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Das Gütertransportaufkommen auf der Spree-Oder-Wasserstraße ist im Vergleich zum Rhein fast zu vernachlässigen. Seit dem Aus für die Lausitzer Kohle sind die Anrainer mehr denn je gefordert, sich neu zu positionieren. Die Idee eines autonomen Testfelds ist dafür eine Chance

Manchmal zwingt die Not zum Handeln, führt eine Veränderung zu einem innovativen Schub. Der Bund und das Land Brandenburg wollen gemeinsam mit Unternehmen und dem Bundesverband Öffentlicher Binnehafen (BÖB) einer Verkehrsverlagerung aufs Wasser einen Impuls geben. Im Fahrtgebiet von Spree und Oder soll ein »Testfeld Autonome Binnenschifffahrt« geschaffen werden.

So soll die Mobilitätswende im Osten zugunsten der Wasserstraße vorangebracht werden, erklärten bei einer Informationsveranstaltung die Staatssekretärin im Infrastrukturministerium Brandenburgs, Ines Jesse, und der Landrat Dahme-Spree, Stephan Loge.

Die Kernidee: Kleine, energieeffiziente Schiffe, autonom und vernetzt unterwegs, sollen neue emissionsarme Transportangebote unter anderem zur Versorgung Berlins möglich machen. Die Spree-Oder-Wasserstraße (SOW) schlängelt sich zentral durch das Berliner Stadtgebiet.

Zur Initiative »Autonom-SOW« haben sich mehrere Akteure zusammengeschlossen: das Deutsches Zentrum für Luft-und Raumfahrttechnik (DLR), der Hafenbetreiber LUTRA (Hafen Königs-Wusterhausen), der Hafen Eisenhüttenstadt, der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen e.V., die Alberding GmbH, ein Anbieter von Anwendungen der satellitengestützten Positionierung im Vermessungs-, Navigations- und GIS-Bereich, sowie die Hamburg Port Consulting GmbH.

Diese Gruppe will zunächst die Erfordernisse des Testfeldes definieren. Ab Juli 2019 startet die erste Untersuchungsphase, der Aufbau des Testfelds erfolgt 2020, sagt Michael Fiedler, Geschäftsführer der LUTRA.

Das Erprobungsgebiet erstreckt sich zwischen den Häfen Königs-Wusterhausen und Eisenhüttenstadt inklusive der Schleusen in Wernsdorf, Fürstenwalde, Kersdorf und Eisenhüttenstadt. An der Strecke liegen Unternehmen und Betriebe wie AccelorMittal, die Agravis Gruppe oder Reuther Anlagenbau.

Auf dieser teils kanalisierten Bundeswasserstraße ist das Güteraufkommen derzeit eher überschaubar. Die Nähe zu Berlin und die aktuellen Emissionsdiskussionen um Fahrverbote liefern jedoch Aufgabenstellungen frei Haus. Zudem hat sich die Berliner Reederei ED-Line als Unterstützern der »ersten Stunde« zum Projekt bekannt. Aber auch alle anderen Schifffahrtsunternehmen sind eingeladen, ihre Fragen und Epertise einzubringen.

Ein Teil der Gruppe konnte mit dem Projekt LAESSI schon erste Binnenschiffserfahrungen mit der MS »Jenny« auf dem Main sammeln, die Binnenschifffahrt hatte bereits darüber berichtet.

Erfahrungen aus gänzlich anderen Bereichen würden helfen, sagt Geschäftsführer Jürgen Alberding. So habe sein Unternehmen ein Hilfsmittel für blinde Mitmenschen entwickelt. Auch hier komme es auf höchste Verlässlichkeit im Zentimeter-Bereich an, Fehler oder Fehlinterpretationen könnten fatale Folgen haben. Querdenken sei das Gebot – Alberding erinnert daran, dass zu einer Forschungserkenntnis immer auch die Produktentwicklung gehöre, um ein marktgängiges und verfügbares Produkt zu schaffen.

