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Der Dürre-Sommer 2018 hat gezeigt, wie wichtig zuverlässig kalkulierbare Transportbedingungen am Rhein sind, damit Standortvorteile nicht zum Risiko werden. Mit einem 8-Punktepapier will es der Bundesverkehrsminister richten

An Bord der »MS Mainz« in Köln hat Andreas Scheuer am 4. Juli den Aktionsplan »Niedrigwasser Rhein« mit acht Maßnahmen vorlegt, die gemeinsam mit den vom Rhein abhängigen Unternehmen entwickelt wurden. »Wir brauchen mehr Schiff statt Stau und mehr H2O statt CO2. Die extremen Trockenperioden der vergangenen Jahre haben gezeigt: Wenn die Schiffe auf dem Rhein nicht fahren können, bleiben die Tankstellen leer und Unternehmen müssen ihre Produktion zurückfahren«, so der Bundesverkehrsminister. Um die Versorgung der Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort zu sichern, hat er einen Aktionsplan mit acht konkreten Maßnahmen aufgestellt. »Die Wetterextreme, die wir jetzt in unsere Infrastrukturüberlegungen einbeziehen müssen, zwingen uns, sehr konkret zu werden«, sagt Scheuer.

Unterschrieben wurde der Aktionsplan neben Scheuer von Vertretern des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB), des Vereins für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen (VBW), des Bundesverbands Öffentlicher Binnenhäfen (BöB), des Bundesverbands Mineralische Rohstoffe (MIRO) und des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Außerdem gehören die Unternehmen BASF, BP, Thyssenkrupp, Covestro, Lanxess und ROGESA zu den Unterzeichnern.

In acht Punkten in den Handlungsfeldern »Informationsbereitstellung«, »Transport und Logistik«, »Infrastruktur« und »Langfristige Lösungsansätze« will Scheuer den klimawandelbedingten Herausforderungen am Rhein begegnen.

Mehr und bessere Informationen

Das Handlungsfeld »Informationsbereitstellung« sieht die Weiterentwicklung operationeller Vorhersagen (deterministisch bis zu zehn Tage) und Trendaussagen (probabilistisch sechs Wochen bis sechs Monate) zur Wasserstandsentwicklung vor, um die Planung der Transportlogistik in Niedrigwasserperioden unterstützen. Außerdem ist die Einrichtung des DAS-Basisdienstes Klima & Wasser im Kontext der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) vorgesehen. Der ressortübergreifend geforderte DAS-Basisdienst, der auf bereits bestehenden operationellen Diensten des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) aufbaut, wird zukünftig aktuelle Grundlagen für die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an den Klimawandel sowohl für langfristige Planungsvorgänge als auch für kurzfristige Managemententscheidungen bereitstellen.

Um der Schiffsführung eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Fahrrinnentiefen zu ermöglichen, wird die Bereitstellung aktueller Tiefeninformationen in der elektronischen Binnenschifffahrtskarte (Inland ECDIS) vorangetrieben.

Neue Schiffstypen in Sicht

Im Handlungsfeld »Transport und Logistik« ist das Ziel ein »optimierter Umgang mit extremen Niedrigwasserereignissen unter den bestehenden Randbedingungen«. Neben der Ausschöpfung von Verlagerungsmöglichkeiten sowie Schaffung und Ausschöpfung von Lagerkapazitäten könnten die Entwicklung und angepasste Verfügbarkeit geeigneter Schiffstypen, moderne Leichtersysteme sowie die Digitalisierung der Binnenschifffahrt Ansätze für eine Optimierung bieten. Der Bund soll mit begleitenden Maßnahmen (fiskalisch und ordnungspolitisch) solche Ansätze unterstützen.

Das Handlungsfeld »Infrastruktur« sieht durch schnelle Umsetzung der im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankerten Maßnahmen, allen voran die Abladeoptimierung am Mittel- und Niederrhein, eine Verbesserung der Transportbedingungen vor. Auch wenn die Abladeoptimierungen ihren Nutzen in erster Linie bei normalen Niedrig- bis Mittelwasserständen entfaltet, könne sie dennoch auch bei extremem Niedrigwasser Transportausfälle verhindern, heißt es. Der Bund will alle Möglichkeiten zur Beschleunigung von Projekten ergreifen. »Maßnahmengesetze« sollen für ausgewählte Vorhaben anstelle des üblichen Planfeststellungsbeschlusses treten. Die hierfür nötigen Voraussetzungen seien für die Abladeoptimierung Mittelrhein gegeben. Ein erforderliches Vorschaltgesetz soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.

Im Handlungsfeld »Langfristige Lösungsansätze« soll wegen der Häufung extremer Niedrigwasserereignisse aufgrund des Klimawandels die Machbarkeit aller wasserbau- und wasserwirtschaftlichen Optionen zur Sicherstellung zuverlässig kalkulierbarer Transportbedingungen am Rhein, wie z.B. Stau- und Speicherlösungen, ergebnisoffen untersucht werden.

