2,80 m (Duisburg bis Neuss) bzw. 2,70 m (Neuss bis Stürzelberg), Fahrrinnenvertiefungen Main, die Verlängerung der Neckarschleusen und der Bau der zweiten Schleusenkammern an der Mosel müssten ebenfalls mit höchster Priorität angegangen werden, um dem Verkehrsträger eine zukunftssichere Infrastruktur bereitstellen zu können.

»Damit die umweltfreundliche Binnenschifffahrt die politisch gewollte Verkehrsverlagerung auf die Wasserstraßen bewältigen kann und künftig auch bei Niedrigwasser mehr Wasser unter dem Kiel hat, fordern wir, dass die Verwaltung bei allen Projekten Beschleunigungsmöglichkeiten prüft, damit die Umsetzung zeitnah beginnen kann«, so der BDB-Präsident. Spätestens dieses Niedrigwasserjahr habe aufgezeigt, dass die Verbesserung der infrastrukturellen Bedingungen für die Schifffahrt nicht mehr ‚auf die lange Bank‘ geschoben werden dürfe. »Wenn wir in Deutschland die Verkehrswende hin zum ökologisch nachhaltigen Verkehrsträger wirklich wollen, benötigen wir dringend die Beschleunigung der beschriebenen Maßnahmen«, bekräftigt Staats.