Erzwungene Entschleunigung

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Die Reparaturarbeiten in Henrichenburg schneiden Dortmund erneut für Wochen vom Schiffsverkehr ab. Trotz aller Vorkehrungen ist der Schaden für die Wirtschaft immens. Umso vehementer fordert Hafenchef Uwe Büscher eine zweite Schleuse

In Dortmund ist man viel Kummer gewöhnt, vor allem, wenn es um die Schleuse Henrichburg geht, den einzigen Zugang zum westdeutschen Kanalnetz. Ist dieses Nadelöhr zu, ruht im Hafen am Ende des Dortmund-Ems-Kanals jeglicher Schiffsverkehr. Das war vor drei Jahren schon so. Und auch in diesem Sommer beibt Dortmund über Wochen vom Schiffsverkehr abgeschnitten. »Das Ganze ist eine gigantische Entschleunigungsveranstaltung«, flüchtet sich Uwe Büscher, der Chef von Europas größtem Kanalhafen, in Sarkasmus.

Die Vollsperrung ist bis zum 31. Juli geplant. Danach folgen aber noch mehrere Wochen im sogenannten Notbetrieb. In der Zeit können Schiffe die Schleuse nur in den Nachtstunden passieren, da tagsüber weiter am Bauwerk gearbeitet werden soll. Sofern alles nach Plan läuft. In der Vergangenheit hatte es durchaus Verzögerungen gegeben. In unguter Erinnerung ist noch das Jahr 2013. Damals waren die Kaianlagen in Dortmund 109 lange Tage nicht erreichbar, fast ein Drittel des Jahres.

Die Hafenunternehmen hätten sich zwar auch dieses Mal professionell und mit »bewundernswertem Pragmatismus« auf diese Notlage eingestellt und sich rechtzeitig mit Baustoffen und anderen Gütern »verproviantiert«. Doch der Schaden bleibe groß, nicht nur direkt für die Hafenanrainer, sondern auch indirekt durch eine steigende Verkehrs- und Umweltbelastung auf der Straße, sagt Büscher.

Rund 2.200 Schiffe steuern den Dortmunder Hafen im Jahr an. Während der Sperrung in Waltrup werden die benötigten Waren tonnenweise auf Lkw umgeladen. Bis Ende Juli fallen so geschätzt 6.000 Fahrten an, während des Notbetriebs dann noch einmal doppelt so viele. »Das ist volkswirtschafltlich und klimapolitisch doch völlig inakzeptabel«, sagt der Hafenchef. Auch für 2020 ist eine mehrwöchige Sperrung angekündigt worden, voraussichtlich vom 15. August bis zum 28. September. Dagegen tun können Büscher und die Hafenanrainer zunächst nicht viel, außer auf die fristgerechte Erledigung der Arbeiten drängen. Mit rund 30 Vertretern aus der Dortmunder Hafenwirtschaft hat sich Büscher deshalb nach Henrichenburg aufgemacht, um die Nöte zu schildern und sich den Baufortschritt vor Ort anzuschauen. Zwar habe das zuständige Wasser – und Schifffahrtsamt (WSA) Duisburg zugesichert, dass nach der aktuellen Reparatur »einige Jahre Ruhe« herrschen sollte. Doch mittel- und langfristig sei sehr viel mehr nötig, findet Büscher.

Eine zweite Schleuse als alternativer Zugang müsse her, lautet nicht nur seine Forderung, sondern auch die des Dortmunder Stadtrats. Ob nun die 2005 stillgelegte alte Schleuse in Henrichenburg reaktiviert oder eine neue Kammer gebaut wird, »ist mir egal«, sagt Büscher. Letztere wird mit Baukosten von 50 Mio. € bis 80 Mio. € taxiert. Gut und klug investiertes Geld, wenn sich die Bundesregierung doch gleichzeitig 135 Mio. € an Ausgaben für die »Gorch Fock« leiste. Und außerdem würden sich die Ausgaben amortisieren. »Der Hafen ist 120 Jahre alt und er wird mindestens weitere 100 Jahre bestehen«, sagt Büscher. Selbst zu den genannten Kosten und bei einer Realisierung innerhalb von zehn Jahren sei dies für den Logistikstandort Dortmund eine unbedingt lohnende Investition. »An unserem Fall wird sich zeigen, ob es die Verantwortlichen in Bund und Land mit einer Verkehrsverlagerung auf die Binnenschifffahrt und mit einer ökologisch ausgerichteten Verkehrspolitik ernst meinen.« Büscher, daran lässt er keinen Zweifel, meint es ernst. Er wird am Ball bleiben.
Krischan Förster