Umschlag der klassischen Art, Logistikdrehscheibe und Innovationstreiber – die Hafengesellschaft DeltaPort rüstet sich für die nächsten Jahrzehnte. Neue Konzepte sollen den erwarteten Ladungsrückgäng beim Massengut ersetzen
Seit 2016 ist Andreas Stolte Chef des Hafenverbundes am Zusammenfluss von Rhein und Lippe. Er setzt das Werk seines Vorgängers Jens Briese fort, unter dessen Leitung die drei Standorte in Wesel, Voerde und Emmelsum aus ihrem Schattendasein geholt wurden. Seither wurden viele Millionen Euro investiert, um die teils in die Jahre gekommene Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. Denn rund um die drei Häfen gibt es etwas, was an Rhein und Ruhr inzwischen rar geworden ist: ausreichend Platz für weitere Ansiedlungen.
Die Lage im Mündungsraum der Lippe gilt als überaus günstig: Die ZARA-Seehäfen sind über den Rhein ebenso gut zu erreichen wie die großen Binnenhäfen stromaufwärts. Mit dem Wesel-Datteln-Kanal gibt es den Zugang zum westdeutschen Kanalnetz. Über die A3, A57 und A31 sind die drei Häfen gut ans Straßennetz angebunden, das in diesem Teil Nordrhein-Westfalens noch vergleichsweise wenig durch ständige Staus belastet wird. So soll DeltaPort bei der Versorgung des nördlichen Ruhrgebiets eine wachsende, vielleicht sogar entscheidende Rolle spielen.
Mehr als fraglich ist allerdings, ob dies auch künftig noch mit klassischen und dabei vor allem mit den für die Binnenschifffahrt typischen Massengütern erfolgen kann. »Wir stehen vor einem neuerlichen Strukturwechsel«, sagt Stolte. Der Kohleausstieg wird erheblich an Umschlag kosten, so viel steht heute schon fest. Allein mit Containerladung, für die in Emmelsum das Terminal ausgebaut wird, dürfte sich das nicht auffangen lassen. »Wir brauchen also neue Ansätze und Substitute für schwindende Gütermengen«, sagt der Hafenchef.
»DeltaPort 4.0« heißt das interne Konzept, das für die kommenden Jahre die Richtung vorgibt. Dabei sei es in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen darum gegangen, Megatrends in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sowie Umwelt und Wissenschaft in konkrete Handlungsfelder für die Häfen zu übersetzen. Die lauten seither Mobilität, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. »Wir verzichten auf keine einzige Tonne aus dem etablierten Umschlag, aber wir wollen und müssen Impulse für zukunftsfähige Lösungen geben«, sagt Stolte.
Denn die Veränderungen, die durch politische Entscheidungen (Kohleausstieg) oder unsichere Wasserstände (Klimawandel) zu erwarten sind, treffen direkt das Kerngeschäft in den Häfen. »Daher müssen wir neue Chancen und Geschäftsmodelle ausloten.« Nicht allein, sondern möglichst mit leistungsfähigen und solventen Partnern.
Einer davon ist der Seehafen Rotterdam. Ziel der im vergangenen Jahr vereinbarten Kooperation ist es, das nordrhein-westfälische Hinterland besser anzubinden und Güter von den staubelasteten Straßen aufs Binnenschiff oder die Bahn zu verlagern. Ein besonderer Fokus richtet sich dabei auf die Kühllogistik. »da sehen wir ein großes Potenzial, Ladung generieren zu können« so Stolte. Denn bislang findet der Transport ausschließlich auf der Straße statt, immerhin 1/5 des gesamten Frachtvolumens.
Um lohnenswerte Mengen aufs Wasser zu bekommen, fehlt es allerdings an geeigneter Technik. Schiffe mit Reefer-Anschlüssen und ausreichender Motorenleistung wie auf See gibt es in der Binnenschifffahrt bislang nicht. Außerdem sollen die Schiffsdesigns in der Breite zulegen, um auch bei niedrigeren Wasserständen noch fahren zu können. »Aber daran arbeiten wir bereits«, versichert der Hafenchef. 2022 könnte die Idee »Fahrt aufnehmen«. Mehr Details lässt er sich vorerst nicht entlocken.
Das angedachte Logistikkonzept zwischen Niederrhein und Rotterdam wird von weiteren Projekten flankiert, die die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung erfassen. Ein verbesserter Daten- und Informationsaustausch entlang der gesamten Transportkette gehört dazu, um Effizienz und Transparenz zu erhöhen.
Unter dem Stichwort »EcoPort 813« soll außerdem das Abwärmepotenzial des im Hafen Emmelsum befindlichen Aluminiumwerkes von Trimet in einer Größenordnung von 136 GWh genutzt werden, um CO2-neutrale Energie zu erzeugen – für Kühlhäuser oder auch für Schiffe mit modernen Antriebssystemen aus Batterie und/oder Wasserstoff-Lösungen. Dafür wurde erst jüngst der Energieversorger E.ON mit ins Boot geholt. Auch Züge und Lkw könnten klimaneutral versorgt werden können. Der Zeithorizont reicht bis 2050.
Gemeinsam mit dem DST will DeltaPort zudem untersuchen, wie ein dezentrales Versorgungsnetzwerk auf dem Wasser aufgebaut werden könnte. Das Forschungsprojekt heißt »DeConTrans«. Im Kern geht es um kleine, neu entwickelte Schiffseinheiten, die Reaktivierung von Umschlagstellen im westdeutschen Kanalnetz und Mikro-Depots. Mit dabei ist auch das RIF – Institut für Forschung und Transfer – aus Dortmund. Das Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Krischan Förster