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Mit Sorgen erwartete eine ganze Branche das Jahr 2020. Seit dem 1. Januar gelten strengere Anforderungen an die Motorisierung von neuen Binnenschiffen. Die Befürchtung, es gebe bis dahin keine der Norm entsprechenden Motoren, hat sich so aber nicht bestätigt

Kaum ein Treffen von Binnenschiffern, bei dem nicht die Sorge vorgetragen wurde, für neu zu bauende Schiffe gebe es womöglich ab diesem Jahr keine geeigneten Motoren. Das Problem ist nicht aus der Welt, aber doch nicht so groß wie befürchtet.

Die bereits in 2016 verabschiedete Verordnung regelt, dass Motoren in Binnenschiffen mit einer Leistung von mehr als 300 kW ab diesem Jahr deutlich reduzierte Grenzwerte für Emissionen (Kohlendioxid, Kohlenwasserstoff, Stickoxide und Feinstaub) einhalten müssen.

Noch vor etwa einem Jahr äußerten auch Politiker ihre Vorbehalte. Angesichts der Langlebigkeit von Binnenschiffmotoren des kleinen Absatzmarktes (150 Motoren pro Jahr) könnte es keine geeigneten Produkte seitens der Hersteller geben. Und wenn, dann zu einem Vielfachen der Kosten. Dies werde sich ein mittelständischer Partikulier kaum leisten können. Doch die Lage hat sich inzwischen etwas entspannt. Zwar liegen sogenannten Stage-V-Motoren noch nicht reihenweise in den Regalen der Hersteller. Gleichwohl sind sie inzwischen Bestandteil von Bau- bzw. Lieferverträgen.

De Jonge Shipbuilding Services und Breko Shipbuilding & Repair haben zugesichert, dass Ende 2020/Anfang 2021 vier Binnentanker mit Motoren nach der neuen NRMM-Vorgabe ausgeliefert werden. Das ist der erste Auftrag dieser Art.

Die Scania-Motoren werden von Theus Vlot geliefert und in vier 85 m lange und 9,50 m breite Typ-C-Tanker eingebaut. Sie werden in einem monatlichen Rhythmus von Januar bis April abgeliefert.

Laut der geltenden Übergangsregelung dürfen noch 18 Monate lang Motoren verbaut werden, die bereits 2019 hergestellt wurden und der heutigen ZKR 2-Norm entsprechen. Dennoch hat sich De Jonge nach eigenen Angaben bewusst für Motoren der Stufe V entschieden. Auch Teus Vlot Diesel Marine aus Sliedrecht war gewappnet und konnte in Zusammenarbeit mit dem Scania-Importeur Sandfirden Technics ein Angebot erstellen. »Es ist für uns der erste Vertrag für Stage-V-Motoren, die unter Klassifizierung auf Tankschiffen eingebaut werden«, sagt Managing Director Ronald Cornet.

Es geht je Schiff um drei Scania DC13-Motoren mit 450 PS Leistung. Zwei davon sind für den Antrieb vorgesehen, einer als Generator. Um die strengen NRMM-Anforderungen zu erfüllen, werden sie mit einem SCR-Katalysator und einem Rußfilter kombiniert. Die Nachbehandlung sei komplett integriert und gelte insofern als fester Bestandteil des Motors. Das sei eine der wesentlichen Vorgaben der Vorgaben, so Cornet. Zusätzlich zu den Scania-Motoren liefert Theus Vlot für jedes der vier Schiffe zwei Generatorsets von JCB. Die seien ebenfalls Stage-V-konform und zertifiziert, heißt es.

Inzwischen haben sich auch andere Motorenhersteller den Erfordernissen des Marktes und der Verordnung gestellt.

Der deutsche Scania-Vertragshändler ScanDiesel hatte auf der STL in Kalkar mit dem Marinemotor DC13-M den ersten Motor vorgestellt, der die EU-Stufe V erfüllt. Dabei handelt es sich um einen marinisierten Lkw-Motor, der durch Anpassungen am Einspritzsystem, Abgasstandrohr und Kühlsystem auch auf Binnenschiffen eingebaut werden kann. Ab dem 1. Quartal könne man bis zur Leistungsklasse von 560 kW liefern, sagte ScanDiesel-Geschäftsführer Rainer Dierks. »Künftig werden wir das gesamte Industriemotoren-Programm von scania marinisieren«.

Die Lieferverfügbarkeit ist abgestuft. Die Baureihe DC13 sei ab März 2020 lieferbar, die Baureihe DC9 ab Mai und die Baureihe DC16 ab September. Die ersten zwei DC13-Motoren werden Anfang März als Teil eines diesel-elektrischen Konzepts mit einer Baumüller-Antriebslösung auf einem deutschen Behördenschiff eingebaut werden. Geliefert wird an die Bolle Werft in Derben.

Caterpillar Marine und Pon Power sind ebenfalls gerüstet. Die Unternehmen können nach eigenen Angaben Stage-V-Motoren in unterschiedlichen Leistungsstufen bis maximal 1.350 kW anbieten. Laut Andreas Schmuck, Vertriebschef des Caterpillar-Lieferanten Zeppelin Power Systems, hatte es kleine Verzögerungen gegeben. »Grundsätzlich ist aber alles gut im Fluss«, so Schmuck. Ende 2020 oder oder Anfang 2021 stünden die zertifizierten Aggregate zur Verfügung.

Auf der Marine Equipment Trade Show in Amsterdam präsentierte Diemax Marine zwei neu entwickelte Motoren. Ein Zwölfzylinder mit 447 kW (600 PS) und ein 190 kW (260 PS) leistender Sechszylinder, beide basierend auf Komponenten von BMW, werden zunächst nach Tier II zertifiziert. Ergänzt mit einem SCR-Katalysator soll aber die Zertifizierung problemlos möglich sein, so der Hersteller.

Der belgische Motorenspezialist ABC hat mit den Produkten 6DZC und 8DZC zwei Aggregate mit einem modularen Nachbehandlungssystem im Portfolio. Ein Problem stellt sich den Belgiern: Sie wissen noch nicht, wer die Zertifizierung in ihrem Land vornimmt. Zuständig sind die regionalen Verwaltungen am Sitz des Herstellers. Dort aber gebe es keine entsprechenden Experten, heißt es bei ABC.

Mit einem Umweg über Euro-VI-Lkw-Motoren (NRE) von Paccar ist Vink-Diesel am Markt. Der größte marinisierte Motor (MX-13 390) kommt auf 390 kW (530 PS). Er verfügt ab Werk über kompakte Nachbehandlungskomponenten mit SCR-Katalysator und DPF-Rußfilter.

Bei Koedood Dieselservice in Hendrik Ido Ambacht hat man einen Mitsubishi-Motor um Rußfilter und Katalysator von Emigreen ergänzt und dazu die Zertifizierung beantragt. »Wir werden faktisch zum Hersteller«, sagt Firmenchef Arie Koedood. Ein Datum konnte er jedoch noch nicht nennen.

Eine Nachfrage bei unterschiedlichen Stellen ergab, dass es bislang keine »offizielle« Liste für Stage-V-zertifizierte Motoren gibt. Eine von CESNI im April 2019 veröffentlichte Aufstellung gilt als unvollständig bzw. inaktuell. Vorerst müssen sich Binnenschiffer daher selbst mühsam informieren.


Hermann Garrelmann