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Einige schwere Havarien von Flusskreuzfahrtschiffen in den vergangenen Monaten haben nicht nur Schlagzeilen produziert, sondern belasten auch die Schadenbilanz der Versicherer. Die Allianz Esa sieht sich für Herausforderungen dennoch gut gewappnet

Die Versicherer sehen die zunehmende Zahl von Großschäden mit Sorgen. Denn sie steigern nicht nur die Gesamtsumme an fälligen Auszahlungen, sondern gefährden auch die Balance zu den Prämieneinnahmen der Unternehmen. An mögliche Senkungen der Versicherungsbeiträge ist dabei nicht zu denken: »Nur, wenn es gelingt, die Schäden in Zahl und Höhe deutlich zu verringern, können wir überhaupt dauerhaft günstige Prämien anbieten«, sagt Stefan Franke, Mitglied der Geschäftsleitung bei Spezialversicherer Allianz Esa.

Auch er beobachtet mit Sorge die wachsende Zahl von Vorfällen mit Fahrgastschiffen. Ende Mai war das Flusskreuzfahrtschiff »Viking Sigyn« unter einer Donaubrücke vor Budapest mit dem deutlich kleineren Ausflugsschiff »Habléany« kollidiert, das innerhalb Sekunden nach dem Zusammenstoß versank. 28 der 35 Menschen an Bord starben bei dem Unglück.

Nur wenige Tage später rammte das See-Kreuzfahrtschiff »MSC Opera« die wiederum viel kleinere »River Countess« nach technischen Problemen an der Pier von Venedig, fünf Menschen wurden verletzt.

Auf der Westerschelde nahe der niederländischen Stadt Terneuzen hatte die »Viking Idun« einen Chemikalientanker gerammt. An Bord des Flusskreuzfahrtschiffes hatte es dabei Leichtverletzte gegeben. Zuletzt hatte ein Fahrgastschiff durch eine Kollision mit dem Tor der Schleuse Riedenburg für einen tagelangen Ausfall dieses neuralgischen Bauwerks im Main-Donau-Kanal gesorgt.

Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Gerade der Unfall in Riedenburg hat neben der potenziellen Gefahr für Leib und Leben von Passagieren und Crew auch die volkswirtschaftliche Komponente von Schiffsunfällen aufgezeigt. Durch ausfallende Transporte und teure Reparaturen entstehen immense Kosten für die Beteiligten. Dazu zählen auch immer die Versicherer.

Auch wenn oft noch die abschließenden Untersuchungsergebnisse ausstehen, ist seit Jahren die wichtigste Ursache von schwerwiegenden Havarien bekannt: In 75% aller Fälle ist es der Mensch, der die Situation herbeiführt oder sich im Ernstfall falsch verhält. So hatte es auch die IVR auf ihrem jüngsten Kongress festgestellt. »Da müssen wir zuerst ansetzen«, sagt auch Franke. »Eine bestmögliche Prävention war und bleibt ein ganz wichtiges Anliegen für die Allianz Esa.«

Gut qualifizierte Besatzungen, die mit dem Revier und der eingesetzten Technik vertraut seien, könnten einen Großteil der Schäden verhindern, ist er überzeugt. Gerade durch den Boom bei den Flusskreuzfahrten sei ein enormer Personalbedarf entstanden. Nicht immer, so vermutet Franke, seien die Schiffsführer ausreichend für das jeweilige Fahrtgebiet ausgebildet. Das wäre zumindest ein Erklärungsversuch für die zahlreichen Unfälle an Schleusen, Brücken und mit anderen Schiffen in der jüngeren Vergangenheit.

