GDWS – »Es wird einen Schub geben«

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Herr Joeris, als Leiter der Abteilung Wasserstraßen in der GDWS kommt Ihnen die Kernaufgabe in der Umsetzung der Infrastruktur-Maßnahmen aus dem Masterplan Binnenschifffahrt zu. Wie sehen die internen Planungen für den zeitlichen Ablauf der vorgesehenen Infrastrukturprojekte aus?

Heinz-Josef Joeris: Für das Land Nordrhein-Westfalen wird es einen richtigen Schub geben. Damit können wir nun Projekte angehen, für die bisher nur wenig Personalressourcen bereitstanden, z.B. die Abladeoptimierung am Niederrhein und der Ausbau des Wesel-Datteln-Kanals. Beides sind Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 mit einer hohen wirtschaftlichen Bedeutung weit über Nordrhein-Westfalen hinaus. Auch für die Fertigstellung der Südstrecke des Dortmund-Ems-Kanals gibt es zusätzliche Stellen, so dass neben der Stadtstrecke Münster auch die restlichen Lose beschleunigt ausgebaut werden können. Insgesamt geht es in Summe um Maßnahmen, die weit über einer Milliarde Euro liegen. (Siehe Kasten)

Welche Maßnahmen trifft die WSV um die Planungs- und Projektausführungszeiträume zu verkürzen?

Joeris: Wir haben die Prozesse von der ersten Planung bis zur Fertigstellung eines Bauwerkes kritisch analysiert und dabei vier Handlungsfelder identifiziert:Verwaltungsabläufe straffen

• Organisation optimieren

• Neue Methoden der Vergabe in der WSV pilotieren/implementieren

• Dialog am Bau

Um die Verwaltungsabläufe zu straffen, wollen wir zukünftig auf Planfeststellungsverfahren bei Ersatzinvestitionen (Wehre) – soweit wie rechtlich möglich – verzichten, den Schwerpunkt bei der Entwurfsplanung auf die Voruntersuchung verlagern, also Stichwort »Fehlerfortpflanzung vermindern« und möglichst alle Entscheidungen wieder auf der Baustelle treffen.

Dazu haben wir die Zustimmungsgrenzen der Generaldirektion bei Vergaben und Nachträgen deutlich nach oben gesetzt und die Rolle der Ämter gestärkt. Hierzu gehört auch das »Leben einer positiven Fehlerkultur«.

Um frühzeitig auf »problematische Baustellen« zu reagieren, haben wir eine interne »Task Force« eingerichtet. Das heißt, erfahrene Kollegen der WSV unterstützen die Ämter bei einer raschen Entscheidungsfindung, insbesondere bei schwierigen Nachträgen. Wichtig ist hier die Bereitschaft von Auftraggeber und Auftragnehmer, bei festgefahrenen Situationen in der Bauabwicklung wieder Bewegung ins Spiel zu bekommen, mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden Hier schaue ich ganz bewusst auch in Richtung Bauindustrie.

Wir sind dabei, die Informationen von Großmaßnahmen im Rahmen eines Multiprojektmanagements zu verknüpfen. Damit können wir den Ressourcenbedarf effektiver steuern und rechtzeitig Personal- und Strategieanpassungen vornehmen, da Abhängigkeiten frühzeitiger erkannt werden.

Der WSV ist es gelungen, in den letzten vier Jahren fast 400 neue Stellen für den Baubereich zu schaffen, so dass deutlich mehr Projekte auf den Weg gebracht werden. An dieser Stelle bedanke ich mich auch bei den politisch Verantwortlichen, die uns die dringend erforderlichen Personalressourcen in den Haushaltsberatungen zugesprochen haben. Die Personalgewinnung im Ingenieur- und Fachkräftesektor ist jedoch schwierig. Die Konkurrenzsituation ist enorm. Hier haben wir deshalb ein Angebot von dualen Studiengängen an vier Standorten in Deutschland (Master, Bachelor) etabliert, um gut ausgebildete Nachwuchskräfte schon früh an uns zu binden.

Neue Methoden der Vergabe sind für mich ein wichtiger Schritt, um Planungs- und Ausführungszeiträume zu verkürzen. Dazu bauen wir auf verschiedene Ansätze:

• Zweistufige Auswahlverfahren

• Stärkere Einbeziehung der Qualität bei der Wertung von Angeboten

• Bündelung von baugleichen Maßnahmen

• »Planen und Bauen« – Verträge im Zusammenhang mit Verhandlungsverfahren und wettbewerblichem Dialog

• Bonus-/Malus-Regeln

Die ersten drei Punkte wurden schon erfolgreich pilotiert, die anderen befinden sich in der Vorbereitung.

