Im HANSA-Interview sprechen und von der Jungen HTG (Hafentechnische Gesellschaft) über die Qualität der Ausbildung im Bauingenieurwesen, Perspektiven im Wasserbau und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung
Wie bewerten Sie die Qualität der deutschen Ausbildung, auch im internationalen Vergleich?
Frederik Treuel: Die deutsche Ingenieurausbildung ist sehr gut, die Arbeitgeber im Wasserbau geben uns in Bezug auf die Qualifizierung der Nachwuchskräfte ausnahmslos positives Feedback. International hat der deutsche Ingenieur sowohl im Wasserbau als auch in der Hafenplanung ebenfalls einen sehr guten Ruf.
Stefanie Kolbaum: Die deutschen Ingenieure zeichnen sich durch ein hohes Maß an selbstständigem Denken und Entwickeln aus. In anderen Ländern hat die Ausbildung eher einen stärkeren schulischen Charakter.
Werden in der Ausbildung die richtigen Schwerpunkte gesetzt?
Treuel: Im Bauingenieurwesen sind die Studierenden verhältnismäßig frei in der Wahl ihrer Schwerpunkte. Die Grundausbildung ist für alle nahezu identisch, im Masterstudiengang können sie dann ihre Spezialbereiche wählen, etwa ob sie im konstruktiven Ingenieurbau eher zu Geotechnik und Wasserbau tendieren oder in Richtung Stahlbau und Massivbau.
Kolbaum: Es sind gerade diese Auswahlmöglichkeiten, die die Attraktivität ausmachen, denn dadurch können die Studierenden selbst entscheiden, was ihnen gefällt und wo ihre Interessengebiete liegen. Damit bietet ihnen die Ausbildung schon die Flexibilität und ein breites Spektrum, die auch im späteren Beruf den Reiz ausmachen.
Wird im Studium eine Auslandserfahrung erwartet bzw. ist so etwas vorgeschrieben?
Treuel: Vorgeschrieben ist es nicht, aber es wird von den Universitäten proaktiv gefördert. Fast jeder Studierende nimmt diese Möglichkeit wahr. Vor allem, um den Horizont zu erweitern und nicht nur, weil es auch der spätere Arbeitgeber durchaus erwartet.
Kolbaum: Es sind vor allem der interkulturelle Aspekt und die persönliche selbständige Entwicklung, die immer weiter in den Vordergrund rücken. Es ist dabei weniger relevant, welche Kurse belegt werden, als vielmehr die Kontakte, die dort geknüpft werden als auch die Lernmethoden anderer Länder.
Müsste die Ausbildung praxisorientierter sein?
Treuel: Im Wasserbau ist die Ausbildung bereits sehr praxisbezogen. Im Studium werden viele Exkursionen angeboten und auch die HTG bietet Projektvorstellungen sowie Baustellenbesuche an. Es ist wichtig zu sehen, wie die Baugeräte in der Praxis angewendet werden und wie die Abläufe auf einer Baustelle sind. In fast allen Studiengängen ist deshalb ein Grundpraktikum von mindestens drei Monaten vorgeschrieben.
Kolbaum: Die HTG tritt frühzeitig an die Studierenden heran, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Kontakte zu Unternehmen zu knüpfen, mit ihnen in Diskurs zu treten sowie ihre Techniken und Arbeitsweisen kennenzulernen. Dadurch kann sich die Option bieten, z.B. eine Masterarbeit bei ihnen zu schreiben, was ein Einstieg in den Beruf sein kann.
Inwiefern sehen Sie Potenzial, die Ausbildung zu verbessern?
Treuel: Uns wird häufig mitgeteilt, dass die jüngere Generation oftmals nicht mehr gewillt ist, Führungspositionen zu übernehmen. Das hat auch mit komplexeren Strukturen zu tun, die immer mehr nichttechnische Aufgaben beinhalten. Deshalb sollten bereits im Studium Kurse wie Kommunikation und Konfliktmanagement sowie Leadership und Teambuilding angeboten bzw. gezielt gefördert werden, um die Hemmschwelle zu senken. Genauso wichtig ist es, im Berufsleben die Ausbildung der Führungskräfte weiterzuführen.
Kolbaum: Entscheidend ist die Kommunikation. Führungskräfte müssen zudem die Potenziale ihrer Mitarbeiter erkennen, und auf diese Weise ein Team zusammenstellen, um bei einem Projekt eine möglichst hohe Produktivität zu erzielen. Hier geht es nicht nur um fachliche Qualifikationen, sondern auch um Persönlichkeiten und um eine geschickte Kombination verschiedener Fähigkeiten. Die heutige Generation hat gewisse Vorstellungen vom Leben und eben nicht nur vom Arbeiten. Auch in der Ausbildung sollte das Bewusstsein vermittelt werden, dass ein Ingenieur eine gewisse Verantwortung trägt.
Treuel: Darüber hinaus sollte die zunehmende Digitalisierung und die damit verknüpften Arbeitsmethoden aus IT und Produktentwicklung frühzeitig in die Ingenieurausbildung integriert werden. Neben dem »Building Information Modeling« sollten dem Bauingenieur auch agile Methoden wie »Scrum« und »Rapid Prototyping« helfen, seine interdisziplinären Aufgaben im Projektmanagement zu erfüllen.
Wie hoch sind die Chancen, nach der Ausbildung in der maritimen Branche Fuß zu fassen?
Kolbaum: Im ingenieurtechnischen Wasserbau sind sie zurzeit gigantisch. Es konkurrieren Arbeitgeber mit einer Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes mit Arbeitgebern der freien Wirtschaft. Gerade in Zeiten der Personalknappheit stellen insbesondere die öffentlichen Arbeitgeber fest, dass sie den Arbeitskräften weitere Attraktivitäten bieten müssen, etwa flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice, gleichwohl wird dies von vielen Unternehmen der freien Wirtschaft ebenfalls bereits angeboten.
Treuel: Es ist aber wichtig, die Kräfte als Gesamtbranche zu bündeln und die Attraktivität zu fördern, um sich nicht gegenseitig die Leute wegzunehmen.
Welche Maßnahmen trifft die Junge HTG um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Treuel: Wir bieten verschiedene Plattformen wie den »Junge HTG Workshop« an, der in diesem Jahr am 29. November in Hannover stattfindet (siehe S. 77). Dort informieren wir Studierende und Absolventen über den Wasserbau und dessen Attraktivität und die damit verknüpften Berufsbilder. Ziel ist es, möglichst viele Bauingenieurstudenten für den Wasser- und Hafenbau zu begeistern. Das ist ein Gewinn für die gesamte Branche; die Universitäten erhalten neue Wissenschaftler, Ingenieurbüros und Baukonzerne ebenso wie die öffentliche Hand in der Verwaltung neue Mitarbeiter.
Kolbaum: Auf solchen Workshops haben Studierende die Möglichkeit, potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen, sich über deren Tätigkeitsfelder zu informieren und darauf im Studium ihre Schwerpunkte anzupassen. Im Umkehrschluss lernen Unternehmen auch die Absolventen kennen. Wir bieten ein großes Netzwerk, denn man findet hier Perspektiven und Kontakte für das gesamte Berufsleben. Darüber hinaus organisieren wir Veranstaltungen mit Diskussionsrunden und Fachvorträgen und sind diesbezüglich auch auf dem HTG Kongress aktiv.
Interview: Thomas Wägener