Print Friendly, PDF & Email

Im Sommer kommenden Jahres tritt die neue Verordnung CLNI 2012 in Kraft. Neben einer Ausweitung des Geltungsbereichs steigen die Haftungssummen. Im Interview spricht Stefan Franke, Mitglied der Geschäftsleitung der Allianz Esa, über die Folgen

für die Versicherer und ihre Kunden

Das neue CLNI tritt im kommenden Jahr in Kraft, die Haftungssummen im Schadenfall steigen erheblich an. Ist dies aus Sicht eines Versicherers sinnvoll?

Stefan Franke: Mit den CLNI wurde und wird eine Rechtsvereinheitlichung in Ländern mit gewerblicher Schifffahrt erreicht. Das halte ich auf jeden Fall für sinnvoll, es ist gut für alle Beteiligten. Und wir als Allianz Esa sind ja ohnehin bereits in ganz Europa aktiv.

Wie bereitet man sich darauf vor?

Franke: Die Allianz Esa hat alle nötigen Vorkehrungen getroffen. Sowohl im Bereich der Kasko- als auch bei der Haftpflichtversicherung stellen wir die nun geforderten höheren Deckungsbeiträge zur Verfügung.

Wie darf man sich das denn konkret vorstellen?

Franke: Nehmen wir als Beispiel die Schiffshaftpflichtversicherung. Gemäß CLNI 2012 gelten höhere Haftungssummen, die mit Wirkung zum 1. Juli 2019 auch in deutsches Recht übernommen werden. Die Haftungssummen werden sich bei Sachschäden, also nach Kollisionen oder Anfahrungen, verdoppeln. In der Passagierschifffahrt gibt es dann eine wesentliche höhere Haftung für Personenschäden. Bislang ist sie, je nach Umrechnungsfaktor, auf etwa 15 Mio. € limitiert. Dieses Limit fällt weg. Bei einem Schiff mit einer Kapazität für 500 Passagiere entsteht künftig eine mögliche Haftungssumme von 60 Mio. € alleine für mögliche Passagierschäden. Als Allianz Esa haben wir Vorsorge getroffen, dass wir im Bedarfsfall und wenn der Kunde es wünscht, Deckungssummen von bis zu 100 Mio. € bieten können.

Das heißt im Klartext: Jeder Schaden wird künftig teurer?

Franke: Dies ist so nicht ganz zutreffend, aber wenn die Schadenhöhe entsprechend ist, werden auch deutlich höhere Entschädigungen geleistet werden müssen.

Was bedeutet dies alles für den Versicherungsnehmer? Steigen nun auch die Prämien?

Franke: Wir werden aktiv unsere Kunden informieren. Wir werden uns ansehen, welche Haftungssummen derzeit vereinbart sind und ob diese auch künftig noch ausreichen. Da, wo sie nicht ausreichend sind, werden wir unseren Kunden einen Vorschlag unterbreiten, um den Vertrag entsprechend anzupassen. Und dafür sind auch individuelle Prämienaufschläge erforderlich.

Müssen die Kunden selbst auch aktiv werden?

Franke: Wir gehen zunächst auf unsere Kunden zu. Aber auch jeder andere Binnenschiffer, ob Partikulier oder Reeder, sollte sicherstellen, dass der Versicherungsschutz ausreichend ist. Wir stehen daher jederzeit gern auch für Gespräche mit Kunden zur Verfügung, die wir bislang noch nicht versichern.

Höhere Haftungssummen sind erst einmal gut für die Geschädigten, wenn es zu einem Schaden kommt. Ist es aber nicht umso wichtiger, Havarien oder sonstige Unfälle zu vermeiden, also eine wirksame Prävention zu betreiben?

Franke: Absolut, das war und bleibt ein ganz wichtiges Anliegen für die Allianz Esa. Denn der wichtigste Faktor dafür, dass Prämien nachhaltig reduziert werden können, ist es doch, dass die Zahl und die Höhe der Schäden nachhaltig sinken. Sonst können dauerhaft günstige Prämien nicht geboten werden, das geht einfach nicht. Prävention ist absolut notwendig. Wir haben leider immer noch zu viele Situationen, in denen es durch Kollisionen, Steuerhausabfahrungen etc. zu Schäden kommt, die vermeidbar wären, wenn alle Beteiligten die entsprechende Aufmerksamkeit an den Tag legen würden.

