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100 Jahre wird man nicht alle Tage, viele Unternehmen sind lange vor diesem Jubiläum wieder vom Markt verschwunden. Die Reederei Jaegers, Marktführer in der europäischen Tankschifffahrt, hat diesen besonderen Tag jetzt mit vielen Gästen feiern können

Der Name Jaegers hat Klang in der Binnenschifffahrt, und wenn die Reederei zur Jubiläumsfeier einlädt, dann kommen eben auch knapp 400 Gäste auf das eigens eingecharterte Eventschiff »Ocean Diva«. Kunden, Lieferanten, Partner, Geschäftsfreunde, darunter (fast) alle, die in dem Gewerbe Rang und Namen haben.

In acht Sprachen begrüßte Gunther Jaegers seine Gäste. Duisburg ist nach einer wechselvollen Firmengeschichte zwar der Stammsitz des Unternehmens, der Wirkungskreis dieser Reederei aber ist weit gespannt. Entsprechend international und illuster ist dann eben auch die Gästeschar. Jaegers dankte fürs Kommen, vor allem aber dankte er für die »Unterstützung und vertrauensvolle Zusammenarbeit«, ohne die die Reederei Jaegers nicht zu dem geworden wäre, was sie heute ist.

Sie ist Marktführer in der europäischen Binnentankschifffahrt mit einer Flotte von derzeit 170 Schiffen. Über Chemgas Shipping, die niederländische Tochter, aber auch mit vier Dutzend Gastankern die Nr. 1 in der küstennahen Seeschifffahrt. Der Weg an die Spitze wurde erst in den letzten 25 der insgesamt 100 Jahre zurückgelegt, und diese Entwicklung ist aufs engste mit den beiden Unternehmenslenkern verbunden – mit Gunther Jaegers und Klaus Valentin. Zwei congeniale Partner, Architekten dieser Erfolgsgeschichte.

Sie hatten die Reederei nach turbulenten Jahren 1995 zurück in den Familienbesitz gebracht. Von damals 17 Schiffen wurde die Flotte auf 170 Einheiten verzehnfacht, diversifiziert und modernisiert. Dabei, so sagt es Jaegers in seiner Ansprache, habe das Unternehmen auch etliche Krisen überstehen müssen.

Die Anfänge

Den Grundstein des späteren Erfolgs legt der Großvater, Joseph Jaegers, 1919 in Frankfurt/Main, »in den Trümmern einer Katastrophe«, nach Ende des 1. Weltkrieges. Mit gerade einmal 21 Jahren macht er sich als Befrachter selbstständig und kauft ein Jahr später den Motorschlepper »Peter«, sein erstes eigenes Schiff. Er betreibt zusammen mit seiner Frau Elisabeth zunächst eine reine Main-Reederei. Anfang der 1930er-Jahre erfolgt der Umzug nach Aschaffenburg, näher heran an die Kunden und das Geschäft mit Baustoffen.

Es folgt die zweite Katastrophe, der 2. Weltkrieg, der fast die gesamte Jaegers-Flotte kostet. Danach wieder ein Neuanfang, wieder sind es Elisabeth und Josef, denn Sohn Edgar kehrt erst 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Das Unternehmen räumt im Auftrag der US-Militärregierung zunächst den Main von Brückentrümmern und Schiffswracks, steigt später in die Tankschifffahrt ein.

Einstieg in die Tankschifffahrt

1958 wird mit der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik, heute besser bekannt als BASF, ein erster Vertrag über den Transport von Mineralöl und Chemikalien geschlossen – eine Geschäftsbeziehung, die bis heute andauert. Bis Ende der 1960er-Jahre wächst die Flotte auf 18 Tankschiffe an.

1965 ereilt die Familie der nächste Schicksalsschlag – gerade 45 Jahre alt stirbt Edgar Jaegers nach schwerer Krankheit. Bis 1970 bleiben Elisabeth und Josef Jaegers mit ihrer Reederei selbstständig. Sie sind nun 70 und 72 Jahre alt, Josef ist schwer erkrankt, die drei Enkel noch zu jung. So wird die Reederei 1970 mehrheitlich an die Fendel Schiffahrts-AG in Mannheim verkauft. Allerdings nicht in Gänze: Elisabeth behält allerdings 45% der Anteile, »man wisse schließlich nie, was die Zukunft so bringen werde.«

Übernahme durch Stinnes

Aus der Main- wird mit dem Umzug der Unternehmensleitung nach Mannheim eine Rhein-Reederei. Nur ein Jahr später wird Fendel mit der Stinnes Rheinreederei und der Bremen-Mindener Schiffahrts-AG zur Fendel-Stinnes Schiffahrts AG verschmolzen. Die Jaegers-Flotte ist jetzt ein Teil der damals größten deutschen Binnenreederei mit Sitz in Duisburg, wird aber wegen der Beteiligung der Familie Jaegers als eigenständige Einheit mit 17 Schiffen fortgeführt. 1972 stirbt der Firmengründer. Es folgen die Ölkrise und andere Markterschütterungen. 1972 kommt Klaus Valentin ins Unternehmen Jaegers, wird Prokurist und Anfang der 1980er-Jahre Geschäftsführer. 1973 zieht die Reederei um, ein letztes Mal – zur Stinnes Reederei nach Duisburg-Ruhrort in die August-Hirsch-Straße.