Das letzte Handlungsfeld, das wir herausgearbeitet haben, ist der Dialog am Bau.

Hier haben wir begonnen, unsere Erfahrungen regelmäßig mit der BFA Wasserbau und dem VBI auszutauschen. Zukünftig wollen wir die interne/externe Streitschlichtung frühzeitig vereinbaren. Der Bau der 5. Schleuse Brunsbüttel hat gezeigt, wie wichtig es sein kann, ein Streitbeilegungsverfahren in den Vertrag zu implementieren. Wir haben diesen Punkt deshalb auch bei weiteren Bauverträgen in der WSV in die Verträge genommen. Hier wünsche ich mir von den Wasserbaufirmen, dass sie diesen Dialog in der ARGE, mit Sub- und Nachunternehmer ebenfalls verstärkt wahrnehmen. Bei einigen Unternehmen im Wasserbau habe ich festgestellt, dass sie ihre internen Abläufe genauso kritisch wie die WSV hinterfragen; die Betonung liegt aber bei einigen!

Wie sehen Sie die Möglichkeit, verstärkt externe Planungs-Kapazitäten einzubinden?

Joeris: Ca. 70 % der Planungsleistungen bei großen Wasserbauprojekten werden aktuell vergeben. Hiervon wollen wir auch nicht abrücken. Bei den Kernkompetenzen im Wasserbau halte ich einen Eigenplanungsanteil von 30% für realistisch, um weiterhin kompetenter Verhandlungspartner für Ingenieurbüros und Baufirmen zu bleiben. Die Zahlen belegen, dass die WSV die Planungskapazitäten des Marktes benötigt: Zurzeit betreut die WSV schätzungsweise über 500 Planungs-/Ingenieur- oder Prüfingenieuraufträge mit einem geschätzten Volumen von ca. 100 Mio. €. Eine verstärkte Einbindung externer Planer sehe ich auch bei neuen Vergabemethoden. Das niederländische Modell (Planen und Bauen) wird Herausforderungen an die klassischen Wasserbaufirmen stellen. Die WSV wird dabei ihren Planungsanteil deutlich herunterfahren. Ähnliches gilt für den wettbewerblichen Dialog, den wir ebenfalls zukünftig verstärkt einsetzen wollen.

Der Netzzustandsbericht des Bundes aus dem Jahr 2016 zeigt auf, wie es um die Bundeswasserstraßen bestellt ist. Um den Bestand zu erhalten und moderat auszubauen, muss die jährliche Ersatzrate von Wehren und Schleusen verdoppelt bis verdreifacht werden. Auch wenn die WSV den Investitionsumsatz in den letzten drei Jahren um fast 50% gesteigert hat, reicht dies bei weitem nicht aus. Die WSV muss sich daher auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und Maßnahmen, wie z.B. Brückenersatz und Hochbau komplett vergeben.

Wie beurteilen Sie die Kapazitäten der im Wasserbau tätigen Unternehmen und sehen Sie hier Handlungsbedarf? Wenn ja, wo?

Joeris: Hier sehe ich deutlichen Handlungsbedarf, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Es gibt nur noch wenige Baumaßnahmen, bei denen die vereinbarten Termine eingehalten werden. Es scheint so zu sein, dass die Termintreue mit der Größe des Projektes überproportional abnimmt. Dies liegt m.E. wesentlich auch an der Ressourcenausstattung der Auftragnehmer, sowohl auf der Baustelle als auch im Planungsbereich. Die WSV hat – gezwungen durch den haushaltsgesetzlichen Sparkurs Ende der 1990er Jahre und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts – nicht unwesentlich dazu beigetragen. Die rückläufige Auftragslage im Wasserbau dieser Jahre hat zu Umstrukturierungen bei Ingenieurbüros und Baufirmen geführt. Nun, wo die WSV wieder mit Stellen und Haushaltsmitteln deutlich besser ausgestattet ist, hoffe ich auf eine neue Strategie der Firmen. Größere Sorgen bereitet mir der Nachwuchs an Fachkräften bei den Wasserbaufirmen. Beton besteht schon lange nicht mehr nur aus Zement, Gesteinen und Wasser, so wie große Teile der Bevölkerung es immer noch zu glauben scheinen. Für gute Stahlbetonbauwerke brauchen wir gut ausgebildete Betonbauer!