Autonomes Fahren auf dem Wasser, dazu bedarf es doch einiger Zwischenschritte. Die Veränderung des Berufsbildes und Arbeitsplatz, so Michael Fiedler, sei für junge Leute eher attraktiv denn abschreckend. Mehr Automatisierung bedeute auch eine bessere Familienfreundlichkeit der Berufe und mehr Sicherheit im Berufsfeld Binnenschifffahrt.

An die intelligente Verknüpfung von technischem Know-how und menschlichen Kompetenzen denke man zwar auch, bis jetzt gebe es aber noch keinen konkreten Plan zur Umsetzung.

Die Säule zwei sind Forschung und Entwicklung zum Thema »Autonomes Bewegen« durch die TITUS Research GmbH, ein Technologie-, Innovations-und Testzentrum für unbemannte autonome Systeme. Dabei handelt es sich um eine Unternehmensneugründung, die auf eine Initiative des Brandenburger Wirtschaftsministeriums sowie der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg zurückgeht. Standort ist das Gebäude des Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Wildau, unweit des Campus der Fachhochschule.

Erfahrungshintergrund ist das Projekt CUPRAS zu ferngesteuerten zivilen Drohnen. Nun hat sich das Portfolio auf unbemannte und autonome Luftfahrtzeugen, Baufahrzeuge und die Binnenschifffahrt erweitert. Prof. Uwe Meinberg, Geschäftsführer der TITUS und Lehrstuhlinhaber für Industrielle Informationstechnik an der TU Cottbus-Senftenberg, legt Wert auf die nationale und internationale Sichtbarkeit und wünscht sich regionale und überregionale Akteure.

Ein Standbein sei der Frachttransport, auch in sehr kleinen Einheiten, wie zum Beispiel der Transport von Paletten für die Citylogistik, Fähren, Wassertaxen, Bewachung/Überwachung, Gewässerschutz, Uferkontrollen, Bauwerkskontrollen, auch im Unterwasserbereich. Das Erfolgsrezept sei immer eine breite wissenschaftliche Unterstützung der Projekte und mit dem Blick über den Tellerrand schaffe man es, Erkenntnisse, die sich aus den F&E-Aktivitäten im Bereich anderer Verkehrsträger auch bezüglich autonomen Fahrens ergeben haben, seinen Nutzen zu ziehen.

Die Säule 3 gehört den Nutzern. Den Schiffseinheiten widmet sich ein Team, in dem die TU Berlin, die SVA Potsdam, die BEHALA und Infineon sich unter dem Kürzel »A-SWARM« verbandelt haben.

Quasi das Dach ist die sogenannte Interne Gruppe zur Testfeldgestaltung, die Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder Brandenburg (WfBB) und Berlins. »Wir folgen den Empfehlungen des Gutachtens zu den Potenzialen der Binnenschifffahrt«, so Teamleiterin Sylke Wilde. »Mit dem Testfeld wollen wir abseits der Hauptstrecke Rhein positive Impulse für die Schifffahrt setzen.«

Die WfBB berät Interessenten umfänglich und hilft weiter, wenn es um Möglichkeiten geht, sich im Projekt selbst einzubringen, unternehmerisch tätig werden zu wollen oder Finanzierungsunterstützungen auszuloten. Auch kleine Unternehmen und Mittelständler könnten auf die Innovationsförderung durch Landesprogramme zurückgreifen. Man berate aber auch, wenn es in Richtung Bundes- oder EU Förderung geht. Und somit ergeht, so Sylke Wilde, eine ausdrückliche Einladung an alle Interessenten aus Schifffahrt, von Verladern, Häfen und aus der Forschung sowie an Start-ups: Kommt nach Brandenburg! Bleibt zu hoffen, dass die Schifffahrt und Logistikbranche dieses Angebot für sich intensiv zu nutzen versteht.

Kontakt (WFBB): Sylke Wilde, Teamleiterin Verkehr, Mobilität, Logistik, Babelsberger Straße 21, 14473 Potsdam, sylke.wilde@wfbb.de.


Kerstin Klinkenberg