Wieder unabhängig

Ein bevorstehender Generationenwechsel im Stinnes-Vorstand führt Anfang der 1990er-Jahre zu einer von der Familie Jaegers und Geschäftsführer Valentin vorgeschlagenen Realteilung der Flotte entsprechend den Unternehmensanteilen. Neun Schiffe verbleiben bei Jaegers. 1991 verkauft Elisabeth Jaegers die Hälfte ihrer Anteile (22,5%) an Klaus Valentin. Und noch ein kluger Schachzug: Es wird mit Stinnes eine Konzernklausel vereinbart, die den Familien ein Vorkaufsrecht für die anderen Schiffe einräumt.

Mit der Liberalisierung der Binnen­schifffahrtsmärkte zum 1. Januar 1994 fallen die Frachtraten um 60%. Der VEBA-Stinnes-Konzern verliert sein Interesse an der Schifffahrt und stellt die gesamte Flotte zum Verkauf. Dank der Konzernklausel können Klaus Valentin und Gunther Jaegers im November 1995 die Tankschiffe von Stinnes kaufen – die Reederei kehrt zurück in den Familienbesitz.

Je zur Hälfte gehört die neue Reederei den drei Jaegers-Brüdern Gunther, Jörg und Markus sowie Klaus Valentin. Ein Jahr später werden auch die Donau-Aktivitäten (DTSG) von Stinnes übernommen. Die Flotte besteht zu Jahresbeginn 1996 aus 68 Tankschiffen mit einer Tragfähigkeit von 126.276 t. Ab 1997 stößt Gunther Jaegers zur Geschäftsführung dazu – mit Klaus Valentin und Hubert Petzelt (bis 2001) bildete er das Führungstrio.

Europas Marktführer

Nach 1997 beginnt die Umrüstung auf Doppelhüllenschiffe – durch Um- und Neubauten. Mit der Beteiligung an der Befrachtungsfirma Combitank gelang der Einstieg in den niederländischen Markt. Im Jahr 2000 folgt die Übernahme der ehemaligen Reederei SRN-Alpina, 2001 kamen die Kanaltanker von Beckmann (ARO Reederei) hinzu. Mit der endgültigen Übernahme von Chemgas Shipping im Jahr 2004 wurde Jaegers mit rund 130 Schiffen endgültig zum Marktführer in der europäischen Tankschifffahrt. Ende 2010 bestand die Flotte aus 175 Tankern, darunter 110 eigene. sowohl bei Jaegers und Chemgas wurden und werden seither neue Schiffe in Dienst gestellt. 2018 hat Jaegers mit rund 180 Schiffen und einer Transportkapazität von 400.000 t einen Marktanteil von 15% in der europäischen Tankschifffahrt.

Das Unternehmen ist breit aufgestellt. Rhein- und Kanalschiffe, Öl- und Gastanker, Spezialschiffe für den Transport von Ammoniak oder Bitumen. Die Umstellung auf die Doppelhülle ist abgeschlossen. »Das hat viel Zeit und Geld gekostet«, sagt Jaegers. Ebenso wie der Versuch mit LNG als Kraftstoff. Sowohl bei der Reederei Jaegers als auch bei Chemgas gab es entsprechende Neubauten. »Das Konzept hat sich noch nicht bewährt.« Zu teuer, zu viele offene Fragen.

Doch man bleibt Technologie-offen. Die »Rain Empress« fährt diesel-elektrisch, Platz für Batterien und damit einen rein elektrischen Antrieb ist bereits an Bord vorgesehen. Auch die »Hedy Jaegers«, benannt nach der Mutter der Jaegers-Brüder, verfügt über einen Hybrid-Antrieb.

Neue Schiffe im Fokus

Doch nach der verheerenden Dürre des vergangenen Sommers richtet sich der Blick derzeit verstärkt auf neue, flachgehende Schiffstypen, die auch bei Niedrigwasser noch Ladung am Oberrhein abliefern können. BASF in Ludwigshafen hatte wegen der Versorgungsengpässe die Produktion drosseln und anschließend einen Millionen-Verlust verkünden müssen. Der Großkunde drängt seither auf Abhilfe. Bei Jaegers will man daher in neue, dem Fluss abgepasste Tonnage investieren. Zu Details hält man sich noch bedeckt.

Die Geschichte geht also weiter. Mit Christian Valentin (seit 1998) und Philipp Valentin (seit 2001) ist die nächste Familiengeneration bereits seit einigen Jahren an Bord und bereit für die Nachfolge.

Über die vielen Jahre habe es am Geschick aller Mitarbeiter und Beteiligten gelegen, dieses Unternehmen erfolgreich bis zum 100. Geburtstag zu führen, sagt Gunther Jaegers. Manches Mal hätten vielleicht auch »Schicksal« oder gar »höhere Gewalt« eine Rolle gespielt. Doch Jaegers hält es lieber mit den alten Römern: »Fortes fortuna adiuvat« – das Glück ist mit den Tüchtigen.


Krischan Förster