»Die Quartiersentwicklung wird das Hafenbild verändern«

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Uwe Büscher, Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Hafen AG, spricht im Interview mit der »Binnenschifffahrt« über die Stellung des Standorts, anstehende Projekte sowie über die Sperrung der Schleuse Henrichenburg im Jahr 2021

Welchen Stellenwert hat der Hafen Dortmund für die Stadt und die Region?

Uwe Büscher: Der Dortmunder Hafen ist mit seinen 160 Unternehmen und 5.000 Beschäftigten das wichtigste Industriegebiet der Stadt Dortmund. Ohne die logistische Infrastruktur des Hafens wäre es sicher nicht zur Ansiedlung des nahegelegenen IKEA-Europalagers gekommen. In den vergangenen Wochen wurde zudem deutlich, dass der Hafen mit Pufferflächen und Zwischenlagermöglichkeiten die Lieferfähigkeit der Unternehmen in der Corona-Krise verbessert und wichtige Beiträge zur Daseinsvorsorge geleistet hat. Der Dortmunder Hafen ist leistungsfähige Warendrehscheibe für das östliche Ruhrgebiet und schafft für Regionen wie Ostwestfalen, das Sauer- und Siegerland sowie Nordhessen eine optimale Anbindung an bedeutende Logistikzentren und Hafenstandorte in Deutschland, Belgien und den Niederlanden.

Welches sind die wichtigsten Güter, die in Dortmund umgeschlagen werden?

Büscher: Der Dortmunder Hafen ist ein trimodaler Universalhafen. Zu den wichtigsten Gütern gehören Container, Mineralöle, Baustoffe und Schrott. Container machen rund die Hälfte des Umschlagvolumens aus.

Ist der Ausbau von Hafenbecken und/oder des Güterportfolios geplant? Welche Waren werden künftig für den Hafen Dortmund an Bedeutung gewinnen?

Büscher: Ein Ausbau der zehn Hafenbecken ist nicht geplant, dafür gibt es vielfältige Entwicklungen an der Landseite. Mit einer Quartiersentwicklung, die von öffentlichen und privaten Investitionen getragen wird, sind zahlreiche Bauprojekte verbunden. Diese verändern das Gesicht des Hafens entlang des Schmieding- und Stadthafens. Ein Randbereich des Hafens wird zum Digitalquartier ausgebaut: Ships und Chips treffen aufeinander. Bis zu 5.000 neue Arbeitsplätze könnten den industriellen Kern des Hafens dann ergänzen.

Wie ist das Verhältnis im Modal-Split aktuell? Rechnen Sie in naher Zukunft mit signifikanten Veränderungen der Anteile von Binnenschiff, Bahn und Lkw?

Büscher: Der Güterumschlag per Schiff und Bahn erfolgt etwa zu gleichen Teilen. Die Relation des Güterumschlags per Lkw lässt sich nur schätzen. Angesichts immer neuer Staurekorde auf den Autobahnen des Ruhrgebiets wächst die Unterstützung für Wasserstraße und Schiene. Will die Politik die gesteckten Klimaziele erreichen und zugleich die verstopften Straßen entlasten, würden mir vielfältige Ansatzpunkte einfallen, Schiene und Wasserstraßen in der Region stärker nach vorne zu bringen.

Was sind die wichtigsten Akteure in Ihrem Hafen? Hat es Neuansiedlungen von Firmen in der jüngeren Vergangenheit gegeben, beziehungsweise ist dies geplant?

Büscher: Uns liegen alle 160 Unternehmen im Hafen gleichermaßen am Herzen – für die gemeinsame Infrastruktur besonders wichtig sind die Dortmunder Eisenbahn GmbH, die Container Terminal Dortmund GmbH oder die DE Infrastruktur GmbH. Im Zuge der Quartiersentwicklung werden viele Start-ups aus dem Bereich der Digitalisierung in den Hafen dazustoßen. Dass sich hieraus Synergien mit den bestehenden Logistik- und Industrieunternehmen entwickeln, ist unsere Vision.

