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Der Löwenanteil der Schwerguttransporte wird noch immer über die Straße abgewickelt. Dabei bietet das Binnenschiff das größere Potenzial, auch in Sachen Schnelligkeit, wenn man den kompletten Prozess betrachtet

Bei der Beförderung von sperrigen Gütern ist ein deutliches Wachstum festzustellen. Die beantragten beziehungsweise realisierten Großraum- und Schwerguttransporte hätten sich von 2010 bis 2017 beinahe verdoppelt, berichtete Wolfgang Severing, Abteilungsleiter Verkehrswirtschaft beim BAG. In diesem Jahr könnte es einen neuen Rekord für Schwertransporte geben, denn nach den ersten drei Quartalen seien bereits mehr als 305.000 beantragt worden. Somit könnte am Jahresende erstmals die 400.000er-Marke übertroffen werden. Severing begründet den Anstieg mit dem Aufschwung in der Bauwirtschaft und im Maschinenbau. Beide Branchen seien traditionell affin für Schwertransporte, entsprechend komme eine Vielzahl der Kunden aus diesen Bereichen.

»Der Aufschwung geht bisher jedoch an der Schiene und der Wasserstraße weitestgehend vorbei«, hieß es auf dem vom ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (SPC) durchgeführten 2. Forum Sondertransporte in Bonn.

»Der Löwenanteil der Transporte entfällt auf den Lkw«, so Severing. Und das, obwohl es vorgeschrieben sei, zunächst zu prüfen, ob sich ein Schwertransport über die Wasserstraße oder Schiene realisieren lasse. Diese Vorschrift werde in der Praxis häufig nicht eingehalten, so eine Stimme aus dem Auditorium.

Binnenschifffahrt behauptet sich

Die Zahl der Schwertransporte auf Binnenschiffen bewegt sich dem BAG zufolge über die Jahre zwischen 500 und 600, was Severing den Schwankungen bei der Befahrbarkeit der Wasserstraßen zuschreibt. Trotz des seit Monaten anhaltenden Niedrigwassers sehe es mit bisher 560 Transporten in diesem Jahr aber recht gut aus. »Die Binnenschifffahrt kann mit dem Trend mithalten«, konstatierte der Experte. Die Schiene sei mit etwa 10.000 Fällen dagegen nahezu konstant geblieben. Hier vermutet Severing, dass es der Bahn an Kapazitäten mangelt. Bei den Statistiken müsse aber berücksichtigt werden, dass es schwierig sei, an Daten zu kommen, da die offizielle Verkehrsstatistik Schwerguttransporte nicht gesondert ausweise.

Andrea Kowalski von Siemens ist es ohnehin wichtig, »alle Verkehrsträger im Blick zu haben«. Allerdings seien bei allen die Infrastruktur marode. Die von der Regierung bewilligten 270Mrd. € für die Realisierung der im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 vorgesehenen Projekte stuft sie als zu gering ein. »Die Summe reicht bei weitem nicht aus.« Alle Behörden, die mit Verkehrsinfrastruktur zu tun hätten, seien jahrelang kaputtgespart worden. Jetzt fehle es an Ingenieuren und Planern, um die Projekte auszuführen. Kritik übte sie auch an den langen Genehmigungsverfahren für die Schwertransporte. »Mit einer Dauer von fünf oder sechs Wochen können wir nicht leben«, machte sie deutlich.

Bei multimodalen Transporten unter Einbeziehung der Binnenschifffahrt sei der Aufwand zwar deutlich größer, auch seien sie in der Regel teurer sowie risikobehafteter, dennoch böten sich Vorteile, die auf den ersten Blick allerdings oftmals nicht wahrgenommen würden. Der reine Transport über die Wasserstraße dauere zwar länger, wenn man aber die Zeit für eine Genehmigung mit einbeziehe, sei dieser Weg im Endeffekt schneller als die Beförderung mit dem Lkw. Schwertransporte über den Wasserweg müssten nicht extra genehmigt werden.

Darum setzt man bei Siemens, vor allem wenn es schnell gehen soll, auf die Binnenschifffahrt, selbst wenn die Kosten um das Drei- oder Vierfache höher ausfielen. Etwa 100 Transporte führt das Unternehmen jährlich auf dem Wasser durch.

