Die ersten warmen Frühlingstage haben die Aussichten auf den Rest des Jahres deutlich verdüstert. Meteorologen schließen nicht aus, dass es in Richtung Sommer erneut zu ungewöhnlich trockenen Phasen und anhaltendem Niedrigwasser kommen könnte. Das ist keine gute Nachricht, ist doch der »Jahrhundertsommer« von 2018 mit allen seinen Folgen noch gut im Gedächtnis.
Zwar haben die Binnenschiffer in dieser Zeit gut verdient, Kleinwasserzuschläge und eine Verknappung der Tonnage hatten die Raten spürbar steigen lassen. Doch kann sich niemand wirklich eine Wiederholung wünschen. Das anfällige System Wasserstraße könnte sonst weitere Marktanteile verlieren, wenn Transporte (vielleicht dauerhaft) auf andere Verkehrsträger umgeleitet werden.
Eine solche Entwicklung fürchten außer dem Gewerbe auch Politiker, Verbände und die verladene Wirtschaft, nicht zuletzt im hoch frequentierten westdeutschen Kanalnetz. Rund 30 Mio. t an Gütern werden jährlich allein im Ruhrgebiet über die Wasserstraßen transportiert. Würde diese Menge auf die Straße verlagert werden, wären täglich an die 3.000 Lkw zusätzlich in der Region unterwegs. Mehr noch als weitere Wetterkapriolen wird der Verfall der Infrastruktur zu einer wachsenden Bedrohung.
Es sei »Fünf vor Zwölf«, hieß es jetzt bei einem »Schleusengipfel« in Dorsten. Die Bauwerke zerbröseln schneller als man hinterherreparieren könnte. Besonders prekär ist die Lage am Wesel-Datteln-Kanal und am noch engeren Rhein-Herne-Kanal. Beide Wasserstraßen müssten dringend saniert werden. Mittlerweile bestehen etwa 70 sicherheitsrelevante Schäden. Jede Havarie, jeder Ausfall einer Schleuse würde die Situation extrem verschärfen. Es fehlt nicht einmal an Geld, seit der Verkehrsetat aufgestockt wurde. Aber es fehlt weiter an Ingenieuren, die die nötigen Baumaßnahmen planen und umsetzen könnten. 60 Stellen sind es allein in Nordrhein-Westfalen.
Die Probleme sind weiß Gott nicht neu. Aber allen guten Vorsätzen und Versprechungen zum Trotz herrscht vielerorts Agonie. Es ist zu wenig Bewegung im Spiel, es fehlt der große Wurf. Notgedrungen bleibt oft nur Flickschusterei. Wenn marode Schleusenpoller am Wesel-Datteln-Kanal durch eine Truppe von Festmachern ersetzt werden, kann von einer nachhaltigen Lösung wie etwa einem verbindlichen Sanierungsprogramm keine Rede sein.
Es wird schon zu lange diskutiert und priorisiert, aber noch zu selten gehandelt. Es wird wohl kaum ein »Wunder über Nacht« geben. Ein »Weiter so« hilft erst recht nicht. Weder ein »Schleusen-Gipfel« noch die jetzt anberaumte Regionalkonferenz zu den Wasserstraßen in Nordrhein-Westfalen noch der angekündigte »Masterplan Binnenschifffahrt« lösen eines der Probleme. Wenn es denn »Fünf vor Zwölf« ist, und daran besteht kaum ein Zweifel, braucht es einen auf politischer Ebene forcierten Aktionsplan mit ausreichend Geld, ausreichend Personal und verbindlichen Fristen. Sonst droht früher oder später tatsächlich die »logistische Katastrophe«.
Viel Spaß beim weiteren Lesen wünscht Krischan Förster
Krischan Förster