Die Straßen und zunehmend auch die Schiene stoßen langsam an die Belastungsgrenzen. Anders ist dies bei der Wasserstraße, die noch ausreichend Güter aufnehmen könnte
Welche Anforderungen Verlader und Logistikdienstleister an ein funktionierendes Transportsystem stellen, war Hauptthema beim 2. Bayerischen Verladertag Binnenschifffahrt in Schweinfurt, zu dem der Deutsche Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein Rhein-Main-Donau (DWSV) in Kooperation mit der IHK Würzburg-Schweinfurt geladen hatte. Darüber hinaus wurden auch Perspektiven und Grenzen beim Gütertransport auf der Wasserstraße erörtert, insbesondere für den Main, den Main-Donau-Kanal und die Donau.
Das Bundesamt für Güterverkehr verzeichnete für 2017 ein Plus von 2,2% bei der Beförderungsleistung (55,5Mrd. tkm) und bei der transportierten Gütermenge ein Plus von 0,6% (222,7Mio.t). »Der positive Zuwachs bei der transportierten Gütermenge zeigt, dass die Wasserstraße trotz Niedrigwasser eine gern genommen Alternative ist«, sagte Michael Fraas, Vorsitzender des DWSV. Leider sei der Leidensdruck trotz verstopfter Straßen für die verladende Industrie noch nicht groß genug, denn der Lkw bleibe weiterhin der attraktivste Verkehrsträger, fuhr er fort.
Jürgen Bode (stv. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt und DWSV-Beirat) unterstrich die kontinuierlich steigende Bedeutung der Transportbranche in der globalisierten, arbeitsteiligen Wirtschaft bei stetig wachsendem Verkehrsaufkommen. »Trotz fortschreitender Neubauten sind große Teile unserer Verkehrsinfrastrukturen an ihrer Belastungsgrenze angelangt und die Instandhaltung stellt eine zunehmende Herausforderung dar«, sagte Bode. Die Wasserstraße indes sei der einzige Verkehrsträger, der noch nennenswerte freie Transportkapazitäten aufweise. Doch obwohl das Binnenschiff als effizientestes Transportmittel gelte, stagniere dessen Anteil am Modal Split der Gütertransporte seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. »Deshalb ist der DWSV ein wichtiger Akteur und wir sind überzeugtes Mitglied.« Gemeinsam mit den Schwesterkammern bemühe man sich in vielfältiger Weise, den Verkehrsträger Wasserstraße zu stärken. Sichtbar werde dies auch im aktuellen 12-Punkteprogramm Verkehr, das im Juli 2018 gemeinsam mit den anderen fränkischen Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern veröffentlicht wurde, so Bode.
Als ein gelungenes Beispiel für einen Schwertransport über die Wasserstraßen nannte Fraas den Transformatoren-Transport von Siemens. Das Siemens-Trafowerk könne die großen Hochleistungs-Transformatoren nur deswegen in Nürnberg produzieren, weil sie von hier sicher und zuverlässig auf der Wasserstraße abtransportiert werden könnten. Der Transport zeige, wie wichtig das hochmoderne trimodale Güterverkehrszentrum bayernhafen Nürnberg für die Stadt als Industriestandort sei. Nürnberg habe erstklassige Bedingungen für Schwergut-Lieferungen in die ganze Welt.
Stefan Strobel (Kaufmännischer Leiter / Siemens AG Transformatorenwerk Nürnberg) informierte über vier Transporte von Trafos aus dem bayernhafen Nürnberg nach China. Am 26. Januar 2018 ging der erste von ihnen auf die Reise gen Asien. Zwischen den chinesischen Metropolen Changji und Guquan liegen 3.284 km, etwa die Entfernung von Lappland nach Barcelona. Changji und Guquan werden 2018 mit einer Hochspannungs-Gleichstrom-übertragungsstrecke (HGÜ) verbunden, die eine Übertragungsgleichspannung von 1.100 Kilovolt (kV) hat – weltweit die größte und erste HGÜ dieser Art, heißt es. Siemens fertigt dafür unter Führung des Trafowerks in Nürnberg in Zusammenarbeit mit seinem chinesischen Transformatorenwerk in Guangzhou die weltweit ersten 1.100-kV-Stromrichtertransformatoren, die mit einer Leistung von 587,1 Megavoltampere als die leistungsstärksten der Welt gelten.
