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Selten hat ein Kürzel die Binnenschifffahrt so sehr beschäftigt wie NRMM. Auf dem diesjährigen Forum Binnenschifffahrt stand die neue EU-Verordnung zur Senkung der Emissionen als Synonym für Verunsicherung, Ratlosigkeit und Unverständnis

Seit Monaten bestimmt die Regelung für Non-Road-Mobile-Machinery (NRMM) der Europäischen Union die Diskussionen in der Branche. Die in punkto Klimaschutz sicher gut gemeinte Inititative hat bislang katastrophale Folgen für die Binnenschifffahrt. Denn momentan stehen keine neuen Motoren (weniger als 300 kW) zur Verfügung, die ab dem kommenden Jahr die Vorgaben erfüllen, zum Teil sind nicht einmal ZKR II-Motoren lieferbar, die noch in diesem Jahr eingebaut werden könnten. Das gefährde Existenzen bei Schiffseignern ebenso wie bei den Werften, so der Tenor.

Keine Motoren lieferbar

Ein Problem: Bei 300 Motoren, die jährlich bei fünf bis zehn Herstellern in Europa nachgefragt werden, sei eigentlich keine wirtschaftliche Basis für die teure Neuentwicklung einschließlich aufwändiger Testreihen gegeben, sagte Olaf Robenek von Volvo Penta. Auch die Verpflichtung, Motoren und Abgasnachbehandlungsanlagen aus einer Hand anbieten zu müssen, sei eines der Hindernisse. Folge: Derzeit könne auch Volvo keinen Motor der Euro anbieten.

NRE- oder Lkw-Motoren?

Allerdings, so Robenek, gebe es Überlegungen, sogenannte NRE-Motoren zu verwenden, wie sie beispielsweise in Gabelstaplern oder Rübenrodern eingesetzt werden. Diese seien in ausreichender Zahl und preiswert am Markt zu haben, die Grenzwerte der Emissionen seien zudem niedriger. Wenn aber derartige Motoren marinisiert würden, unter anderem mit doppelwandigen Einspritzleitungen und gegebenenfalls Ladeluftkühlern, sei die Typengenehmigung hinfällig.

Der ebenfalls denkbare Einsatz von Lkw-Motoren nach Euro IV berge ähnliche Risiken. Diese seien auf ein anderes Lastprofil ausgelegt, liefen oft mit 1.100 U/min auf 20% Last. Beim Einsatz in einem Binnenschiff ergebe sich unterm Strich ein höherer Kraftstoffverbrauch.

Für Motoren in der Leistungsklasse unter 300 kW habe man »etwas im Köcher«, so Robenek. Darüber hinaus aber gebe es derzeit keine Ansätze für eine Volvo-eigene Lösung. »Die Verordnung geht insgesamt weit übers Ziel hinaus.«

Ähnlich die Situation bei MTU. Erste Motoren stünden frühestens 2021 zur Verfügung, berichtete Sebastian Schwarz, Teamleiter beim Motorenhersteller aus Friedrichshafen. Als Alternative zu Dieselmotoren schlug Schwarz die Verwendung von NRMM-konformen Gasmotoren vor. Schwarz kritisierte den Zertifizierungsaufwand für die neuen Motoren. Insgesamt widerspreche die Verordnung der EU dem Bestreben nach einer weltweiten Harmonisierung im Bereich der Emissionsminderung.

GTL als alternativer Kraftstoff

Klaus Schlame, Projektleiter für den synthetischen Diesel-Kraftstoff GTL bei Shell, berichtet von überwiegend sehr positiven Erfahrungen. Allerdings habe man festgestellt, dass bei sehr alten Dichtungen nach der Umstellung von Diesel auf GTL Undichtigkeiten aufgetreten waren. Wenn GTL zudem in Heizungssystemen an Bord eingesetzt würde, könne es Probleme mit dem Flammenwächter geben. Als Lösung schlug Schlame vor, temperaturbasierte Flammenwächter zu installieren. Die erkannten Schwierigkeiten seien aber allenfalls Startprobleme.

Bezogen auf die EU-Verordnung gab der Shell-Experte eine klare Aussage: Mit der Kombination eines ZKR-II-Motors und GTL könnten die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Dafür seien die Sprünge in den Grenzwerten zu groß.

