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Weil in der Hamburger Speicherstadt die Fleetsohle angehoben wird, verringert sich die Durchfahrtshöhe der Brücken. Daher müssen auch die Barkassen angepasst werden. Das erste Schiff wird nun umgebaut

Die Hamburger Speicherstadt gilt als der größte zusammenhängende Speicherkomplex der Welt. Hier lagern unter anderem Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze sowie Teppiche. Das macht die denkmalgeschützten Gebäude zu beliebten Sehenswürdigkeiten – auch von der Wasserseite aus. Deshalb bieten mehrere Reedereien im Hamburger Hafen mit ihren Barkassen Rundfahrten an, die auch durch die Speicherstadt führen.

In den kommenden Jahren werden dort und entlang des Zollkanals die Kaimauern umfangreich saniert und im Zuge dessen die Fleetsohle um etwa 1m angehoben. Nach intensiven Vorplanungen der 2016 eigens dafür eingerichteten Projektgruppe unter Federführung des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), der zur Finanzbehörde der Stadt gehört, könnten die Arbeiten in den kommenden Jahren nun systematisch und nachhaltig durchgeführt werden, heißt es.

In der zum Unesco-Welterbe gehörenden Speicherstadt sollen die zum Teil über 100 Jahre alten Kaimauern auf einer Länge von insgesamt rund 2.600m sanierungsbedürftig sein, im Bereich des Zollkanals seien es noch einmal 1.650m.

Im Zusammenhang mit der Sanierung der Kaimauern werden in den kommenden Jahren auch nach und nach die charakteristischen Barkassen modernisiert, die ansonsten nicht mehr bei Hochwasser dort verkehren könnten, da sie bei hohen Wasserständen nicht mehr unter den Brücken hindurchfahren könnten.

»Dadurch wäre unsere Geschäftsgrundlage deutlich eingeschränkt«, sagt Michael Glitscher, Geschäftsführer von Harald Glitscher Elbe und Hafentouristik, einem der Anbieter von Rundfahrten durch die Speicherstadt und den Hamburger Hafen.

Im Kern geht es darum, die Höhe der Schiffe zu reduzieren. Das geschieht primär durch einen Umbau der Steuerhäuser. Die Feltz Werft, die Schiffswerft von Cölln und Hydraulik-Service Rask haben ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet.

Ein erstes Pilotprojekt ist mit dem Umbau der Barkasse »Heike« (Baujahr 1929) jetzt gestartet worden. Seit Mitte 2019 wird das Glitscher-Schiff für etwa 500.000€ auf der Schiffswerft von Cölln modernisiert, verlängert und verbreitert. Nach Abschluss der Arbeiten kann die dann 20m lange »Heike« statt der bisherigen 78 bis zu 120 Fahrgäste aufnehmen.

Im Zuge der Umbaumaßnahmen erhält das Fahrgastschiff ein absenkbares Steuerhaus. »Vorne und hinten fahren die Fenster beim Absenken in Taschen, darin verschwinden sie unsichtbar. An den Seiten schieben sich die Fenster nach außen«, beschreibt Glitscher. So könne das Steuerhaus beim Einfahren in die Speicherstadt per Knopfdruck hydraulisch abgesenkt werden und der Schiffsführer durch eine Metalluke im Dach trotzdem den Überblick behalten. Durch diese Technologie kann die Höhe der Barkasse um etwa 1m reduziert werden, also genau um den Meter, um den die Fleetsohle im Zuge der Kaisanierungen in der Speicherstadt angehoben wird.

Zuschuss für Umbaumaßnahmen

Um die Auswirkungen auf die für Hamburg charakteristische Barkassenschifffahrt so gering wie möglich zu halten, wurde im vergangenen Jahr ein vom LIG finanziertes Förderprogramm aufgelegt, mit dem Umbaumaßnahmen der Barkassen in Höhe von bis zu 60.000€ pro Schiff finanziell unterstützt werden.

Rund 40 Einheiten wurden als potenziell umbaufähig ermittelt. Manche Schiffe lassen sich aufgrund des Aufbaus nicht umbauen, andere haben bereits eine sehr niedrige Aufbauhöhe und sind von der Fleetsohlanhebung daher nicht betroffen. Die Prüfung der Machbarkeit und die Entscheidung für einen Umbau obliegen den jeweiligen Eignern. Die Möglichkeiten seien für jedes Schiff individuell zu prüfen, so die Finanzbehörde. Für traditionelle Barkassen mit einem entsprechenden Ruderhaus erscheint die Absenkung ihrer Ansicht nach aber generell sinnvoll, jedoch müsse die Machbarkeit auch hier geprüft werden, da gegebenenfalls Einbauten den lichten Raum für die notwendigen Schächte und die Hydraulik behindern könnten. Weiterhin seien auch andere abklappbare Aufbauten denkbar (Antennen, Masten, etc.).

Die Baumaßnahmen in der Speicherstadt sollen voraussichtlich bis Ende 2024 und am Zollkanal bis Ende 2027 abgeschlossen sein. Die Gesamtkosten belaufen sich nach Auskunft der Finanzbehörde auf rund 220Mio.€.

Michael Glitscher wäre froh, wenn er seine Barkasse »Heike« noch in diesem Jahr in Empfang nehmen könnte. Wann er die nächsten Einheiten umbauen lassen will, vermag er noch nicht abzuschätzen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Kapazitätseinschränkungen der Schiffe hätten das Geschäft in jedem Fall beeinflusst. Diesen »Rucksack« hätten aber alle Rundfahrtanbieter zu tragen.
Thomas Wägener