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Der Ausbruch des Coronavirus und die folgende weltweite Pandemie überschattet in der Fusskreuzfahrt das erfolgreiche Jahr 2019 und den Auftakt zur diesjährigen Saison. Dabei waren die Pläne der Anbieter mit einer Reihe von Neubauten durchaus ambitioniert

Zuerst wurde die Internationale Tourmismusbörse ITB in Berlin abgesagt, Mitte März wurden alle Kreuzfahrten rund um Amerika gestrichen, wenige Tage später war der weltweite Tourismus lahmgelegt. Es bleibt die Frage: Wie lange dauert diese für die Kreuzfahrtbranche fundamentale Krise noch an?

Fest steht, dass es eine Wiederholung des überaus erfolgreichen Jahres 2019 nicht geben wird. Auf hoher See wurden dank neuer großer Schiffe auf dem deutschen Markt 18% mehr Fahrgäste gezählt, insgesamt waren es 2,5 Mio. zahlende Gäste. Und auch auf den Flüssen konnten die Veranstalter zufrieden sein. Nur relativ wenige Reisen mussten wegen des Niedrigwassers in einem trockenen Sommer abgesagt werden.

Das Jahr 2019 war ein Rekordjahr: 9% mehr Passagiere, 7% Steigerung bei der Reisedauer und auch höhere Tagesraten. Die Branche, die sich immer größeren und umfangreicheren Kosten gegenübersieht, wollte diesen Trend 2020 fortsetzen. Aber die Corona-Krise pulverisiert diese Erwartungen und setzt die Erwartung zurück auf Null, schreibt die Interessengemeinschaft (IG) RiverCruise.

Der Zuwachs allein im deutschen Markt lag bei 9% auf rund 541.000 Gäste, die den Veranstaltern einen Umsatz von 653 Mio. € bescherten. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 496.000 Passagiere und Erlöse in Höhe von 591 Mio. €. Während die steigenden Passagierzahlen vor allem aus einer weiter wachsenden Flotte (19 Neubauten im vergangenen Jahr) resultieren, sorgten höhere Tageseinnahmen für ein Plus beim Umsatz. Der Anstieg der Ticket­erlöse sei signifikanter ausgefallen als das Wachstum des Passagiervolumens, heißt es bei der IG RiverCruise.

In Europa domieren weiter die Fahrtgebiete Rhein samt Nebenflüssen (37,1%) und die Donau (34,5%). Unter den Kreuzfahrtpassagieren sind es Gäste aus den USA (36,7%) gefolgt von den Deutschen (28,3%) vor Großbritannien/Irland (11,8%) und Australien (7,5%). Frankreich (7,1%) stellt das zweitgrößte europäische Kontingent vor der Schweiz und Österreich (je 1,6%). Auch im weltweiten Vergleich ist der Blick auf die Fahrtgebiete interessant.

In Ägypten ging es 2019 tatsächlich aufwärts. Noch ist längst nicht die gesamte Nilflotte in Fahrt. Doch auf der langen Strecke zwischen Luxor und Kairo werden die selten gewordenen Schiffspassagiere von der Bevölkerung mit Begeisterung begrüßt. Eine neue Krise kommt hier besonders ungelegen. Im Schatten der Ereignisse bleibt fast unbeachtet, dass die Ägypter viel an ihrer wichtigsten Binnenwasserstraße getan haben:

Die alten Schleusen am Nil waren maximal 80m lang und verhinderten dadurch, dass längere Schiffe ungeteilt in die Region Luxor/Assuan fahren konnten. In den vergangenen Jahren wurden neue Doppelschleusen mit zwei Kammern von 156m Länge und 17m Breite eingebaut und damit die Kapazität vervierfacht. Einschränkungen bestehen nur noch durch einige wenige Brücken, die bei den höheren Kreuzfahrtschiffen einen Abbau der Sonnensegel erfordern, durch die Öffnungszeiten der Eisenbahnbrücken und den Wasserstand im Herbst.

