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Oft gehören Großraum- und Schwertransporte (GST) zu den Dingen, über die sich nicht nur Autofahrer aufregen. Auch Behörden haben mit den großen und schweren Lasten oft ihre liebe Mühe. Eine Lösung: So viel Ladung wie möglich muss aufs Binnenschiff

Ein Troß von Fahrzeugen, mit grellen Warnlichtern markiert, nicht selten von blau-weißen Fahrzeugen eskortiert: schon aus weitem Abstand ist zu erkennen, dass hier ein Schwertransport fährt. Manchmal tagsüber, oft nachts sind sie unterwegs, über Bundes- und Landstraßen, gelegentlich über Autobahnen. Volle Straßen, marode Brücken und verkehrliche Engpässe prägen die Routen für den Transport von großen und schweren Lasten zudem.

Um diese Einschränkungen zu umgehen und die aufwändigen Genehmigungsverfahren bei Straßentransporten zu vermeiden, liegt es eigentlich nahe, derartige Transporte wo immer möglich, auf die Wasserstraße zu verlegen. So weit, so klar, eigentlich. Auf dem 3. spc (ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center) Forum Sondertransporte wurde aber deutlich, dass die Dinge sich differenziert darstellen. Oder, wie Markus Noelke vom SPC bei der Begrüßung der rund 60 Teilnehmer in Bonn anmerkte, der Teufel oft im Detail stecke. Praxisberichte von Verladern und Entscheidern auf Behördenebene zeigten, welche Herausforderungen zu bewältigen sind und welcher Regelungsbedarf besteht.

Derzeit, so Claudia Oberheim vom Bundesverkehrsministerium (BMVI), werde auf höchster Ebene, im Ministerium, daran gearbeitet, die Ankündigung aus dem Masterplan Binnenschifffahrt umzusetzen. Eine Arbeitsgruppe sei derzeit dabei, Handlungsfelder zu identifizieren, zu beschreiben und Vorschläge zu erarbeiten, um die Verlagerung von GST auf die Wasserstraßen voranzutreiben. Das auch vor dem Hintergrund, die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt zu stärken und zum Klimaschutz beizutragen. Ziel des Bundesverkehrsministerium sei es, den Anteil der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt am Modal Split bis zum Jahr 2030 insgesamt auf 12% zu erhöhen. »Man kann sich fragen, wie realistisch das ist«, schränkte sie die Masterplanvorgabe gleichsam amtlich ein. Zudem sei zu beachten, dass GST-Transporte nur ein sehr kleiner Anteil dabei seien. »Die Wasserstraße wird oft als unzumutbare Hürde angesehen«, stellte Oberheim fest.

Konkrete Umsetzungsvorschläge der Arbeitsgruppe sollen sich auf die Optimierung der Genehmigungsverfahren für Wasserstraße und Schiene, auf Verbesserungsmöglichkeiten der Infrastruktur an Wasserstraßen und Verladestellen und auf Förderungsmöglichkeiten erstrecken, die für die Verlagerung auf die Wasserstraße (z.B. für Antragsteller von GST, für Umschlagsbetreiber) von Interesse seien. Allerdings, so Oberheim, sei für eine Verlagerung von GST auf die Wasserstraße auch ein wesentlicher Beitrag von der Binnenhafenwirtschaft mit der Bereitstellung von Schwerlastdaten und von der Binnenschifffahrt, beispielsweise durch Markttransparenz, nötig.

Mit »Erfahrungen aus Sicht einer Anhörungsbehörde für Großraum- und Schwertransport« war der Vortrag von Christian Miß von der Stadt Lüdenscheid überschrieben. Miß ist dort, wo auch die Autobahn A45, ein »Schwerlasthighway«, und die Bundesstraßen 229 und 54 verlaufen, zuständig für Genehmigungsverfahren für GS-Transporte.

Der gesellschaftliche Auftrag sei klar für eine Verlagerung schwerer Transporte auf Wasserweg und Schiene, so Miß. »Darum schert sich aber niemand«, stellte der Experte fest. Es sei unerträglich, dass Gesetze nicht angewendet würden, bilanzierte Miß anhand von Fällen, wo Ablehnungen von Transporten auf Umwegen dann doch für die Straße genehmigt worden seien. »Oft auf höherer Ebene«, ergänzte er.

Dabei, so der Verwaltungsmann, seien die Kriterien für die Antragsstellung klar definiert. Beispielsweise sei gefordert, bei mehr als 250km Wegstrecke und bei Fahrzeugen mit Ladungen über 4,20m Breite oder 4,80m Höhe oder einem Gewicht von mehr als 72t eine Bescheinigung der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) vorzulegen, dass, wie und zu welchen Kosten eine Beförderung auf dem Wasser möglich sei oder zu begründen, warum dies nicht gehe. Dann sei eine ausführliche Begründung, also ein Negativbescheid beizulegen.

