Richtlinie Berufsqualifikationen: Fragen um die neuen Regelungen ab 2022

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In den letzten Wochen sind beim BDS mehrfach Fragen eingegangen zu den Veränderungen, die mit der Umsetzung der Richtlinie Berufsqualifikationen auf die Binnenschifffahrt zukommen werden. Der Januar 2022 rückt näher, so dass jeder sich beizeiten darüber informieren sollte, was sich ändern wird. Zum Teil sind offensichtlich bereits Missverständnisse entstanden und in Umlauf geraten, die so nicht stehenbleiben sollen.

Das Wichtigste vorab: Niemand, der eine Qualifikation erworben hat, soll schlechter gestellt werden, als heute. Und man muss auch keine neue Patentprüfung ablegen.

Die Richtlinie regelt die Voraussetzungen der Erteilung und Anerkennung von Berufsqualifikationen in der Binnenschifffahrt. Sie gilt für alle Mitglieder einer Decksmannschaft sowie für Sachkundige für die Fahrgastschifffahrt und Sachkundige für Flüssiggas, die auf den Wasserstraßen der EU, einschließlich des Rheins, arbeiten. Sie alle brauchen künftig ein Unionsbefähigungszeugnis.

Darüber hinaus verlangt die Richtlinie vom Schiffsführer zusätzlich besondere Berechtigungen für

• das Befahren von Binnenwasserstraßenabschnitten mit besonderen Risiken,

• das Befahren von Binnenwasserstraßen mit maritimem Charakter,

• das Führen von Fahrzeugen unter Radar,

• das Führen von Schiffen, die mit Flüssiggas betrieben werden,

• das Fahren in Großverbänden (Produkt aus Gesamtlänge und Gesamtbreite des geschobenen Fahrzeugs 7.000m² oder mehr)

Was wird aus gültigen Qualifikationen?

Patente (A,B und Rheinpatent) sowie die im Schifferdienstbuch eingetragenen Qualifikationen bleiben noch bis 2032 gültig. Das heißt, bis zum Ablauf des Übergangszeitraumes 2032 können diese Qualifikationen auf den Binnenwasserstraßen verwendet werden, für die sie bis zum 17. Januar 2022 (Umsetzungszeitraum) gelten.

Nach Ablauf des Übergangszeitraums muss die entsprechende Qualifikation nicht neu erworben werden. Es muss aber ein Unionsbefähigungszeugnis (rechtzeitig) beantragt werden, das dann anstelle des bisherigen Patents die Qualifikation nachweist. Das gleiche gilt für die Eintragungen im Schifferdienstbuch als Matrose, Bootsmann und Steuermann.

Das beantragte neue Zeugnis muss den Anforderungen des alten ähneln oder darunter liegen. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten zuvor erworbene Berechtigungen soweit wie möglich schützen, wozu auch die oben genannten besonderen Berechtigungen gehören. Wenn das Patent also zum Beispiel die Berechtigung zum Befahren von Wasserstraßen mit maritimem Charakter sowie von Strecken mit besonderen Risiken (Streckenpatent) umfasste, dann werden anstelle dessen ein Unionsbefähigungszeugnis und die entsprechenden besonderen Befähigungen ausgestellt, deren Voraussetzungen erfüllt sind.

Eine Sonderregelung gibt es bei Fähren, hier gilt die Übergangsfrist für die Befähigungszeugnisse bis Januar 2042. Allerdings hat der heutige Fährführerschein keine genaue Entsprechung in der Richtlinie, so dass geklärt werden muss, wie sicherzustellen ist, dass der Inhaber auch nach 2042 weiter als Fährführer tätig sein kann.

Erwerb des Unionsschiffsführerpatents

Anders, als bisher in Deutschland üblich, kann das Patent nach dem 17. Januar 2022 nicht mehr nur mit einer theoretischen Prüfung erworben werden, sondern es muss zusätzlich eine praktische Prüfung auf einem Schiff oder an einem Simulator abgelegt werden. In der Regel wird es der Simulator sein.

Die praktische Prüfung wird aus zwei Teilen bestehen – der Reiseplanung und der Reisedurchführung. Der Teil Reiseplanung enthält 40 Elemente, die ihrer Bedeutung entsprechend in zwei Kategorien unterteilt sind. Aus jeder Kategorie werden zehn Elemente ausgewählt und abgeprüft. Der Teil Reisedurchführung enthält zwölf Elemente, die alle abzuprüfen sind.

Ab Januar 2022 wird eine Patentprüfung ohne praktische Prüfung nicht mehr möglich sein. Da die Prüfung insgesamt einiges an Anforderungen aufweist, sollte man sich bei Bedarf rechtzeitig um eine Vorbereitung kümmern.

Eine wichtige Änderung ist beim Matrosen erfolgt. Ein Erwerb dieser Qualifikation ausschließlich über Fahrzeit ist ab 2022 nicht mehr möglich. Das heißt, dass derjenige, der jetzt Fahrzeit für die Qualifikation Matrose sammelt, diese bis Ende 2021 abgeleistet und eingetragen haben muss, um noch die Qualifikation Matrose ohne Prüfung erwerben zu können. Wer keine Prüfung ablegt, bleibt Decksmann.

Die Anforderungen an die praktische Prüfung sind zur Zeit noch in Arbeit. Die Kompetenzen, über die ein Matrose verfügen muss, sind aber aus den Befähigungsstandards für die Betriebsebene ersichtlich. Die Qualifikationen Bootsmann und Steuermann können – nach der Matrosenprüfung – auch weiterhin über Fahrzeit erworben werden.

Berufsausbildung Binnenschiffer

Die Ausbildung zum Binnenschiffer/Binnenschifferin wird zunächst weitergeführt, soll aber den neuen Anforderungen angepasst werden. In der Juli-Ausgabe dieses Magazins haben wir an gleicher Stelle über die Vorschläge zur Neuordnung der Berufsausbildung berichtet. Dieses Verfahren steht aber erst ganz am Anfang.

Die Richtlinie Berufsqualifikationen (EU) 2017/2397 vom 12. Dezember 2017 findet man bei EUR-Lex. Die Standards für die praktische Prüfung zum Schiffsführer, sämtliche Befähigungsstandards und weitere Standards wie zum Beispiel für die medizinische Tauglichkeit sind in der delegierten Richtlinie (EU) 2020/12 vom 02. August 2019 aufgeführt, ebenfalls bei EUR-Lex.

Alle bereits durch CESNI beschlossenen Standards (auch die, die noch nicht in einer delegierten Richtlinie stehen) findet man unter www.cesni.eu unter ES QIN 2019. Auf der Webseite der GDWS gibt es einen Flyer zur Richtlinie.