Bei Shell prüfe man derzeit die Kombination von GTL mit anderen Technologien wie beispielsweise einer Wassereinspritzung. In Zusammenarbeit mit der Firma GO-Diesel versuche man, Stickoxide zu reduzieren. Rußpartikel würden durch GTL minimiert. Ein an der Fachhochschule Saarland laufendes Projekt werde bald erste Ergebnisse liefern.

Trotz dem etwas höheren Preis, Schlame sprach von rund 5 Cent pro Liter, nehme die Akzeptanz von GTL langsam zu, die Verfügbarkeit sei inzwischen deutlich besser. Mit dem im Mai in Magdeburg eingerichteten Depot wendet man sich auch an den Markt im Großraum Berlin, wo es interessante Einsatzgebiete gebe. Die Nachfrage stamme bisher vor allem aus der Personenschifffahrt. Um die Verbreitung weiter zu steigern, brauche es von den Motorenherstellern schnellere Freigaben für GTL. An die Schiffsbetreiber appellierte Schlame, die bisherige Zurückhaltung abzulegen. Zudem dürften die bürokratischen Hürden nicht zu hoch gelegt werden.

Mit NRMM werde sich auch die bundesdeutsche Förderlandschaft ändern. Das war eine der Kernaussagen von Thomas Wunderlich vom Dezernat für Wirtschaftsangelegenheiten der Binnenschifffahrt bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS).

Motorenförderung neu gefasst

Das bisherige Motorenförderungsprogramm, mit dem seit 2007 emissionsärmere und verbrauchsgünstigere Motoren mit insgesamt 16Mio. € gefördert werden konnten, lasse sich mit den aktuell geltenden Kriterien zukünftig nicht mehr anwenden. Zunächst soll das Förderprogramm um ein Jahr verlängert werden, um danach wesentlich breiter gefasst zu werden. Details dazu konnte Wunderlich in Kalkar noch nicht nennen, es lägen allerdings Vorschläge einer interdisziplinären Arbeitsgruppe auf dem Tisch, die im Kern zahlreiche neue Fördertatbestände und höhere Pauschalbeträge vorsähen. Auch soll es den Informationen zufolge künftig ein elektronisches Antragsverfahren geben.

Wo geht die Reise hin?

Künftige Antriebssysteme werden vor allem durch Hybrid-Lösungen bestimmt, sagte Joachim Zöllner, Mitglied des Vorstands im DST Entwicklungszentrum Duisburg, voraus. Überschüssige Energie könne in Akkus gespeichert und dann beispielsweise in der Talfahrt abgerufen werden. Auch könne er sich einen vermehrten Einsatz von Solarenergie vorstellen. So lasse sich auf einer Decksfläche von 1.000m² eine Leistung von 200 kW generieren. Für die Talfahrt beispielsweise auf dem Rhein seien 100 kW erforderlich. Insofern könne man dann bestimmte Strecken emissionsfrei fahren.

Die Lux-Werft hat bereits eine Reihe von innovativen Schiffskonzepten unter Verwendung modernster Technologien abgeliefert. Ihre beiden Geschäftsführer, Elmar Miebach-Oedekoven und Rainer Miebach, nahmen dafür auf dem Forum den diesjährigen »Innovationspreis Binnenschifffahrt«, gestiftet von der Allianz Esa EuroShip, entgegen. Das umgebaute Fahrgastsschiff »Innogy« verwendet als erstes Schiff Brennstoffzellen mit Methanol. Derzeit seien die Kosten einfach noch zu hoch, um dieses Konzept zu vervielfachen. Eher seien Hybridlösungen praxistauglich.

Ein Kostenproblem bestehe auch bei einem reinen Elektroantrieb wegen der teuren Akkus. Insgesamt komme man aber nicht umhin, sich mit den unterschiedlichen Technologien zu befassen, um in 10-20 Jahren zu umweltfreundlichen und effizienten Lösungen zu kommen. Miebach bestätigte, dass die verstärkte Nachfrage nach emissionsarmen Antrieben aus der Fahrgastschifffahrt komme.


Hermann Garrelmann