Wie ernst Antragsteller die Regelungen nähmen, machte Miß anhand vorgelegter Angaben in Anträgen deutlich. Von »Mähdrescher im Ernteeinsatz« bis »keine Wasserwege oder Gleisanschlüsse beim Verlader vorhanden« gebe es die seltsamsten Aussagen. Die kürzeste »Negativbescheinigung« habe gelautet: »Geht nicht, der Weg ist zu weit.«

Dass die Forderung nach einem bevorzugten Transport per Bahn oder Schiff unter bestimmten Bedingungen begründet sei, machte Miß an der Belastung für die Straßen deutlich. Gemäß der »Vierten Potenz-Regel« belaste ein dreiachsiger Lkw mit 30t Gewicht die Straße gegenüber einem zweiachsigen Pkw mit 2t um den Faktor 15.000:1. Demnach würde der Pkw erst nach 15.000 Überfahrten so viel Schaden anrichten wie der Lkw beim einmaligen Befahren der Straße. Hinzu kämen Umweltbelastungen: »Wieviel CO2 kann man einsparen, wenn es keine Staus gibt?«, fragte Miß sich und die Zuhörer.

Wie groß das Potenzial für die Verlagerung von Schwerverkehren ist, definierte Andreas Löffert vom Hafen Straubing-Sand. Alleine an der bayerischen Donau könnten rechnerisch acht Schiffe pro Tag mit Projektgütern und schweren Lasen Richtung Seehäfen beladen werden.

Dem wachsenden Markt könne man nicht allein mit dem Ordnungsrecht begegnen. »Besser ist ein vernünftiges Marketing«, so der Hafenchef, der belegte, dass dies in Richtung Balkan bereits gut gelinge. Gleichwohl wusste auch Löffert: »Die Häkchen im Formular, dass es nur per Straße geht, sind oft schon im Formular zuvor gesetzt.« Klar sei dabei, dass die Speditionen ein großes Interesse daran hätten, ihre eigenen Flotten auszulasten.

Dass es anders geht, dokumentierte Christoph Günther von Multilift. Das Gemeinschaftsunternehmen von sechs renommierten Traditionsunternehmen aus Deutschland, Belgien und Luxemburg ist auf Schwertransporte sowie Kran- und Montagelogistik spezialisiert. Am Beispiel eines Dampfkesseltransportes in die Ukraine belegte Günther nicht nur die Machbarkeit an sich. Mit dem ausgeklügelten Transportweg von Roth über die Donau und das Schwarze Meer bis in die Ukraine habe man »nahezu reibungslos, ohne Verzögerungen« die Ladung mit einer Länge von über 10m und einem Stückgewicht von 82t transportiert. Dabei habe die Route über Wasser rund 100.000€ eingespart. Entscheidend dabei sei eine »glasklare Kommunikation« zwischen den Beteiligten.

Ein Plädoyer für den Einsatz von Binnenschiffen in den küstennahen Bereichen hielt David Schütz von der Deutschen Binnenreederei (DBR). Diesen hat es zu DDR-Zeiten gegeben und es habe funktioniert. »Es ist nie was passiert«, so Schütz, der dabei an die eingesetzten Schiffstypen mit erhöhter Lukensüll erinnerte. Angesichts des Strukturwandels in der Binnenschifffahrt sollten solche Konzepte wieder aus der Schublade geholt werden, meinte Schütz. Die dafür benötigten Schiffseinheiten mit Leichter und Schuber mit speziellen Seekupplungen seien mit dem Stromschubschiff 27 noch vorhanden. Potenzial für entsprechende Projektladungen sei ab Rostock ausreichend gegeben.

Mit welchen kleinen Stellschrauben große Wirkung erzielt werden kann, dokumentierte Sascha Goldinger von der Spedition Kübler. »Wenn die Achsabstände mit einer gewissen Toleranz genehmigt werden, sind 50% der Anträge vom Tisch«, so der Transportexperte. Bislang sei es üblich, für einen Transport mehrfach Anträge zu stellen, da nicht immer klar sei, welche Fahrzeuge zum Einsatz kämen. Ein Teil der Anträge sei also immer für den Reißwolf. Das Argument erhöhter Kosten als Grund für einen Straßentransport ließ Goldinger nicht gelten. Allein die Kosten für die Begleitung eines GST lägen nicht selten im fünfstelligen Bereich. Diese könnten aber auf bestimmten Relationen und durch eine Kombination von Schiene und Wasserstraße auf nahezu null reduziert werden.

Oliver Spiller von der BLG aus Bremen legte die Relevanz des Umschlags von Projektladung für die deutschen Seehäfen dar. Für die Bremischen Häfen sei der Umschlag in diesem Segment von enormer Bedeutung. Daher müsse gewährleistet werden, dass die deutschen Häfen über Straße, Schiene und Wasserweg bestmöglich angebunden seien. »Mit den Westhäfen gibt es einen starken Wettbewerber«, erkannte Spiller starke Mitbewerber an Waal und Maas.

Für Markus Nölke vom spc liegt ein starker Hebel im Genehmigungsverfahren für Großtransporte. Dies müsse vereinfacht, verkürzt und vor allem verbindlich werden. Die lange und unbekannte Dauer von Genehmigungsverfahren führe zu Mehrfachanträgen, die zu einer Überlastung der Genehmigungsbehörden führten. Ferner müsse das Gesamtsystem berücksichtigt werden. Derzeit heiße »Straße beantragen – Straße bekommen.« Dabei gebe es oft große und unnötige Umwege, trotz sinnvoller Alternativen per Schiff oder Bahn. Natürlich müsse die Wasserstraße attraktiv für GST sein, damit sie sich dem Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern stellen könne.


Hermann Garrelmann