Trafos mit Rekordmaßen
Jeder Trafo wiegt 537t und misst 13,60 x 6,14 x 5,90m. Für Siemens bedeuten diese Dimensionen einen Rekord. Die gesamte logistische Kette organisierte das Unternehmen Züst & Bachmeier Project. Dies umfasste den 8km langen Straßentransport vom Transformatorenwerk von Siemens zum bayernhafen Nürnberg, den Umschlag aufs Binnenschiff, den Transport auf der Wasserstraße nach Antwerpen, den Umschlag aufs Seeschiff und Seetransport nach China.
Der nächtliche Straßentransport zum bayernhafen Nürnberg habe mehrere Schlüsselstellen wie eine Bahnunterführung und verschiedene Brückenbauwerke umfasst, berichtete Strobel. Für das Einsatzfahrzeug mit Maßen von 64,30 x 7,45 x 6,45m und bei einem Gesamtgewicht von 875t sei Millimeterarbeit gefragt gewesen. Am Tage sei dann der Mega-Trafo per hydraulischer Litzenhubanlage auf das Binnenschiff verladen worden. Die Reise nach Nordchina habe insgesamt rund drei Monate gedauert, so Strobel.
Neue Möglichkeiten leistungsfähiger Knotenpunkte bei der Vernetzung von Transportlösungen stellte Klaus Hohberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei der bayernhafen Gruppe vor. Er zeigte Praxisanwendungen auf, wie sich die Vorteile von Bahn (Geschwindigkeit) und Schifffahrt (Preis) zu einem integrierten Transportkonzept entwickeln lassen, um limitierende Faktoren zu reduzieren. Er veranschaulichte, wie ab Passau im Westverkehr der Donau in einem exakt aufeinander abgestimmten Umlaufsystem sowohl die volle Abladung in der Schiffskapazität als auch die Geschwindigkeit der Bahn zu einem wirtschaftlichen Gesamttransport verknüpft werden. Damit ließen sich auf der Strecke »interessante und zuverlässige Alternativen vor dem Hintergrund der Niedrigwasser-Problematik auf der Donau anbieten.« Zentraler Faktor für diese neuen Möglichkeiten sei ein erheblicher Entwicklungssprung in der Umschlagtechnologie. Bayernhafen schafft dies z.B. durch neue Krananlagen mit 120t Tragkraft und der Entwicklung einer automatisierten Traverse. Von Bedeutung seien aber auch automatisierte Lager, die Bahn, Lkw und das Schiff.
Massengüter in Boxen
Einen völlig neuen Ansatz zur Flexibilisierung der Schiffsladung bei Wasserstandsänderungen zeigte Hohberger mit dem Einsatz von Schüttcontainern auf, die automatisiert durch Vertikaldrehung entleert werden können. Abladebezogene »Übermengen« bei Niedrigwasser oder bei aneinandergrenzenden Ausbaustandards der Wasserstraßenklasse könnten darin platzsparend und witterungsgeschützt gelagert, in gemischter Ladungskombination und verkehrsträgerübergreifend z.B. per Bahn weitertransportiert werden. Eine Rückladung von Bahn auf das Schiff an passender Stelle sei damit schnell und wirtschaftlich darstellbar. Interessant werde dies u.a. wenn der Main bis Aschaffenburg auf 3,10m Abladetiefe ausgebaut sein werde und der Hafen dort eine neue Funktion als Kopfhafen erhalte. »Man muss sich den heute restriktiven Rahmenbedingungen auf der Wasserstraße nicht tatenlos fügen«, betonte Hohberger. Investitionen in neue Technologielösungen könnten zu einer Frischzellenkur auch für traditionelle Transportlösungen führen.