In Russland kommt der erste Neubau einer heimischen Werften seit Jahrzehnten in dieser Saison in Fahrt. Die Werft Krasnoe Sormovo hatte schon 2019 die »Mustai Karim« mit 338 Betten an die Reederei Vodohod geliefert.

Auf dem Jangtse in China geht der Flottenausbau weiter, zwar nicht in großen Stückzahlen, aber mit den größten Flussschiffen der Welt. Von Century Cruises wurde bekannt, dass schon im August 2019 die »Century Glory« mit 260 Kabinen in Dienst gestellt wurde. Dieses Jahr wird die »Victoria Sabrina« mit 270 Kabinen in die Flotte von Victoria Cruises eingereiht. Chongqing DaMei Three Gorges Cruises wird 2021 als drittes Schiff die »Chinese Goddes 3« mit maximal 650 Betten und CCOTC die »Jangtze 3« mit 600 Betten in Dienst stellen. Alle vier Schiffe sind über 21m breit und 150m lang, was dem »Jangtsemax« entspricht.

Flottenausbau in Europa

Doch nirgends ist der Zugang an Neubauten so hoch wie in Europa. Wie im Vorjahr sollen auch in diesem Jahr wieder 19 Schiffe frisch von den Werften kommen (siehe Tabelle).

Viking River Cruises bleibt sich selbst treu und bringt nochmals sechs Neubauten von der Neptun Werft in Fahrt (siehe Bericht auf S. 22). Der US-Anbieter baut seine erfolgreiche Reihe der »Longships« weiter aus, die aus bereits mehr als 50 Einheiten besteht.

Neu daran ist, dass vier Neubauten für die französische Seine gegenüber dem ursprünglichen Entwurf um 10m auf 125m Länge verkürzt wurden. Die anderen beiden Cruiser sind für das europäische Fahrtgebiet an Rhein und Donau bestimmt.

AmaWaterways und Avalon Waterways ergänzen ihre Flotten um jeweils einen weiteren Neubau. Auf dem Douro erweitern die amerikanischen Veranstalter ihr Angebot ebenfalls: Uniworld chartert seine »S.S. Sao Gabriel« von Douro Azul ein. Tauck Tours bedient sich für die »Andorinha« des langjährigen Partners Scylla. Schließlich engagiert sich auch der australische Anbieter APT Travelmarvel in Neubauten, der erste kommt für die Marke Travelmarvel in Fahrt.

Mit elf von 19 Schiffen ist die Mehrzahl der neuen Schiffe wieder für die zahlungskräftige und reisehungrige Kundschaft aus Übersee, vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum, gedacht. Zu den auf englischsprachige Passagiere abzielenden Angeboten muss auch die »Geoffrey Chaucer« für Riviera Travel aus England gezählt werden.

Sieben für den deutschen Markt

Mit sieben neuen Schiffen wird der deutschsprachige Markt bedacht: Aus Österreich ist Lüftner Cruises mit der »Amadeus Imperial« und aus der Schweiz Excellence River Cruises mit der »Excellence Empress« dabei. Im Trend liegt, dass deutsche Veranstalter mit vier Neubauten vertreten sind.

Phoenix Reisen aus Bonn bedient sich für die zwei Schiffe »Annika« und »Andrea« der Management-Partner Scylla und Rijfers. Nicko Cruises ging für die »nicko Spirit« zu Select Cruises. Für 1AVista in Köln ist die »Vista­Sky« erst der zweite Neubau, der mit der Ablieferung durch die Werft langjährig eingechartert wird. Überhaupt zum ersten Mal bringt auch Plantours in Bremen einen Neubau in Fahrt. Wegen seines italienischen Hintergrunds hat sich das Unternehmen für den Schiffsnamen »Lady Diletta« entschieden.

