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Wer den Namen Kiepe hört, den Ort Haren dazu, kommt am Thema Binnenschifffahrt nicht vorbei. Heinz Kiepe und Sohn Ralf sind mit ihren Familien Teil der Schiff­fahrts­historie von Haren. Jetzt stellen sie ein größeres Schiff in Dienst

Es kann kein anderer Name sein als »Karl-Hein«, der am Bug verkündet: dieses Schiff gehört den Kiepes aus Haren. »Nach meinem ersten Schiff mit diesem Namen ist dies nun die fünfte ›Karl-Hein‹ in unserer Familie«, rechnet Heinz Kiepe kurz nach. Mit seiner Ehefrau Elisabeth und Sohn Ralf sitzt er »zwischen den Jahren« am heimischen Wohnzimmertisch. Ein kurzer Rückblick, eine kurze Vorausschau, kurzum, ein kleines Innehalten, wie es selten vorkommt. Eigentlich ist immer mindestens einer der drei aus der Familie, die in Haren den Beinamen »Dieners« trägt, an Bord.

Nun aber liegt die »Karl-Hein« im niederländischen Papendrecht. Am Nachmittag, kündigt Heinz an, werde man kurz rüberfahren und nach dem Rechten sehen. Erst seit Kurzem fahren die Kiepes diese fünfte »Karl-Hein«. Mit dem Erwerb der 2003 gebauten Ex-«Onderneming« von der Schifferfamilie De Korte ist zugleich ein Generationenwechsel eingeleitet. Fortan führt Ralf Kiepe (33) die Geschäfte auf eigenem Namen. Vater Heinz, der seit 1984 mit vier namensgleichen Schiffen auf allen Wassern in Deutschland und darüber hinaus unterwegs war, begibt sich aufs Altenteil. Klar, dass er zukünftig weiter an Bord ist, auch zusammen mit seiner Frau, aber das Eignerruder hat er mit dem neuen Schiff seinem Sohn übergeben. »Er ist dann halt mein Matrose«, scherzt Ralf, der in Charter für Imperial fährt.

Die Kiepes sind eine Partikuliersfamilie, wie sie im Buche steht. Seit 1956, als Rudolf, der Vater von Heinz mit Bruder Heinrich die 57 m lange »Rolf-Hein« bauten, wird gefahren. Die Schiffe wurden mit jedem Wechsel länger, größer, moderner. Nun fährt Ralf die 135m lange »Karl-Hein«, die selbst auf 3.972t ausgelegt ist und insgesamt bis zu 9.000t bewegen kann, wenn sie zwei Backs längsseits nimmt. Das Vorläuferschiff, das war die Ex-«Stuttgart«, hatte 110m Länge. Seit 2015 waren die Kiepes damit unterwegs.

Nun können Ralf Kiepe und seine Crew, zu der neben Vater Heinz und Mutter Elisabeth auch zwei tschechische Steuerleute gehören, einen noch breiteren Markt bedienen. Neben diversen Schüttgütern ist das Schiff auf Containertransport ausgelegt. »Wenn wir höhenmäßig nicht eingeschränkt sind, können wir 320TEU laden«, sagt Ralf, »acht davon haben einen Anschluss für Kühlcontainer«, ergänzt er.

Auf die volle Ausnutzung der Tragfähigkeit sind auch die Motoren ausgelegt. Zwei Caterpillar 3512 DI-TA electronic mit 1.378PS stehen im Maschinenraum. Zwei Cat-getriebene Veth-Bugstrahler mit 487PS geben die Kraft bei Manövern sowie in Häfen und an Anlegestellen. Mit drei Generatorsets wird der an Bord nötige Strom erzeugt.

»Wir mussten gar nicht viel umbauen und anpassen«, freut sich Ralf Kiepe über die neue Errungenschaft. Das Schiff sei in tadellosem Zustand übernommen worden. Nur den Namen des Frachters und die Farbe des Schanzkleides, das jetzt in »Kiepe-Blau« strahlt, habe man angepasst. Vater Heinz freut sich über die neue Reling aus Edelstahl, die von Koedood Roestvrij Staal stammt. »Das gibt einem doch ein deutlich besseres Gefühl, wenn man die Gangbord läuft«, bekennt er den Nutzen dieser Einrichtung. Die Anpassung der Wohnung an die neuen familiären Verhältnisse auf der t‘Ambacht-Werft sei ebenfalls zügig erfolgt.

»Mit dem vorigen Schiff haben wir zu 90% Strecken bedient, die wir auch mit einem 135er fahren können, überwiegend auf der Rheinschiene«, nennt Ralf Kiepe einen von mehreren Gründen für den Erwerb des größeren Schiffes. Nach den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr mit viel Niedrigwasser habe man ­gesehen, dass die Möglichkeit, Backs mitnehmen zu können, die Erlössituation verbessern könne, und das mit gleicher Besatzung. Nun können auch die Kiepes Kohle, Erze, Chloride, diverse Zuschlagstoffe für die Stahlindustrie in größerem Umfang transportieren – notfalls sogar mit zwei Leichtern auf der Seite.

Dass sich in den nächsten Jahren die Ladungen ändern, ist unausweichlich. Mit dem Kohleausstieg in Deutschland fällt dieses Transportgut definitiv weg. Die verstärkte Zuwendung zum Containertransport ist für Ralf Kiepe weniger ein Problem, eher eine Chance. Der Wandel in der Binnenschifffahrt sei ein ständiger Begleiter, blickt Vater Heinz Kiepe zurück. Das beträfe die Ladung, das beträfe aber auch die Wahrnehmung der Binnenschifffahrt insgesamt.

Habe sich früher beim Auf- oder Abladen eines Autos am Autosteiger fast immer ein nettes Gespräch mit Passanten ergeben, würde man heute skeptische Blicke vernehmen. »Alles was sich bewegt und ein wenig Geräusche macht, wird als negativ gesehen. Könnte ja qualmen oder stinken«, stellt Kiepe eine Art Grundskepsis fest.

Die Entwicklung der Liegeplätze am Rhein und auch an anderen Strecken registriert man im Hause Kiepe mit Skepsis. »Zwischen Köln und Koblenz ist da nichts«, ärgert sich Elisabeth Kiepe, die als »Steuerfrau ohne Patent« die Reviere ebenfalls bestens kennt. Wie wichtig entsprechende Einrichtungen seien, habe man noch jüngst bei einem Vorfall im Bereich Köln-Godorf erlebt, wo ein verletztes Kleinkind nur mit ungewöhnlichem Einsatz der Beteiligten sicher zur Behandlung an Land gekommen sei.

Der neuen Ära gehen die Kiepes mit der neuen, der fünften, der bisher längsten »Karl-Hein« optimistisch entgegen. Dafür spricht nicht nur die Familientradition, sondern auch die gesammelte Erfahrung an Bord und die tiefe Verwurzelung in der Branche.


Hermann Garrelmann