Heinz Rößler von der Spedition Kübler sieht ähnliche Vorteile. »Wir benötigen für den Transport von unserem Standort Mannheim bis nach Rotterdam über die Wasserstraße etwa 27 Stunden. Kein Lkw, der seine Zeiten einhält, schafft das in einer kürzeren Zeit.«

Auch Kübler setzt bei den Transporten auf Multimodalität und bezieht seit mehreren Jahren das Binnenschiff ein. Seit 2005 betreibt die Spedition eine Schwergutlinie auf dem Rhein, bei der es von Mannheim aus jeden Freitag Abfahrten nach Rotterdam und Antwerpen gibt. Man wolle aber noch mehr Ware auf Binnenschiffe bringen, bekräftigte der Spediteur.

Kürzlich hat die Spedition ihr neues Schwerlastzentrum in Mannheim in Betrieb genommen. Man biete ein neues Konzept und stelle den Kunden Montageflächen am Wasser zur Verfügung. Die Vorläufe könne man auf Bahn oder Straße durchführen, um dann nach der Montage im Hafen ins Binnenschiff zu verladen.

Rößler veranschaulichte das am Beispiel von MAN Energy Solutions. Das Unternehmen produziert in Augsburg Motoren, die mit der Eisenbahn am Schwergutzentrum in Mannheim ankommen. Dort gelangen sie mit Hilfe des neuen 500-t-Zweiträgerbrückenkrans von Brunnhuber durch das 18m breite und 24m hohe Tor in die neue Werkshalle, wo die Montage erfolgt. Danach werden die Motoren direkt ins Binnenschiff verladen und in die Seehäfen weitertransportiert, vorzugsweise nach Rotterdam oder Antwerpen.

Durch das neue Schwergutzentrum verfügt Kübler in Mannheim nunmehr über eine Grundfläche von 100.000m2, bei einer Hallenfläche von 30.000m2. Die Krantragfähigkeit liegt bei bis zu 625t im Einzelhub. Für die Montage stehen in der Halle zwei weitere Krane für je 140t bereit, sodass die Gesamtkrankapazität laut Rößler bei 930t liegt. Die Montage und Verladung im Freien leistet ein Hafenmobilkran von Liebherr vom Typ LHM 500 sowie ein Reachstacker von Ferrari, der bis zu 42t heben kann. Zusammen verfügt Kübler in Mannheim jetzt über drei Liegeplätze, an denen Binnenschiffe gleichzeitig abgefertigt werden können. »Im Dreischichtbetrieb werden bis zu 60 Lkw pro Tag be- bzw. entladen und ein bis zwei Schiffe gleichzeitig abgefertigt«, so Rößler.

Niedrigwasser in aller Munde

Auch bei der Veranstaltung in Bonn rückte die seit Monaten anhaltende Niedrigwasser-Problematik in den Blickpunkt. Rainer Fabian, Geschäftsführer des Terminalbetreibers C. Steinweg in Hamburg, auch bekannt als Süd-West Terminal, berichtete, dass teilweise die Ladung noch auf dem Terminal auseinandergebaut wird, damit sie per Binnenschiff weitertransportiert werden kann.

Für David Schütz, Senior Manager für Projektladung bei der Deutschen Binnenreederei, ist das Problem des Niedrigwassers im Prinzip nicht neu. »Damit haben wir in unserem Fahrtgebiet auf Elbe und Oder häufiger zu tun«, sagt er. Das Ausmaß in diesem Jahr sei hingegen einmalig. »Auf solche Situationen kann man nicht vorbereitet sein.«

Den letzten Transport mit dem Binnenschiff in Dresden habe es im Mai gegeben, die letzte Beförderung über die Wasserstraße in Aken sei Mitte Juni erfolgt. Mittlerweile stünde eine Vielzahl an Geräten in den Häfen und könne nicht abtransportiert werden. Langfristig sei es das Ziel der Reederei, Transporte mit speziell für die Oder gebauten Schiffen durchzuführen, die 300 bis 400t transportieren könnten und einen Tiefgang von etwa 1m hätten, blickte Schütz voraus.

