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Noch immer hängt die NRMM-Richtlinie wie ein Menetekel über der Binnenschifffahrt. Denn geeignete Motoren, um die Emissionsvorgaben zu erfüllen, sind bislang nicht zu bekommen. Viele rüsten noch um und setzen auf Abgasnachbehandlung plus Partikelfilter

Die viel kritisierte Richtlinie der EU für Non-Road Mobile Machinery, kurz NRMM, ist in Kraft. Für Motoren bis 300 kW gilt sie bereits seit dem 1. Januar dieses Jahres, für Motoren oberhalb 300 KW tritt sie zum 1. Januar 2020 in Kraft, also in sieben Monaten. So ehrenwert das Ziel erscheinen mag, den Schadstoffausstoß zu verringern, so schwierig die Umsetzung in der Praxis. Das hat sich auch in den vergangenen zwölf Monaten nicht geändert.

Bis heute ist kein einziger Motor einsatzbereit, der ohne Zusatzkomponenten die geforderten strengen NRMM-Grenzwerte erfüllt. Einige Hersteller haben zwar Neuentwicklungen angekündigt, aber noch nicht praktisch erprobt. Dazu zählen Zeppelin und Volvo. Auch die als Kompromiss in Aussicht gestellte Lösung, adaptierte Industriemotoren (NRE) verwenden zu können, ist noch nicht endgültig umgesetzt. So fehlt in vielen Fällen die nötige Zertifizierung, ohne die der Einsatz nicht möglich ist.

Innermotorisch sind die neuen Grenzwerte ohnehin nicht zu erreichen, da gilt die gültige ZKR II-Norm auch von Seiten der Hersteller als Grenze des Machbaren. Der Ausweg besteht in der Kombination moderner Aggregate mit einer Abgasnachbehandlung. Diese besteht in der Regel aus einer SCR-Anlage (Selektive Katalytische Reduktion), die unter Beimengung von Harnstoff (AdBlue) vor allem Stickoxide aus dem Abgasstrom filtert, und einem Partikelfilter, um den Rußausstoß zu minimieren. Das gilt ebenso für Nachrüstungen mit ZKR II-Motoren.

Und davon hat es in den vergangenen Monaten viele gegeben, berichten übereinstimmend Motorenhersteller, Werften und Zulieferer wie Tehag. Zu »Dutzenden« hätten Schiffseigner investiert, ist zu hören. Das Kalkül: Wer vor der Frist handelt oder aber einen vor dem Stichtag produzierten Motor einbaut, profitiert nicht nur von der – ebenfalls noch nicht reformierten – Förderung des Bundes, fällt aber ebenso damit unter den Bestandsschutz für die fahrende Flotte. Wer hingegen nach dem Stichtag einen Neubau plant oder bei wem danach der Motor seinen »Geist« aufgibt, muss die verschärften Vorgaben erfüllen.

Die Kombination eines Diesels mit SCR und Filter ist mit den heutigen Euro-VI-Motoren in Lkw tausendfach erprobt und hat sich bewährt. Anders als bei den standardisierten Lkw-Motoren sind angesichts der wenig genormten Binnenschiffe vielfach maßgeschneiderte Konzepte nötig, um das häufig auftretende Platzproblem zu lösen.

Einer der Spezialisten auf diesem Gebiet ist das Unternehmen Tehag, das sich seit mehr als 25 Jahren mit der Aus- und Nachrüstung von Dieselmotoren mit Rußpartikelfiltersystemen, SCR-Anlagen und Schalldämpfern beschäftigt. Vornehmlich im Bahnbereich. »Aber wir haben auch passende Lösungen für die Binnenschifffahrt« erklärt Tehag-Geschäftsführer Florian Franken. Zu den Referenzen gehören nicht nur etliche Fahrgastschiffe, sondern auch die Fähren der Hadag und jetzt auch Schiffe der Hamburger Hafenbehörden, der sogenannten »Flotte Hamburg«. Und auch Franken hatte mit seinem Team in den vergangenen Wochen und Monaten alle Hände voll zu tun.

Doch selbt Nachrüstungen sind und bleiben teuer, für manche auch zu teuer. Frankens Faustformel für die anfallenden Kosten: Hubraum in cm3 x Faktor 2 bei der Ausrüstung mit einem Partikelfilter. Hubraum x Faktor 4, wenn auch eine SCR-Anlage hinzukommt. Bei einem 10-Liter-Motor kostet eine Komplettlösung also mindestens 40.000 €. Selbst bei einer 50 %-igen Förderung muss ein Schiffseigner die andere Hälfte der Summe selbst aufbringen.

Aus Sicht von Tehag-Geschäftsführer könnten Anreize auf kommunaler, Landes oder sogar Bundesebene helfen, schneller auf einen klima- und umweltfreundlicheren Schiffsbetrieb umzusteigen. Berlin etwa plane einen neuen Vorstoß, bei dem einerseits die Vorgaben verschärft würden, andererseits die Umrüstung gefördert werden solle. »Ohne ein funktionierendes Anreizsystem wird es nicht funktionieren«, glaubt Franken.

Bei Investitionen nach dem 1. Januar 2020 wird vieles davon abhängen, ob beim Bund ein ausreichendes Förder-Instrumentarium geschaffen wird. Das bisherige Motoren-Förderprogramm (2017: 4 Mio. €) wurde für dieses Jahr einfach fortgeschrieben. Es gilt dem Gewerbe aber weder mit Blick auf die Gesamtsumme noch auf die Antragsregularien als wirklich geeignet, um einen echten Schub auszulösen. Eine von mehreren Verbänden (VBW, VSM etc.) initiierte Arbeitsgruppe hatte dem zuständigen Bundesverkehrsministerium ein neues, Technologie-offenes Konzept vorgelegt, das nun aber von den Ministerialbeamten erst einmal geprüft wird. Skeptiker bezweifeln inzwischen, ob eine Novellierung angesichts der fortschreitenden Zeit überhaupt noch für 2020 gelingen kann.

Künftig müsste es um weit mehr als nur Diesel-Motoren gehen, sondern auch um die Förderung alternativer Antriebskonzepte unter Einschluss von Batterien, Brennstoffzellen oder wenigstens hybriden Systemen. LNG, einst hoch gelobt, scheint wegen der immensen Kosten von bis zu 2 Mio. € Zusatzkosten pro Schiffsneubau in der Binnenschifffahrt dagegen keine echte Zukunft mehr zu haben.