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Ausbleibende Niederschläge haben die Situation an den deutschen Flüssen zuletzt noch einmal verschärft. An manchen Pegeln wurden historische Tiefststände unterschritten, einige Werke mussten die Produktion drosseln. Solche Ereignisse könnten sich wiederholen

Seit Wochen oder gar Monaten konnten Binnenschiffe auf der Haupttransportader Rhein nur noch einen Bruchteil ihrer Ladung transportieren, bei Tankschiffen waren es zeitweise nur noch 20% der normalen Kapazität. In der Gebirgsstrecke zwischen Bingen und Koblenz mussten Fahrten auf Grund der kritischen Wasserstände zwischenzeitlich vollständig eingestellt werden.

Der deutsche Stahlproduzent Thyssenkrupp hat nach Angaben von Doyle Trading Consultants »force majeure«, also einen Haftungsausschluss aufgrund höherer Gewalt, wegen der Niedrigwasserstände am Rhein erklärt. Das Unternehmen berichtet von Engpässen bei der Rohstoffversorgung seines Duisburger Werks. Ähnliches gilt bei ArcelorMittal in Duisburg-Ruhort. Auch der Betrieb einer Reihe von petrochemischen Anlagen, etwa bei BASF, Lanxess oder Evonik war teilweise eingeschränkt, da es an Rohstoffen fehlte.Auch bei der Tankstellenversorgung mit Benzin und Diesel kam es zu Problemen in Süddeutschland, nachdem in Ingolstadt zurvor bereits eine Raffinerie nach einer Explosion ausgefallen war. Gleichzeitig steigen die Lagerbeständen in den ARA-Häfen, weil zu wenig Mengen abtransportiert werden konnten. Russische Lieferungen wurden daraufhin teilweise nach Hamburg umgeleitet. Außerdem gab die Bundesregierung rund 1,1Mio. Barrel aus der strategische Öl-Reserve für Lieferungen nach Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und in den Regierungsbezirk Köln frei. Zuletzt machte die Bundesregierung davon 1991 in der Irak-Kuwait-Krise, 2005 wegen des Hurrikans Katrina und 2011 wegen der Libyen-Krise Gebrauch.

Am Pegel Kaub wurde ein neuer historischer Tiefststand von 26 cm gemessen, der sich erst mit den einsetzenden Niederschlägen im Oktober leicht erholen konnte. Nach Erkentnissen der Kommission für die Hydrologie des Rheins (KHR) dürften solche Situationen künftig im Sommer häufiger vorkommen. Denn es sei davon auszugehen, dass die mittleren Niedrigwasserabflüsse im Sommerhalbjahr geringer ausfallen, hingegen die mittleren Niedrigwasserabflüsse im Winterhalbjahr zunehmen werden. Da die Effekte im Winter jene im Sommer übertreffen, müsse für das gesamte Jahr insgesamt von einer Zunahme des Wasserabflusses ausgegangen werden.

Fluch und Segen zugleich: Die Frachtraten steigen bei Niedrigwasser deutlich an, auf dem Rhein zuletzt um bis zu Faktor 7. So kostete laut der US-Behörde Energy Information Administration (EIA) eine Dieselladung von Rotterdam nach Basel (Schweiz) Mitte Oktober 35 $ je Barrel statt rund 5 $/Barrel im Juli. Die Preise für Lieferungen ins deutlich nähere Duisburg hätten sich im gleichen Zeitraum vervierfacht und lagen bei 4 $/Barrel.

Der Haken: Warentransporte mussten auf Schiene und Straße umerlegt werden, um kritische Transportketten aufrecht zu erhalten. Mittelfristig könnte dies der Binnenschifffahrt schaden, wenn die Ladung nach dem Ende der Extremzustände nicht zurückkehren. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) verwies prompt auf die großen Defizite bei der Infrastruktur. Das ex­treme Niedrigwasser habe deutlich aufgezeigt, wie massiv die vorhandenen Engstellen im deutschen Wasserstraßennetz die Schifffahrt beeinträchtigten.

Der BDB fordert deshalb, dass die im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 sowie dem Wasserstraßenausbaugesetz ausgewiesenen Projekte schnellstmöglich begonnen werden. Das müsse auch für Sanierungsmaßnahmen gelten. Das Gewerbe sieht vor allem für drei Kernprojekte an Rhein, Donau und den Kanälen Handlungsbedarf.

Abladeoptimierung Mittelrhein

Der Streckenabschnitt zwischen Mainz/Wiesbaden und St. Goar am Mittelrhein sei mit einer freigegebenen Fahrrinnentiefe von lediglich 1,90m ein Nadelöhr. Sowohl oberhalb als auch unterhalb der Strecke seien dagegen 2,10m unter dem Gleichwertigen Wasserstand (GlW) ausgewiesen. Dabei sei der Handlungsdruck immens: Jährlich werde dieser Mittelrheinabschnitt von rund 50.000 Güterschiffen befahren, die annähernd 60Mio.t Güter transportierten, heißt es beim BDB. Prognosen gingen sogar davon aus, dass das Güteraufkommen auf mehr als 75Mio.t steigen werde.

Durch die Umsetzung der Ablade-optimierung nehme die relative Transportmenge im Niedrig- und Mittelwasserbereich um rund 210 t je Schiff zu –das entspreche umgerechnet ca. zehn bis 15 Lkw-Ladungen pro Binnenschiff und insgesamt mehr als 500.000 Mio. Lkw-Fahrten im Jahr, um die das Straßennetz zusätzlich entlastet werden könnte.

Donau Straubing–Vilshofen

Der 69 km lange Donauabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen limitiert die Binnenschifffahrt. Statt der von der Schifffahrt favorisierten Ausbauvariante »C280« sei ein »sanfter« Donauausbau nach der Variante »A« beschlossen worden. »Auf die Umsetzung warten wir jedoch bis heute«, kritisiert der BDB.

Konkretes Ziel sei eine Erhöhung der Abladetiefe durch Vergrößerung der Fahrrinnentiefe um mindestens 20cm bei Niedrigwasser. Dies soll durch das Optimieren bestehender und den Bau neuer wasserbaulicher Regelungsbauwerke erfolgen. Gleichzeitig sollten Maßnahmen gegen die fortschreitende Sohl­erosion ­getroffen und der Hochwasserschutz für die Bevölkerung verstärkt werden.

Nischenpoller am WDK

Die seit Ende 2017 gesperrten Nischenpoller in den großen Schleusen am Wesel-Datteln-Kanal seien ein Sinnbild für den maroden Zustand der Infrastruktur. Derzeit könne in den mehr als 200m langen Kammern jeweils nur ein Schiff geschleust werden. Daraus resultierten unzumutbare Verzögerungen auf dem Kanal, der mit jährlich knapp 20Mio.t zu den am meisten frequentierten Wasserstraßen gehöre und für die Versorgung der Großindustrie im Ruhrgebiet unverzichtbar sei.

Die WSV hat zwar angekündigt, ab 3. Dezember einen Festmacherdienst an allen Schleusen postieren zu wollen. Dies könne jedoch nur eine Übergangslösung sein. Die Nischenpoller müssten schnellstmöglich komplett saniert und an die Belange der Binnenschifffahrt im 21. Jahrhundert angepasst werden, heißt es.
Krischan Förster