Ein anderer Ansatz: Es stünden geeignete technische Hilfsmittel wie zum Beispiel Kollisionswarngeräte zur Verfügung, um die Zahl der Unfälle einzudämmen. »Der Einsatz solcher Hilfsmittel ist aus unserer Sicht absolut sinnvoll und sollte verstärkt werden«, sagt Franke. Aber nicht jede Reederei investiere das »Maximum« in die Sicherheit. Verbindlich vorgeschrieben seien solche Geräte eben nicht. Franke sieht da Behörden wie die SuK gefordert, mit entsprechenden Vorschriften die Sicherheitsanforderungen zu erhöhen. »An dieser Stelle bräuchte es mehr Druck.«

Die Allianz Esa befürworte und unterstütze präventive Maßnahmen zwar, soweit es geht. Prämienrabatte seien durchaus möglich. »Das ist schließlich in beidseitigem Interesse. Aber alles hat natürlich kaufmännische Grenzen«, erklärt der Allianz Esa-Experte. Letztlich müssten die Ausgaben über die Prämien refinanziert werden. Er finde es daher nicht verwunderlich, dass sich zuletzt Anbieter aus dem Flusskasko-Bereich zurückgezogen haben.

Künftig geraten die Versicherer durch die zum 1. Juli 2019 in Kraft getretene Verordnung CLNI 2012 zusätzlich unter Druck. Denn damit werden die Haftungsobergrenzen bei Sachschäden verdoppelt (siehe Info) – auch und gerade nach Kollisionen oder Anfahrungen. In der Passagierschifffahrt entfällt die bisher auf 15Mio. € gedeckelte Haftungsgrenze. Bei einem Schiff mit 500 Passagieren liegt die mögliche Haftungssumme stattdessen bei 60Mio. € allein für mögliche Personenschäden.

Die Rechtsvereinheitlichung in den Ländern mit gewerblicher Schifffahrt hält Franke aus Sicht eines in ganz Europa tätigen Versicherers absolut für sinnvoll. Aber man müsse sich eben auch auf höhere Zahlungen einstellen. »Wir haben dafür alle nötigen Vorkehrungen getroffen«, versichert er. Sowohl im Bereich der Kasko- als auch bei der Haftpflichtversicherung stünden die geforderten höheren Deckungsbeiträge zur Verfügung. Im Bedarfsfall sind das bei der Allianz Esa bis zu 100Mio. €.

Der Versicherer sei in den vergangenen Monaten pro-aktiv auf alle Kunden zugegangen. Im Fall, dass vereinbarte Haftungssummen nicht mehr ausreichen, wurden die Verträge entsprechend angepasst, also individuelle Prämienaufschläge fällig. »Die Resonanz unserer Kunden darauf war in der überwiegenden Mehrheit sehr positiv«, so Franke.

Der Versicherungsmarkt bleibt umkämpft, auch im Zuge neuer regulatorischen Veränderungen. Die Allianz Esa sieht sich als führender Versicherer für die Binnenschifffahrt aber weiter auf gutem Kurs. »Wir sind überzeugt davon, dass Qualität der entscheidende Faktor für dauerhaften Erfolg ist.« Dazu zählt er vor allem eine bestmögliche Beratung und Betreuung der Kunden einschließlich einer professionellen Begleitung im Schadenfall. Dabei kann sich der Spezialversicherer aus Bad Friedrichshall letztlich auf die Finanzkraft des Allianz-Konzerns stützen.

Einen weiteren Pluspunkt sieht Franke in den speziellen, auf die Kundenbedürfnisse abgestimmten Versicherungskonzepten des Spezialanbieters. So könne in einem Vertrag eine Kasko-, Maschinen-, Elektronik- und Ausfallversicherung gebündelt werden. Diese lasse sich durch Bausteine wie Be- und Entladeschäden, eine Mindestentschädigung von bis zu 50% vom Neuwert beim Maschinentotalschaden oder eine Höherversicherung im Totalschadenfall des gesamten Schiffes ergänzen. »Damit bieten wir dem Partikulier oder Reeder eine sehr große finanzielle Sicherheit«, sagt Franke.

Die Versicherungsexperten sehen sich in ihrem Kurs bestätigt. Die Allianz Esa, die 2017 ihr 20-jähriges Firmenjubiläum gefeiert hatte, sei seit ihrer Gründung stetig gewachsen. »Das zeigt, dass die Kunden mit unserer Leistung zufrieden sind.«

In den kommenden Jahren sieht Franke weitere Themen in die Binnenschifffahrt einziehen – wie Digitalisierung, Schutz vor Cyber-Attacken oder autonomes Fahren. »Die Reeder und Partikuliere werden sich diesem Thema zuwenden müssen, aber auch die Versicherer müssen neue Lösungen finden.«


Krischan Förster