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Lange vorbei sind die Zeiten, wo es in den Häfen allein um den Umschlag von Waren ging, wo noch Platz war für ein wenig Hafenromantik. »Value-Added-Service« heißt heute die Devise, die ohne digitale Werkzeuge nicht zu haben ist

Weil in den Häfen heute nicht mehr nur Waren, sondern auch Daten umgeschlagen werden, ist der Einsatz elektronischer Helfer unausweichlich. Denn nur mit modernsten Software-Anwendungen lassen sich die Güterströme im Seehafen und in den Hinterlandhubs steuern und bewältigen.

Das wurde auf dem 15. Themenabend deutlich, zu dem das SPC (ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center) nach Neuss eingeladen hatte. Vertreter der dbh Logistics IT sowie seiner Partner RBS EMEA und akquinet port consulting gaben rund 60 Gästen einen Überblick darüber, wie eine zügige und Ressourcen schonende Bewältigung der Ladungsmengen möglich bleibt. Am Waren- und Datenfluss in den Seehäfen zum Beispiel sind neben den Umschlagsbetrieben längst auch Zoll, Spediteure und zahlreiche Dienstleister beteiligt. Wie das von der dbh entwickelte Port-Community-System PCS als Kommunikationsplattform arbeitet und allen Akteuren maßgeschneiderte Informationen zukommen lässt, zeigte Andreas Grunwald auf. Der Wilhelmshavener Standortleiter der dbh Logistics IT: »Parallel zum Warenumschlag übernimmt unsere Plattform den Datenumschlag, bei hoher Datensicherheit und Einhaltung des Datenschutzes.«

Seit den Anfängen der dbh 1973, damals wurden oft wichtige Papiere noch per Boten transportiert, sei das Leistungsspektrum beständig gewachsen, analog zu den Anforderungen und technischen Möglichkeiten der Kunden. Das heutige Port Community System (PCS) sei modular und ließe sich somit flexibel den Anforderungen der Nutzer anpassen. »Das nutzen heute auch Kunden im Hinterland, um mit den Partnern im Seehafen zu kommunizieren«, so Grunwald. Norbert Klettner, Geschäftsführer der RBS EMEA UG, skizzierte die Herausforderungen, die ein Terminal Operations System (TOS) lösen muss, zusätzlich zur eigentlichen Aufgabe, das Umschlagsgeschehen abzubilden. Immer mehr Datenquellen und Schnittstellen seien dabei einzubinden. Informationen über Anzahl, Position und Zustand der Umschlaggeräte, die Dokumentation der Container mit und ohne Ladung und eventuellen Schäden müssten, ebenso wie Zollformalitäten, einer Vielzahl von Marktteilnehmern in Echtzeit zukommen. Die Abläufe in der Logistik würden immer automatisierter und transparenter, der Informationsbedarf von Partnern, Kunden und Behörden immer größer. Klassische Unternehmenssoftware komme hier schnell an ihre Grenzen.

Klettner: »Dank unserer Cloudlösung ist die Implementierung deutlich einfacher und kann in wenigen Wochen fertig sein. Die Abrechnung läuft per TEU. So kann ich mit Laptop und Internetzugang ein ganzes Terminal steuern.«

Auf Daten in der Cloud setzt auch Timo Köhler von der dbh. Das könne auch Spediteuren Vorteile bringen, beispielsweise mit dem so genannten Pre-Announcement. Für diese Vorankündigung errechnet die Software Zeitpunkt und Ort der Bereitstellung des Containers und generiert einen Code für den Trucker und die Terminalmitarbeiter. »Mit dem spezifischen Code kann sich der Fahrer im genannten Zeitfenster am Gate an einem Selbstbedienungsterminal anmelden. Dort bekommt er direkt die Verladestelle genannt. Im Terminal selbst wissen die Mitarbeiter mit Hilfe des Codes, welchen Container sie auf welchen Lkw stellen müssen.«

Unterstützt werden kann das System, wenn das Terminal über Videogates verfügt. Sie liefern die Information, welche Container und Fahrzeuge tatsächlich vor Ort sind und wie deren Zustand ist. Die am Gate generierten Daten mit Kennzeichen, Identifikationsnummer und den verschiedenen Hinweisschildern an den Containern werden automatisch in das TOS eingespeist.

Bei der akquinet port consulting geht es darum, mit Simulationen und Visualisierungen die umfassenden und vielschichtigen Datenmengen für Menschen sichtbar zu machen. »Das Videogate macht aus Bildern Daten, wir machen aus Daten Bilder, denn Menschen denken in Bildern«, sagt Holger Schütt von aquinet.

In virtuellen Häfen und Terminals, die dem Original entsprechend abgebildet werden, spielt akquinet im Kundenauftrag Abläufe durch. So wird sichtbar, wie sich mit variablen Stellschrauben die Verkehre und die Leistungsfähigkeit der Häfen verändern lassen. »Schon in der Vorplanungsphase von Häfen können wir virtuell Prozesse simulieren, um später Staus und Probleme im Hafenbetrieb zu verhindern«, so der Experte.

Aber auch wenn der Hafen schon im Betrieb sei, könne die Simulation für Optimierungen eingesetzt werden. Etwa, wenn sich Anläufe und Lieferströme andern. »In Schulungen können Terminalplaner neue Taktiken ausprobieren«, so Schütt.

Auch ein 3D-Modell eines Terminals könne in Echtzeit genutzt werden, um Abläufe zu verbildlichen, um etwa alle Leercontainer einzufärben. »Das ermöglicht es den Planern, das Terminal optimal auf die nächsten Moves und Schichten vorzubereiten«, sagt Schütt.

Deutlich wurde in der Diskussion mit den Referenten, dass das Interesse der Binnenhäfen an der Vernetzung mit den Seehäfen wachse. Die Forderung nach einer besseren Vernetzung gehe oft von den Seereedern aus. Die Binnenschiffer fühlten sich am Seeschiffsterminal dagegen oft noch verloren, so Timo Köhler.

Um das zu ändern, wird im IHATEC-Projekt »Binntelligent« die digitale Vernetzung von See- und Binnenterminals mit den einlaufenden Schiffen vorangetrieben. Die Ankunft von Containern präzise planen zu können, sei für die Binnenschifffahrt Anreiz und Wettbewerbsargument gleichermaßen, sich als verlässlicher Transportpartner zu profilieren und die Verlagerung von Transporten von der Straße auf das Wasser zu fördern. Denn die Verfügbarkeit von Verkehrsdaten in Echtzeit werde immer bedeutender gegenüber der reinen Laufzeit des physischen Transports. Geeignete Tools und Projekte gibt es bereits. »Je besser und moderner ein Hafen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch genutzt wird«, fasste SPC-Geschäftsführer Markus Nölke den Tag zusammen. »Das gilt auch für die Binnenhäfen.«


Hermann Garrelmann