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Wer seit 100 Jahren Schiffe baut, kann das mit Recht eine erfolgreiche Firmengeschichte nennen. Die Kötter-Werft in Haren wird ihr Jubiläum aber nur in kleinem Rahmen feiern, aus gutem Grund

Es waren hölzerne Kähne, die zur Zeit der Firmengründung im Jahr 1919 in Haren ins Wasser glitten. Gerade ein Jahr nach dem Ende des 1. Weltkriegs hatte Rudolf Kötter (*1851, †1929) am alten Hafen in Haren seinen Betrieb gegründet. Hervorgegangen aus einer Familie, die ein Sägewerk betrieb, kannte sich Kötter mit Holz aus. Schon drei Jahre später übernahmen Rudolfs Söhne Hermann und Bernd den Betrieb. Noch zehn Jahre nach dem Tod des Firmengründers baute man bei Kötter überwiegend hölzerne Schiffe. Dazu waren neben zehn Schiffsbauzimmerleuten weitere fünf Mitarbeiter im angegliederten Sägewerk tätig. Fotos aus der Firmenhistorie, wie sie im Büro der heutigen Firmenchefs Bernd und Stefan Kötter hängen, zeigen, wie seinerzeit gearbeitet wurde: zwischen den dicken Planken wurden die Fugen mit Werg, einer Art Hanf, ausgefüllt, danach bekam die Konstruktion eine Beschichtung aus Pech oder Teer. Kalfatern nannte man diese Art der Oberflächenbehandlung. Und schon in dieser Zeit lag der Schiffsrumpf auf kleinen Rollwagen, wie sie noch heute auf Hellingen eingesetzt werden.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg traten dann der Kaufmann Adolf Kötter (*1924 – †2007) und der Schiffbaumeister Bernhard Kötter (*1928 – †1996) in das Unternehmen ein. Nach der Umrüstung der Werft und der Einrichtung einer Schmiede wurden vornehmlich Reparaturen und Umbauten von stählernen Binnenschiffen sowie Motorisierungen vorgenommen.

Inzwischen hat sich nicht nur der Standort der Werft geändert, auch die Arbeiten sind gänzlich anders ausgerichtet. Was aber nach wie vor zählt, ist die Qualität der handwerklichen Arbeit und die Verlässlichkeit, mit der in den Hallen und auf der Helling gearbeitet wird.

Den heutigen Standort hat die Kötter-Werft seit 1959 inne. Das erste Schiff lief dort 1960 vom Stapel: das Bunkerboot »Esso Haren«. In den 1960er-Jahren konnte die Kötter-Werft an einer neuen Ära mitwirken. Mit dem Küstenmotorschiff (Kümo) »Stefan« (860tdw) wurde der erste Neubau dieser Art zu Wasser gelassen. Ein Kümo pro Jahr war in etwa die Schlagzahl, mit der an der Ems eifrig gebaut wurde. Hinzu kamen natürlich Reparaturen und Unterhaltungsarbeiten. Ab 1974 lieferte die Kötter-Werft zahlreiche Rhein-Seeschiffe der Größenklassen 299/499 und 999 BRT, wie z.B. »Ems-Liner« und »Ems-Tal« ab.

Ein Blick in das Hellingbuch der Werft zeigt lückenlos, welches Schiff wie lange auf der Helling lag. »Seit 1960 dürften es mehr als 5.500 Schiffe gewesen sein, die bei uns auf der Helling waren«, rechnen Bernd und Stefan Kötter aus. Manche Schiffe kamen mehrfach und regelmäßig. Manche nur, weil sie einmalig von den Leistungen der Kötter-Werft Gebrauch machten. Nicht wenige waren dabei, wo aus einem eher zufälligen Aufenthalt bei Kötter Stammkundschaft wurde. Ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis, handwerkliche Top-Qualität und die eher ruhige, aber familiäre Stimmung auf der Werft waren geschätzte Eigenschaften der Harener Schiffbauer.

Aufbau eines Kompetenznetzwerks

Im Laufe der Jahre wurden Hallen und Slipanlage immer wieder den Erfordernissen angepasst, eine firmeneigene Kaianlage kam hinzu. Das gesamten Hafenbecken wurde vor einigen Jahren von der Stadt Haren mit neuen Steganlagen ausgestattet. Hier machen auch Kötter-Kunden mit ihren Schiffen fest, die auf die Helling gezogen werden müssen. Neben den 14 eigenen Fachkräften sind immer wieder Mitarbeiter anderer Firmen auf der Werft, wo sie ihren Gewerken nachgehen. Die Harener haben inzwischen ein regelrechtes Kompetenznetzwerk für den Schiffbau geknüpft. Nahezu alle Gewerke – von der Schiffselektrik über den Rohrbau bis hin zur Tischlerei und zu Motorenexperten, natürlich auch die Sanitärfachleute und Schiffsausrüster – sind vor Ort verfügbar.