Noch immer verursacht »menschliches Versagen« die meisten Schadenfälle. Aus Sicht des Versicherers: Ist das eine Frage der Ausbildung und Qualifikation und/oder könnten technische Hilfsmittel wie Brückenkollisions-Warnsysteme Abhilfe schaffen?

Franke: Grundsätzlich sind eine ausreichende und gute Ausbildung und Qualifikation der Schiffsführer gepaart mit ihrer Erfahrung entscheidend dafür, die Sicherheit zu gewährleisten. Technische Lösungen können den Schiffsführer unterstützen und zusätzlich auf Gefahrensituationen hinweisen, wenn zum Beispiel die Durchfahrtshöhe einer Brücke nicht ausreicht. Der Einsatz solcher Hilfsmittel ist aus unserer Sicht absolut sinnvoll und sollte verstärkt werden.

Kann oder will ein Versicherer denn darauf Einfluss nehmen oder unterstützen, zum Beispiel über Prämienrabatte?

Franke: Grundsätzlich unterstützen wir nach Möglichkeit unsere Kunden, wenn sie präventiv aktiv werden. Das ist in beidseitigem Interesse. Aber das hat natürlich kaufmännische Grenzen.

Der Versicherungsmarkt bleibt umkämpft, auch im Zuge solcher regulatorischen Veränderungen. Wie will sich die Allianz Esa denn in diesem Umfeld gegenüber den Wettbewerbern behaupten und abgrenzen?

Franke: Wir sind überzeugt davon, dass Qualität der entscheidende Faktor für einen dauerhaften Erfolg ist. Als der führende Versicherer für die gewerbliche Binnenschifffahrt bieten wir die bestmögliche Beratung und Betreuung unserer Kunden. Neben der sehr professionellen Begleitung im Schadenfall gewährleisten wir auch ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, nicht zuletzt gestützt auf die Finanzkraft des Allianz-Konzerns. Zudem haben wir spezielle, auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Versicherungskonzepte.

Zum Beispiel?

Franke: Wir bieten in einem Vertrag eine Kasko-, Maschinen-, Elektronik- und Ausfallversicherung. Das ist für den Kunden sehr komfortabel. Diese kann ergänzt werden durch Bausteine wie Be- und Entladeschäden, eine Mindestentschädigung bis zu 50% vom Neuwert beim Maschinentotalschaden oder eine Höherversicherung im Totalschadenfall des gesamten Schiffes. Damit hat der Partikulier und Reeder eine sehr große finanzielle Sicherheit.

Wird dies vom Markt honoriert?

Franke: Die Allianz Esa ist im vergangenen Jahr 20 Jahre alt geworden. Seit ihrer Gründung ist sie stetig gewachsen. Das zeigt, dass die Kunden mit unserer Leistung zufrieden sind.

Welche Trends werden aus Sicht eines Versicherers die Binnenschifffahrt in den kommenden Jahren prägen?

Franke: Auch in der Binnenschifffahrt wird die Digitalisierung vermehrt Einzug halten. Datensicherheit spielt hierbei eine eminent wichtige Rolle. Eine zentrale Bedeutung wird dem Schutz vor Cyber-Attacken zukommen, wie wir sie in der Seeschifffahrt leider schon sehen. Die Reeder und Partikuliere werden sich diesem Thema zuwenden müssen, aber auch die Versicherer müssen für die Absicherung der finanziellen Folgen einer Cyber-Attacke Lösungen finden. Eine große Herausforderung wird auch die Umsetzung der NRMM sein. Momentan ist noch nicht zu erkennen, dass Motoren verfügbar sein werden, die die neue Grenzwerte erfüllen. Ich hoffe, dass die Politik die Binnenschifffahrt hier nicht im Stich lässt und zum Beispiel durch finanzielle Maßnahmen die Verfügbarkeit der geforderten Motoren sicherstellt.


Interview: Krischan Förster