Der Verkehrsausschuss der IHK Würzburg-Schweinfurt erörterte die Ursachen für den stagnierenden Anteil der Binnenschiffstransporte am Modal Split aus Sicht der mainfränkischen Wirtschaft mit dem Ziel, die Potenziale des Wasserstraße als Transportweg künftig besser nutzen zu können. Die Ergebnisse präsentierte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Hein Vedder. Im Bereich der Infrastruktur sei die geringe Fahrrinnentiefe der Donau zwischen Straubing und Vilshofen von 2m unter Regulierungsniederwasserstand (RNW) ein wesentlicher limitierender Faktor für Verkehre in Richtung Österreich und die Balkan-Region. Dies erlaube Güterschiffen nur Passagen mit deutlich verringerter Zuladung, was ein zeitaufwändiges, teures Leichtern eines Teils der Ladung erfordere. Für die Mehrzahl der Güter könnten so keine wettbewerbsfähigen Transportangebote im Wettbewerb mit den Verkehrsträgern Straße und Schiene realisiert werden. Weitere Einschränkungen und Minderauslastung für die Schifffahrt auf Main und Donau verursachten Brücken mit geringen Durchfahrtshöhen unterhalb der Ausbauziele von 6,40m bzw. 7,40m über HSW (höchster Schifffahrtswasserstand). Selbst ein gesetzlicher Bestandsschutz (Denkmalschutz) ermögliche hier mittel- und langfristig keine Verbesserung, sagte Vedder. Standhaltungsprobleme einzelner Brückenbauwerke hätten ebenfalls Einschränkungen für Zuladung und Fahrgeschwindigkeit zur Folge. Lösungen seien in Planung, müssten aber zügig umgesetzt werden. Im Bereich einiger Schleusen bestünde ein Mangel an Liegeplatzkapazitäten, was die Fahrtenplanung der Binnenschiffe verkompliziere, so Vedder weiter. Vor allem fehlten Liegeplätze für Tankschiffe.
Damit erforderliche Neubau- und Instandhaltungsprojekte zeitnah realisiert und vorhandene Investitionsmittel ausgeschöpft werden könnten, sei eine zügige Aufstockung der unzureichenden Fachplanungskapazitäten bei den zuständigen Behörden unerlässlich. Wettbewerbsfähige Konditionen könnten am regionalen Arbeitsmarkt Abhilfe schaffen, um geeignetes Personal zu finden. Ein weiteres Hemmnis bei der Aktivierung des Verkehrsträgers Binnenwasserstraße stelle die Verknappung der nach Mainfranken einfahrenden Binnenschiffe dar. Dies resultiere aus den niedrigen Verkehrszahlen von / nach Süden wegen der Fahrrinnenproblematik der Donau im Abschnitt Straubing – Vilshofen sowie aufgrund entfallender Kohletransporte im Rahmen der Energiewende. Wegen dieser Asymmetrie zwischen in Mainfranken nachgefragtem und vor Ort angebotenem Ladevolumen seien die Preise der Binnenschifftransportleistung häufig nicht wettbewerbsfähig zu Lkw oder Bahn, erläuterte Vedder.
Kombitaugliche Flussschifffahrt
Ingo Ritsch von Danubia Kombi präsentierte ein neu entwickeltes Verkehrssystem für den Kombinierten Verkehr auf Wasserstraßen. »Wir haben ein Stapelsystem entwickelt, das es ermöglicht, mit herkömmlichen Schiffseinheiten das zwei- bis dreifache Ladevolumen im Vergleich zu bisherigen Systemen zu transportieren«, führte er aus. Die Transporteinheiten würden auf eigens entwickelten Plattformen (Flats) verladen und könnten so in mehreren Ebenen mittels Kran bewegt werden. So würden Trailer, Wechselaufbauten, lose Güter, Fahrzeuge, Maschinenteile und andere Güter kran- und stapelbar. Damit soll die Flussschiffahrt wesentlich effizienter und kostengünstiger als andere Verkehrssysteme werden.
