Digitalisierung von Bordbuch, Schifferdienstbuch, Arbeitszeitaufzeichnungen?

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Die Europäische Kommission plant eine Digitalisierungsoffensive. Zum einen ist in der Richtlinie Berufsqualifikationen vorgesehen, dass die Kommission eine Besatzungsdatenbank errichtet, in der die Daten der Befähigungszeugnisse, Schifferdienstbücher und Bordbücher erfasst werden.

Zum anderen plant die Kommission eine Richtlinie zu »digital tools«, weil sie Vorteile in der Verwendung elektronischer Dokumente anstelle von Papierdokumenten sieht. Begründet wird dies zum einen mit den Verwaltungskosten und dem Verwaltungsaufwand, der bei rechtswidrigen Verhaltensweisen von Unternehmen und Besatzungsmitgliedern nötig wird. Dabei geht es vor allem um Dokumente mit sogenannten dynamischen Daten, dass heißt Bordbuch, Schifferdienstbuch sowie die Aufzeichnungen über die Arbeitszeit.

Online-Fragebogen

Zu diesem Zweck wird aktuell eine Konsultation durchgeführt mit einem Online-Fragebogen, an der sich jeder beteiligen kann. Hier besteht die Möglichkeit, die eigene Meinung unmittelbar gegenüber den zuständigen Gremien kundzutun. Die Umfrage läuft noch bis zum 9. Juli, der Link dorthin kann über unsere homepage abgerufen werden.

Auch wenn der Aufruf etwas aufwändig ist (Registrierung mit Passwort und einige Formalia), zum Teil auf den ersten Blick nicht ganz verständliche Fragen enthält und auch einigermaßen umfänglich ist – wer sich betroffen fühlt, sollte die Gelegenheit nutzen, seine Meinung kundzutun und Einfluss zu nehmen.

Darüber hinaus spricht der Fragebogen an verschiedenen Stellen von »rechtswidrigen Praktiken« oder »diesen Problemen« ohne zu erläutern, was denn damit gemeint ist.

Wörtlich heißt es zum Beispiel in Frage 4: »AQUAPOL und die Europäische Transportarbeiter-Föderation berichten, dass sich in der Binnenschifffahrt allmählich rechtswidrige Praktiken ausbreiten«. Im Anschluss wird nach der Bewertung gefragt, ob es rechtswidrige Praktiken gibt und ob dies auf zu wenige Kontrollen, mögliche Manipulationen in Papierdokumenten, den Abgleich von Daten aus verschiedenen Dokumenten oder den starken Wettbewerb zurückzuführen ist. Es bleibt der Vorstellungskraft des jeweiligen Beantworters überlassen, welche rechtswidrigen Praktiken er sich gerade vorstellt.

Wenn man den Fragebogen auf der Seite der Kommission aufruft, findet man unter dem Download ein »Feedback« von AQUAPOL aus dem Jahr 2018, dass sich mit »rechtswidrigen Praktiken« beschäftigt. Die Rede ist dort zum Beispiel davon, dass die Registrierung von Fahrzeiten, von Arbeitsverträgen und Arbeitsbedingungen leicht umgangen werden könnten, und dies auch häufig geschehe. Ein kontinuierlicher »Prozess der Kostensenkung« führe leicht zu einem Mangel an technischer Wartung, einem Mangel an Besatzung, einer Missachtung von Sicherheits- und Navigationsvorschriften und einer wachsenden Praxis des Missbrauchs von Arbeitskräften.

Unsere Position

Aus zahlreichen Diskussionen mit ETF und AQUAPOL wissen wir, dass sie vor allem die Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Löhne des Hotelpersonals auf Flusskreuzfahrtschiffen im Auge haben, aber auch Missstände in der Frachtschifffahrt beklagen.

Wir bestreiten nicht, dass es Verstöße gegen Vorschriften gibt. Wir wehren uns aber dagegen, die gesamte Branche zu kriminalisieren und die Dinge so stark zu vereinfachen, wie es derzeit geschieht. Natürlich ist es für die Wasserschutzpolizei manchmal schwierig, gewisse Sachverhalte zu klären, das liegt aber weniger an der Papierform der Dokumente. Es liegt eher daran, dass man sich mit vielen Besatzungen gar nicht verständigen kann, dass zuweilen arbeitsrechtliche Konstruktionen vorliegen, die schwer zu durchschauen sind, dass in manchen Fällen unklar ist, welchem Sozialversicherungssystem Besatzungsmitglieder zuzuordnen sind oder wer der Ausrüster ist. Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage, was nach welchen Vorschriften bei ausländischen Besatzungen mit ausländischen Arbeitsverträgen geprüft werden kann. Diese Fragen kann man mittels Digitalisierung aber nicht lösen, auch wenn es aus Sicht der WSP schön wäre, wenn mit dem Auslesen einer digitalen Bordeinheit alle Fragen geklärt wären.

»Digital« ist kein Allheilmittel

Die Überführung von Dokumenten in eine digitale Form kann sinnvoll sein und kann auch sicher manchem Missbrauch vorbeugen. Das darf aber nicht dazu führen, dass das Gewerbe einer immer stärkeren Überwachung unterworfen wird. Und es ist auch nicht immer ersichtlich, dass jede Digitalisierung den Verwaltungsaufwand an Bord verringert. Auch das Gegenteil kann der Fall sein.

Besonders kritisch sehen wir die vorgeschlagene automatisierte elektronische Erfassung der Arbeitszeit an Bord. Diese steht nicht im Zusammenhang mit Bordbüchern und Schifferdienstbüchern, weil Besatzungsfragen und Arbeitszeitvorschriften strikt auseinander gehalten werden müssen. Die Arbeitszeit kann aufgrund der in der Richtlinie bzw. den nationalen Vorschriften geregelten Vorgaben sehr gut kontrolliert werden. Es ist daher nicht angezeigt, die bestehenden arbeitszeitrechtlichen Vorschriften über eine digitale Aufzeichnung zu verändern.

Eine vernünftige Kontrolle der Einhaltung der Besatzungsvorschriften und der dort enthaltenen Ruhezeiten muss selbstverständlich genauso gewährleistet sein wie die Einhaltung der Rechte von Arbeitnehmern, gerade wenn wir über eine Neuordnung mit größerer Flexibilität sprechen. Man darf aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!