Ein gesellschaftlicher Dialog soll Öffentlichkeit, Politik, Wirtschaft und Umweltverbände für die zur Aufrechterhaltung der Funktionen des Rheins erforderlichen Anpassungen sensibilisieren und Akzeptanz schaffen. Ziel ist ein »Bündnis für den Lebensraum Rhein«.

»Pläne jetzt auch umsetzen«

BDB-Präsident Martin Staats erklärt: »Grundsätzlich können wir das nur begrüßen, man sieht, dass das Thema ins nationale Bewusstsein rückt. Jetzt geht es darum, den Masterplan Binnenschifffahrt und den Aktionsplan zum Niedrigwasser auch umzusetzen.« Die eigentlichen Probleme könnten nur durch wasserbauliche Maßnahmen zur Stützung der Wasserstände gelöst werden. »Da eine Häufung von signifikanten Niedrigwasserereignissen künftig nicht ausgeschlossen werden kann, muss auch ganz ernsthaft über den Bau von Staustufen und Speicherlösungen am Rhein diskutiert werden. Es ist daher richtig, dass im Aktionsplan eine profunde Untersuchung derartiger Maßnahmen verankert ist«, so der BDB-Präsident. Das Gewerbe benötige außerdem ein mit einer attraktiven Förderkulisse unterlegtes Flottenneubauprogramm.

BASF ist eines der Unternehmen, die 2018 hart getroffen wurden. Der Chemiekonzern konnte vieles an Ladung umleiten, eine vollständige Verlagerung und keine Schifffahrt über längere Zeit seien nicht denkbar, sagt Michael Heinz, BASF-Vorstandsmitglied, Standortleiter Ludwigshafen. Der Chemieriese musste wegen der Wasserstände 2018 Einbußen in Höhe von 250Mio. € hinnehmen. »Der ›8-Punkte-Plan‹ nimmt den Rhein in den Fokus. Das ist ein starkes Signal. Aber wir wissen: Damit ist es natürlich nicht getan: Alle Verkehrsträger – also Straße, Schiene, Binnenschiff und Seeverkehr – sind für eine solide wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes essentiell«, spannt Heinz gleich einen weiten Bogen. »Die gesamte deutsche Infrastruktur braucht neue Impulse und vor allem: neue Investitionen.«

Industrie sorgt vor

Vorsorglich hat man bei BASF sechs Schiffe reserviert, die auch bei Niedrigwasser fahrbar sind. Eigene Schiffe hatte das Unternehmen bis in die 1970er. »Wir denken wieder darüber nach, ob das nicht eine Option für die Zukunft wäre«, sagt Heinz. »Dann müssten das aber welche mit geringem Tiefgang sein.« Allerdings gebe es noch keine konkreten Pläne.

Premal Desai, Sprecher des Vorstands der Thyssenkrupp Steel Europe, erklärt: »Für uns ist der Rhein überlebenswichtig. Von den 30Mio.t Rohstoffen, die wir jährlich brauchen, kommen 80 bis 90% über den Rhein.« Man begrüße daher alle Maßnahmen die zur Stärkung der entsprechenden Infrastruktur beitrügen.

Der Stahlkonzern musste 2018 ein Minus »im niedrigen dreistelligen Millionenbereich« verbuchen. Eine Verlagerung auf die Schiene ist schlicht nicht möglich. Thyssenkrupp betreibt eine eigene Leichterflotte, um die Rohstoffe aus Rotterdam nach Duisburg zu schaffen. Normalerweise wird im Sechserverband gefahren, bei Niedrigwasser auf vier reduziert – dann aber fehlen Schubschiffe. 2018 habe man auch Motorschiffe dazu nehmen müssen, die teils nur deshalb frei gewesen seien, weil Unternehmen wie BASF sie nicht hätten nutzen können, erklärt Berhard Osburg, Chief Commercial Officer, Business Area Steel Europe bei Thyssenkrupp. »Aber jetzt sind wir vorbereitet«, sagt Premal Desai. Man habe über Vorsorgeverträge 5.000t Schiffsraum als Reserve gebucht – kostet natürlich alles extra. Und auch im Umschlagbereich hat man reagiert. 2018 musste die dreifache Menge an Schiffen gelöscht werden, die Hafenkapazitäten reichten kaum aus. Neben der bahnseitigen Aufstockung habe man auch Umschlaganlagen ausgebaut, flexibel steuerbar über ein Risikomodell, in dem Pegelstände genau beobachtet werden, erklärt Osburg. Und: »Alles was jetzt an Schiffen ersetzt wird, wird weniger Tiefgang haben.«