Elmar Wilde, Amtsleiter beim Wasserstraßen Neubauamt (WSA) Aschaffenburg, gab einen Überblick zum aktuellen Stand des Mainausbaus. Mit Ausnahme des Abschnitts Wipfeld-Limbach (2,50m Fahrrinnentiefe) sei der Main bereits auf 2,90m Fahrrinnentiefe ausgebaut. Der verbliebene Abschnitt befinde sich derzeit in Planfeststellung oder Ausbau. Mit dem Mainausbau an der Stauhaltung Schweinfurt sei Ende Oktober 2017 begonnen worden, Baggerungen in der Fahrrinne und in den Uferzurücknahmen zwischen den Staustufen Schweinfurt und Ottendorf würden seit Januar 2018 ausgeführt und voraussichtlich 2020 abgeschlossen werden.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur investiert ca. 14,3Mio.€ in die Verbreiterung und Vertiefung der Fahrrinne des Mains und in den Ausgleich der unvermeidlichen Eingriffe in die Natur. Die gesamten Ausbaumaßnahmen inkl. Brückenneubauten sollen voraussichtlich bis 2026 fertiggestellt werden. Durch die Vertiefung der Fahrrinne von 2,50m auf 2,90m könnten Güterschiffe künftig erheblich mehr Ladung transportieren. Ein Schiff von 110m Länge und 11,40m Breite könne nach dem Ausbau ca. 400t, ein Schubverband von 185m Länge sogar bis zu 1.100t zusätzlich laden. Dies entspreche 20 bis 55 Lkw-Ladungen, die pro Schiff zusätzlich gegenüber dem jetzigen Zustand auf dem Wasser transportiert werden könnten, zog Wilde einen Vergleich. Dabei werde auch die Verkehrssicherheit insbesondere für die bis zu 185m langen Schubverbände durch die Verbreiterung der Fahrrinne von 36m auf 40m in der Geraden erhöht. Diese Maßnahmen würden die Wirtschaftlichkeit des Schiffstransports stärken und so einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Entlastung anderer Verkehrsträger leisten.
Ingrid Rossmeier, Repräsentantin des Hafens Rotterdam für Süddeutschland, stellte Entwicklungen im größten europäischen Seehafen vor. Sie ging besonders auf die Ergebnisse aus dem Projekt Nextlogic ein, das eine zuverlässigere Planung der Binnenschifffahrt im Hafen Rotterdam ermöglichen soll. Zu den Lösungen, die in der kommenden Zeit näher ausgearbeitet werden sollen, gehören beispielsweise die Präzisierung der Informationen über den Containerstatus für alle Akteure der Lieferkette und eine Machbarkeitsuntersuchung zu Container-Abkopplungsstandorten (Overflow Hubs) im Hafen. Außerdem hätten sich inzwischen 17 Partner der Informationsplattform Nextlogic angeschlossen, die im Sommer 2019 in Betrieb genommen werden soll. Die Trends und Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung würden das Umfeld verändern, in dem der Hafen Rotterdam und seine Kunden tätig seien.
Bündelung nötig
Das Binnenschiff bleibt auch in Zukunft eine wichtige Alternative zur Bahn und zum Lkw. Um im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern jedoch bestehen zu können – so die einhellige Meinung der Teilnehmer – muss die Branche aber ihre Forderungen gezielter an die Politiker formulieren und konzertierter vorgehen. Nur durch Bündelung aller Kräfte und Stimmen könne sich die Branche in Berlin besser Gehör verschaffen. Auch eine stärkere öffentliche Wahrnehmung der Wasserstraße und ihrer Potenziale sei für die Zukunft unerlässlich, denn sie sei der einzige Verkehrsträger mit nennenswerten Kapazitätsreserven. Im Vergleich zur Straße und Schiene sei sie zudem kostengünstiger und umweltfreundlicher.
Um noch mehr Verlader von der Leistungsfähigkeit der Binnenschifffahrt zu überzeugen und noch mehr Güter auf die Wasserstraße zu verlagern, benötigen Schifffahrt, Häfen und verladende Wirtschaft jedoch eine verlässliche und gut ausgebaute Wasserstraßeninfrastruktur. »Wir müssen gemeinsam unsere Stimme erheben Richtung Politik und Öffentlichkeit, um das Bewusstsein für die Binnenschifffahrt zu schärfen«, forderte Fraas.