Zur Diskussion gestellt: Abgreifen von AIS-Daten

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Seit mehr als fünf Jahren ist das automatische Identifikationssystem (AIS) in Kombination mit dem Elektronischen Kartendarstellungs- und Informationssystem (ECDIS) verpflichtend für nahezu alle Binnenschiffe. Die Vorteile von AIS sind nicht von der Hand zu weisen: Schon vor einer Kurve zu wissen, ob und wie schnell jemand entgegenkommt, räumt bedeutend mehr Zeit ein, die Begegnung abzusprechen. Das Fahren in einer Kolonne auf einem staugeregelten Fluss wird durch das Wissen über Standort und Geschwindigkeit des Vordermanns deutlich effizienter – meistens zumindest. Des Weiteren ist das System ein entscheidender Grundstein für das teilautonome- oder autonome Fahren.

Allerdings kommt es immer mal wieder zu Fehlern und auch nicht alle Fahrzeuge unterliegen der Ausrüstungspflicht. Daher muss man immer wieder daran erinnern, dass es sich um eine Unterstützung für die Navigation handelt und nicht um ein Navigationsgerät. Es bleibt die Verpflichtung des Schiffsführers, den Verkehr mit Hilfe des Radarbildes oder eines Blicks aus dem Fenster des Steuerhauses zu überwachen.

Auch Kleinfahrzeuge der Polizei unterliegen der Ausrüstungspflicht. Allerdings sind sie von der Pflicht befreit, das Gerät ständig eingeschaltet zu haben, wenn die Übermittlung von AIS-Daten die Erfüllung polizeilicher Aufgaben gefährden würde. Mit anderen Worten, sie dürfen sich einem Schiff, das sie kontrollieren möchten, unbemerkt nähern.

Datenschutz im BinSchAufG

AIS wurde eingeführt, um die bordseitige Navigation zu unterstützen und so die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu verbessern. Gleichzeitig dient es der landseitigen Verkehrserfassung und -überwachung sowie weiteren Aufgaben wie Unfallbekämpfung, Havariemanagement, Schleusenmanagement, Statistik etc. Die Aufgaben im einzelnen sind in § 8 des BinSchAufG aufgeführt.

Diese Vorschrift regelt die Verarbeitung von Daten im Binnenschiffsverkehr, ein Thema, das dem BDS bei der Einführung der Ausrüstungsverpflichtung sehr wichtig war. Dem Engagement des BDS ist es z.B. zu verdanken, dass die über AIS erlangten Daten nicht zur Verfolgung von Straftaten (Ausnahme Straftaten gegen den Schiffsverkehr und schwere Straftaten) und Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürfen. Das heißt, eine Geschwindigkeitsübertretung oder eine Überschreitung der Fahrzeit z.B. können nicht mittels AIS-Daten verfolgt werden.

Auch die Weitergabe von AIS-Daten an die Ladungsbeteiligten ist in Art. 8 reglementiert. Die Daten müssen unmittelbar nach Beendigung des Transportes gelöscht werden, andernfalls droht ein Ausschluss von der Datenübermittlung.

Daten werden illegal abgegriffen

Soweit, so gut. Geblieben ist aber ein gewisses Unbehagen durch die Möglichkeit der permanenten Verfolgung des Schiffes und der darauf befindlichen Personen auf Seiten kommerzieller Anbieter. Da die AIS-Daten via Funk verbreitet werden, positionieren diese Anbieter Landfunkstellen überall im Land, greifen die AIS Daten ab und stellen sie zu kommerziellen Zwecken auf verschiedenen Plattformen zu Verfügung. Die Preise, die für diverse Abonnements verlangt werden, zeigen, dass es sich offenbar um nachgefragte Informationen handelt.

Marine Traffic, Findship, Vesseltracker und noch einige mehr, greifen unsere Daten ab und ermöglichen es jedem, der über ein Endgerät verfügt, sich die aktuelle Position unserer Schiffe anzeigen zu lassen. Diese Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten ist rechtswidrig und sogar strafbewehrt. Einigen Anbietern ist das klar, denn sie entfernen jeden, der dies verlangt. Andere scheinen sich sicher zu fühlen.

Ist uns Datenschutz egal?

Mann kann natürlich einwenden, dass andere Anbieter für ihre Routenplanung auch auf Standortdaten zugreifen. Allerdings geschieht dies nur, wenn ich sie selber freigebe. Bei AIS habe ich diese Möglichkeit nicht. Die Schiffsdaten werden automatisch ausgesendet.

Anrufe von Reederei, Befrachter, Lade- oder Löschstellen mit der Frage, warum das Schiff nicht fährt, sind zuweilen schon befremdlich. Man fühlt sich permanent überwacht. Gegen den notwendigen Austausch mit den Ladungsbeteiligten ist jedoch nichts einzuwenden. Im Gegenteil.

Die Planung und Einteilung des Transportes ist aber allein meine Sache, solange ich mich an die vertraglichen Vereinbarungen halte. Wenn das Schiff liegt, kann dies vielfältige Ursachen haben. Berufliche wie private, denn für viele von uns ist das Schiff nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Zuhause. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Es ist auch grundsätzlich niemand berechtigt, meine Reisen und Aufenthaltsorte zu verfolgen, der sich daraus ein komplettes Bild meiner Geschäftstätigkeit und auch meiner privaten Aktivitäten machen kann.

Wollen wir das alles eigentlich so unwidersprochen hinnehmen? Ist es im Zeitalter von Facebook, Twitter, Instagram etc. egal geworden, wem wir welche Daten von uns preisgeben?

Ich finde es bemerkenswert, was auf der einen Seite von unseren Aktivitäten im Netz verfolgt werden kann und was auf der anderen Seite, z.B. von Behörden, aus Datenschutzgründen geheim gehalten wird. Das passt oft nicht mehr zusammen.

Wir stehen in naher Zukunft vor großen Herausforderungen, gerade bei dem Thema Digitalisierung. Um Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten und um die Kommunikation mit allen Beteiligten der Supply-Chain zu verbessern, müssen immer mehr Daten an Bord erhoben und digital erfasst werden. Gerade deshalb sollte man beim Thema Datenschutz sensibel bleiben!
Stephen Mnich