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In Schwedt, einem der 15 regionalen Wachstumskerne Brandenburgs, wächst das Interesse der Papierindustrie an Fluss-Seeschiffen für den Transport von Exportgütern – herausfordernd bleiben die Bedingungen vor Ort, wie eine Studie zeigt

Schon in den 1990er Jahren und 2011 gab es Versuche, Papierprodukte mit sogenannten Fluss-Seeschiffen von Schwedt zum Beispiel nach England zu transportieren. Das Ergebnis damals: Technisch möglich und bei hinreichenden Ladungsmengen und Schiffsgrößen auch wirtschaftlich umsetzbar.

Der neu erbaute öffentliche Hafen Schwedt wäre für eine Abfertigung von seegängigen Schiffen mit zwei neuen 45-t-Kranen, Getreide- und Schüttgutschurren sowie einem Getreidesauger, einer Schwerlastplatte und einen Hafenbahnanschluss geeignet. Zu möglichen Auftraggebern gehören insbesondere das ehemaligen Petrochemische Kombinat Schwedt (PCK) und die Papierfabriken der LEIPA Georg Leinfelder. Letztere liefern Papierprodukte an Druckereien in vielen europäischen Ländern und auch in Übersee.

Das Unternehmen hatte sich seit seinem Einstieg in Schwedt an Untersuchungen zur Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit wasserseitiger Transporte interessiert gezeigt und insbesondere auch studentische Arbeiten, etwa am Institut für Land- und Seeverkehr der TU Berlin, unterstützt.

So ist zuletzt eine Masterarbeit mit dem Titel »Entwurf und Einsatzpotentiale eines Fluss-Seeschiffes mit hoher Containereignung« des TU-Studenten Konstantin Klippstein entstanden, die jüngst präsentiert wurde.

Zur Aufgabenstellung sagt der betreuende Professor Horst Linde: »Es ist ein Interesse der regionalen verladenden Wirtschaft, auch der Papierindustrie, erkennbar, für Übersee-Exporte ihre Produkte in bestimmten Containern auf dem Wasserweg zu den Nordseehäfen zu bringen.« Bisher verfügbare Fluss-Seeschiffe besäßen zum Teil noch nicht die optimale Container-Eignung. Es sei daher anzustreben, ein zum Anlauf des Standortes Schwedt geeignetes Fahrzeug maximaler Größe und Kapazität zu konzipieren.

Hierbei geht es einerseits um Fragen des Entwurfs, der Konstruktion und des Betriebs derartiger Schiffe und um Maßnahmen zur Ertüchtigung benötigter Binnenwasserstraßen, andererseits um die Erkundung von Marktpotenzialen und Formulierung von Einsatzmodellen und letztlich um den Nachweis der Wettbewerbsfähigkeit des Wasserwegs gegenüber Schiene und Straße.

Unter den von Klippstein recherchierten Potenzialen im Landkreis Uckermark fanden sich, neben den Schwergewichten LEIPA, PCK und AGRAVIS-Raiffeisen (hier Massenschüttgüter) zum Beispiel auch eine hoch entwickelte, mit Containern nach Übersee exportierende Holzindustrie im Raum Templin.

Allein LEIPA verschifft etwa 7.000 TEU Container pro Jahr nach Übersee, auch mit Potenzialen im Bereich von Nordsee (England, Benelux) und Ostsee (Skandinavien, Baltikum, Russland). Vorläufe oder auch gesamte Transporte erfolgen derzeit allerdings per Schiene oder Straße, Hier könnten sich interessante Ansatzpunkte für den durchgehenden, umschlagssparenden Einsatz von Fluss-Seeschiffen ergeben.

Klippstein formuliert drei alternative Einsatzmodelle (ARA-Häfen, England, Baltikum) und analysiert die bestehende Schiffsflotte, insbesondere auch jüngere Neubauten. Er gelangt zu einer Schiffsgröße von 110 m Länge und 2,20 m Brite mit einem max. Tiefgang von 3,83 m sowie einer Tragfähigkeit von 1.500 t bzw. einer Stellplatz-Kapazität von 96 TEU (2 Lagen unter Deck) bzw. 3.000 t und 192 TEU (4 Lagen unter und an Deck). Es gelang ihm dabei, das Entwurfsziel einer möglichst großen Schiffslänge mit der Stauung von nicht weniger als vier Containern in Querrichtung zu verbinden.

Zuletzt erwies sich (bei Mittelwasser) ein Tiefgang von 2,70m auf Klützer Querfahrt und Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße als machbar – eine Ausbaggerung der KQF für eine Abladung auf 3,50m (so wie im deutsch-polnischen Regierungsabkommen vorgesehen) und eine zuverlässige Klärung der derzeit verfügbaren Fahrwassertiefen auf wären aber dringend geboten.

Die Studie geht auf diese Ausgangslage bei den Fahrtiefen und auf weitere mögliche Einschränkungen ein: Bei kleinstem Entwurfstiefgang, mit zwei Lagen Containern sowie in Ballast, sind die kritischen Brücken auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße sicher passierbar, bei der gewählten Schiffsbreite ebenso die Durchfahrtsbreite der Bahnbrücke Podjuchy.

Voraussetzung für höhere Containerbeladungen wäre ein Umbau der Brücken über die durch die Installation von einfachen Klappbrücken für den Gelegenheitsverkehr und ein Abbruch der Brücken Mescherin und Podjuchy. Auf die Notwendigkeit der Vertiefung der Klützer Querfahrt und der Klärung der Fahrwassertiefen auf der HoFriWa weist Klippstein auch im Zusammenhang mit den Schiffsabmessungen zu Recht hin.

Abschließende Abschätzungen von Transportkosten auf den formulierten Modell-Relationen ergeben unter Status-quo-Bedingungen mehr oder weniger deutliche Kostenvorteile des Schiffes gegenüber Schiene und Straße. Dieser Eindruck verstärkt sich noch durch den Ansatz, auch Umwelteinflüsse finanziell zu bewerten.

Die von Klippstein vorgelegte Arbeit legt also nahe, bei der verladenden Wirtschaft in Ost-Brandenburg für eine praktische Umsetzung der vorgeschlagenen Konzepte zu werben und am Ende auch zu sorgen, zunächst vielleicht in Gestalt von Probeverschiffungen unter realitätsnahen Bedingungen. Darüber hinaus wurde während der Präsentation Interesse an einem Einsatz von Fluss-Seeschiffen mit hoher Containereignung bei geringer Abladetiefe auch in anderen Fahrtgebieten geäußert.


Christian Knoll