Auf der Schiffbauseite zeigt sich einmal mehr eine Konzentration auf nur noch wenige Werften. Klar in einer marktbeherrschenden Position sind die Neptun Werft (sechs Neubauten) und Vahali Ship­yards (acht Schiffe). Während die Rostocker mit Viking River Cruises seit vielen Jahren von dem einen Stammkunden profitieren, beliefern die Niederländer mehrere verschiedene Abnehmer (siehe Tabelle auf S. 18). Bei Vahali herrscht Arbeitsteilung zwischen den Standorten in Sremska Mitrovica (Serbien), wo die Kaskos gebaut werden, und der Stammwerft in Gendt.

Drittgrößter Anbieter ist Den Breejen. Neben dem aktuellen Flottenzugang »Avalon View« für Avalon Waterways und die TM »Polaris« für den australischen Anbieter APT Travelmarvel hatten die Niederländer aus Hardinxveld-Giessendam noch ein Umbau-Projekt im Auftragsbuch. Die ehemalige »River Countess« aus dem Jahr 2003 wurde zur »S.S. La Venezia« für Uniworld. Sie bietet auf 110m Länge Platz für 132 Passagiere und soll auf dem italienischen Po zum Einsatz kommen.

Lüftner Cruises ist dagegen De Hoop aus Lobith treu geblieben. Für den schweizerischen Anbieter kommt mit der »Amadeus Imperial« (135 m, 168 Passagiere) der inzwischen 16. Neubau in Fahrt und wird auf Donau, Rhein und Main sowie auf den holländischen und belgischen Wasserwegen unterwegs sein. 2021 folgt mit der »Amadeus Cara« ein weiteres, baugleiches Schiff aus der »Silver«-Serie.

Echte Innovationen folgen 2021

Wird 2020 technisch gesehen eher ein Routine-Jahr, sind 2021 einige Neuerungen zu erwarten. Ein gutes Dutzend neuer Schiffe ist schon bekannt. Dass in diesen Zeiten weitere dazukommen werden, wird von Tag zu Tag weniger wahrscheinlich. Travelmarvel und Plantours wollten die 2020 begonnenen Neubau-Serien mit je zwei Schiffen weiterführen. Lüftner erwartet die »Amadeus Cara«, AmaWaterways die »Amalucia« und Emerald Waterways die »Emerald Luna«. Viva Cruises, der in Düsseldorf angesiedelte Veranstalter der Scylla AG, hat einen Neubau mit dem vielversprechenden Namen »Viva One« geordert (siehe S.26).

Die Riseday Holding in Bratislava (Slowakei) hat den ersten Neubau in Auftrag gegeben, der als »Albertina« von SE Tours eingesetzt wird. Auch der britische Veranstalter Saga Travel wird vom Charterer zum Eigner mit der neuen »Spirit of the Rhine«. Damit könnten 2021 die Neubauten für europäische Veranstalter die Zahl der Aufträge aus Übersee übertreffen.

A-Rosa setzt neuen Maßstab

Den spektakulärsten Neuzugang aber wird bei A-Rosa aus Rostock in Fahrt bringen. Bei Damen Concordia in den Niederlanden entsteht bis zur kommenden Saison eine gänzlich neue Rhein-Klasse, die breiter (17,70m statt 15m) und höher ( ein Eck zusätzlich) ausfällt als bei allen anderen Schiffe, die bislang unterwegs sind. Mit 170 Kabinen wird das »E-Motion Ship«, das beim An- und Ablegen dank einer Batterielösung emissionslos fahren wird, mit 170 Kabinen die größte Kapazität innerhalb der europäischen Flusskreuzer-Flotte aufweisen.

Insgesamt soll es im kommenden Jahr weitere 13 Neubauten für das europäische Fahrtgebiet geben, so war es zumindestens bislang bekannt. Unter anderem wollten AmaWaterways, APT/Travelmarvel, Emerald Waterways, Lüftner, Plantours und auch Scylla die Flotten weiter ausbauen. Ob an diesen Plänen unter den Auswirkungen der Corona-Krise festgehalten wird, bleibt nun abzuwarten. Vieles könnte davon abhängen, wie die restliche Saison 2020 verläuft.


Arnulf Hader