Inwiefern bereiten Sie Ihren Standort auf schärfere Umweltbestimmungen vor, sind beispielsweise »grünere« Umschlaggeräte vorgesehen?

Büscher: An den Unternehmen im Hafen geht die Klimadebatte nicht spurlos vorbei. Die Betriebe nehmen das Heft des Handels auch ohne schärfere Umweltbestimmungen selbst in die Hand. So gibt es beispielsweise das Projekt »Cleanport«. Ein Tiefkühllogistiker möchte im Dortmunder Hafen ein Tiefkühllager bauen und dafür die Abwärme der nahe gelegenen Deutschen Gasrußwerke nutzen. Als Dortmunder Hafen AG haben wir kürzlich ein erstes E-Fahrzeug in Betrieb genommen. Außerdem wollen wir künftig Nachhaltigkeitsberichte herausgeben.

Wie bewerten Sie die Stellung des Dortmunder Hafens im Netz der westdeutschen Häfen und des westdeutschen Kanalnetzes?

Büscher: Als größter Kanalhafen Europas sind wir zugleich zentrale Logistikdrehscheibe für das östliche Ruhrgebiet und wichtiger Hinterland-Hub für die ZARA-Seehäfen. Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass unser logistisches Nadelöhr in Form der reparaturanfälligen Schleuse Henrichenburg-Waltrop endlich mit einer zweiten Schleusenkammer ausgestattet wird. Eine größere Planungssicherheit wird Schiffsgütertransporte von nach Dortmund attraktiver machen.

Wie wollen Sie sich künftig mit anderen Häfen besser vernetzen? Wie weit reicht da der geografische Horizont?

Büscher: Über Verbandsarbeit und weitere Mitgliedschaften sind wir über NRW hinaus bereits gut vernetzt – man denke zum Beispiel an die gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Hamburger Hafen.

Die Dortmunder Stadtwerke sind an dem neuen KV-Terminal in Osnabrück beteiligt. Welche Effekte erhoffen Sie sich hierdurch für den Dortmunder Hafen?

Büscher: Möglicherweise ergeben sich zukünftig Optionen, Standorte des KV besser zu vernetzen.

Welche Initiativen gibt es, beziehungsweise könnten für die nahe Zukunft Sinn ergeben?

Büscher: Wir haben eine Partnerschaft mit der Fachhochschule Dortmund geschlossen, mit der wir verschiedene Zukunftsprojekte angehen möchten. Daneben freuen wir uns – Stichwort DeConTrans – dass vor den Toren des Dortmunder Hafens eine Teststrecke für autonome Binnenschiffe entstehen soll. Das passt gut zu unserer bereits angesprochenen Vision der »Ships und Chips«.

Wäre es nicht besser gewesen, angesichts der Corona-Krise die Reparatur der Schleuse Henrichenburg, der einzigen wasserseitigen Zufahrt zum Dortmunder Hafen, doch wie geplant in diesem Jahr durchzuführen? Schließlich soll es ja nach der Pandemie – also hoffentlich spätestens im kommenden Jahr – wieder aufwärts gehen. Fällt die Reparatur dann nicht genau in die Phase des Aufschwungs?

Büscher: Für die erneute sechswöchige Vollsperrung einer reparaturbedürftigen Schleuse, die auf dem Wasserweg von und nach Dortmund nicht umfahren werden kann, ist jeder Zeitpunkt ein schlechter. Vielen Betrieben entstehen Mehrkosten und einmal verlagerte Verkehre müssen anschließend zurückgewonnen werden. Die Schleuse Henrichenburg ist bundesweit zum Symbol eines Investitionsstaus im westdeutschen Kanalnetz geworden. Die Sperrung pandemiebedingt auf den Sommer 2021 zu verschieben, erweist sich hoffentlich als kluge Entscheidung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung.


Interview: Thomas Wägener