1987 übernahmen Bernhard Kötter und sein Cousin Hermann Kötter die Geschäftsführung. Behutsam und mit ruhiger Hand setzten sie als dritte Generation das Werk ihrer Vorgänger fort. Die Seeschiffe und Kümos wurden immer größer, so dass wegen der Lage im Hinterland und der zu passierenden engen Schleusen dieses Segment auslief. Reparaturen und vor allem so genannte Klasse-Arbeiten (zur Aufrechterhaltung des Klassifizierungs-Zertifikates) rückten in den Vordergrund. Gleichwohl gab es immer wieder auch komplette Neubauten, auch solche, von der die gesamte Branche sprach.

Die »Serenité« mit 38,5 m x 5,05m dürfte der kleinste kommerzielle Flußkreuzer sein, der Europas Gewässer befährt. Es wurde 2001 von Kötter abgeliefert. Auch der 2007 vollendete Futura-Tanker »Till Deymann« (109,80 m x 11,45m), beschrieben als das innovativste Binnenschiff seiner Zeit, entstand in Haren. Für diesen Neubau wurde der kurz zuvor hinzugekommene zweite Werftstandort an der so genannten »Blauen Donau« bis an seine Abmessungsgrenzen herausgefordert. Dort können die Kötters bis zu 110m lange Schiffe auf die Helling nehmen. An beiden Standorten ist die Helling-Technik soweit modernisiert, dass nahezu eine Einhand-Bedienung möglich ist.

Seit gut zehn Jahren bestimmen der Umbau von Schiffen, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten und Abbauten die Arbeit auf der Werft mit den zwei Standorten. Auch die schnelle Behandlung von Havarieschäden oder Einkürzungen und Verlängerungen gehören zum Portfolio der Harener.

Aktuell haben sich zahlreiche jüngere Doppelhüllen-Tanker für Klasse-Arbeiten angemeldet, die nach dem Ende der Einhüllen-Ära erstmals zur Klassen-Verlängerung aufs Trockene müssen.

Veränderungen in der Führung

In der Geschäftsleitung gab es vor etwa einem Jahr einen herben Wandel. Nach dem plötzlichen Tod von Hermann Kötter mit nur 61 Jahren kam mit Stefan Kötter (31) ein Vertreter der vierten Generation in die Leitungsebene. Er hatte zuvor nach dem Studium als Wirtschaftsingenieur bei der Meyer Werft in Papenburg gearbeitet. Dort war er unter anderem im Bereich Qualitätsmanagement für den Stahlbau der Sektionen, im Energiemanagement und in der Arbeitssicherheit tätig. Zudem kümmerte er sich um den Bereich Zertifizierungen.

Den Wandel vom «High-Tech-Betrieb zum handwerklich orientierten Familienunternehmen« (Bernd Kötter) hatte sich Stefan immer offen gehalten. Dass er so rasch in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, hatte niemand geahnt. Stefan Kötter ist im Betrieb, den er von Kindesbeinen her kannte, schnell angekommen. Die Arbeitsteilung mit seinem Onkel Bernd ist gut koordiniert, im Prinzip sind immer beide über alles Wesentliche informiert. »So, wie es jetzt ist, passt es schon«, bestätigt Bernd Kötter die aktuelle Situation. Gleichwohl will sich Stefan Kötter um weitere Betätigungsfelder kümmern. Unabhängig davon müssen sich Werft und Kundschaft mit den neuen Herausforderungen der ES-TRIN (Europäischer Standard der technischen Vorschriften für Binnenschiffe) vertraut machen.

Für die Geschäftsführung ist das 100-jährige Jubiläum des Betriebes zwar ein bemerkenswertes Ereignis. »Für eine große Feier sind wir aktuell nicht wirklich in passender Stimmung«, erklärten die beiden Geschäftsführer. Daher wird nur in kleinem Rahmen gefeiert. Die Belegschaft als wichtiger Teil des Unternehmens sowie die Familienmitglieder werden sich zu einer kleinen internen Feier zusammenfinden.


Hermann Garrelmann