Schwergutlinie auf der Elbe

Im vergangenen Sommer habe man zusammen mit den Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO) eine Schwergutlinie ins Leben gerufen, die Elbe Project Cargo Line (EPCL). Ziel sei es, der verladenden Wirtschaft ganzjährig eine verlässliche Verbindung zwischen den sechs SBO-Häfen in Deutschland und Tschechien und den Seehäfen an Nord- und Ostsee zu garantieren. Zum Einsatz kommt dabei eine flachgehende Schiffstechnik, mit der Projektladung bis zu einer Fahrrinnentiefe von 1,20m effizient auf der Elbe transportiert werden kann. Für EPCL werden in den SBO-Häfen Schubleichter stationiert, sodass erforderlicher Schiffsraum unmittelbar verfügbar ist.

»Die Transiträume, die wir nutzen wollen, werden begrenzter«, so Schütz. Wegen des Niedrigwassers sei man derzeit gezwungen, auf das Kanalsystem auszuweichen. Deshalb seien aktuell viele zusätzliche Schiffe auf dem Elbe-Seitenkanal (ESK) zu beobachten. Dadurch würden sich die Wartezeiten am Schiffshebewerk Scharnebeck teilweise deutlich erhöhen, berichtete Schütz.

Siemens ist weniger vom Niedrigwasser als von den daraus resultierenden Kleinwasserzuschlägen betroffen. »Bei uns geht jede Ware raus«, sagte Kowalski, denn Trafos, die das Unternehmen auf Binnenschiffen transportiert, würden den Tiefgang nicht so sehr beeinflussen wie beispielsweise Massengüter. Bei Kübler ist das ähnlich: »Wir haben die ganze Zeit verladen«, sagte Rößler.

Wasserstraßennetz wird integriert

Marcus Sütterlin von Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement, stellte in Bonn das E-Government-Portal VEMAGS (Verfahrensmanagement für Großraum- und Schwertransporte) vor, dessen Projektleiter er ist. Es handelt sich um eine Initiative zur Digitalisierung des Verwaltung im Bereich Großraum- und Schwertransporte, über die mittlerweile 99% der Antrags- und Genehmigungsverfahren online abgewickelt werden. Sütterlin kündigte an, 2019 VEMAGS durch ein GIS (Geoinformationssystem) weiter zu entwickeln und um das Wasserstraßennetz zu ergänzen. Anhand aktueller Karten sollen mögliche Fahrwege ermittelt werden, wobei Häfen entlang der Routen auch als Start und Zielpunkte einbezogen werden sollen.

Es müsse allerdings noch einiges an Arbeit geleistet werden, so Sütterlin. Primär geht es um eine digitale Vernetzung der Daten über das Wasserstraßennetz, sowie der Häfen und Fracht-Kapazitäten. Eine Liste mit Häfen liege zwar vor, allerdings fehlten die jeweiligen Spezifikationen, etwa die Angabe, welche Gütergewichte verladen werden könnten. Ferner gelte es, die einzelnen Bauwerke wie Schleusen aufzunehmen, ebenfalls mit ihren Eigenschaften, zu denen vor allem die Ausmaße zählen. Darüber hinaus soll das System auch aktuelle Informationen über Wasserstände und Baustellen berücksichtigen. Schiffspositionen in Echtzeit, prognostizierte Ankunftszeiten sowie mögliche Ladezeiträume könnten ebenfalls integriert werden. »Technisch ist das alles möglich«, so Sütterlin.

Gleiches sei für das Schienennetz geplant. Das GIS zeigt dann mögliche Transportwege auf und errechnet die beste Möglichkeit für die Beförderung der Güter, unter Berücksichtigung aktueller Ereignisse.

Rößler ist begeistert: »Wenn man ein System bekommt, das genau zeigt, welche Strecken mit welchen Transportmitteln zurückgelegt werden können und wo unter welchen Voraussetzungen welche Güter umgeschlagen werden können, ist es genau das, was wir suchen.«

SPC unterstützt VEMAGS

SPC-Geschäftsführer Nölke sicherte zu, die Lieferung von entsprechenden Daten an VEMAGS »nach Kräften zu unterstützen.«. Es sei ein richtiger Schritt, VEMAGS in eine multimodale Richtung weiterzuentwickeln. »Wir sehen in dieser erweiterten Transparenz viel Potenzial für die Binnenschifffahrt«, so Nölke. Es sei notwendig, dass das Binnenschiff gleichwertig am Wettbewerb beteiligt werde.


Thomas Wägener