Die Digitalisierung bietet auch auf den deutschen Wasserstraßen die Chance, technische und prozessbezogene Innovationen einzuführen sowie Informationsflüsse und Abläufe in den Transportketten zu optimieren
Intermodale Transportketten befinden sich durch die Digitalisierung in einem umfassenden Veränderungsprozess. Die Binnenschifffahrt ist Teil dieser Transportketten. Prozesse wie beispielsweise eine lückenlose Nachverfolgbarkeit der Schiffseinheiten, die Echtzeit-Kommunikation und elektronische Dokumente zum Versand zwischen Binnenhäfen, Verlader, Speditionen und Seehäfen müssen zukünftig noch praxistauglicher und anwenderorientierter zur Verfügung stehen. .
Wie genau das als Teil einer umfassenden Digitalisierung in der Binnenschifffahrt erfolgen kann und welche Auswirkungen damit verbunden sind, wurde in diversen Studien und ersten Feldversuchen untersucht. So wurde unter anderen das Gesamtkonzept Elbe am 17. Januar 2017 verabschiedet. Im Mittelpunkt stehen die verkehrliche Nutzung der Binnenelbe sowie die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten, sie mit der Erhaltung des wertvollen Naturraums in Einklang zu bringen. Mit den beschriebenen Maßnahmen können nunmehr auch konkrete Vorhaben erarbeitet und umgesetzt werden, die sowohl wasserwirtschaftliche, verkehrliche als auch ökologische Wirkungen erzielen (www.gesamtkonzept-elbe.bund.de).
So wird zum Beispiel geprüft, in welchen Abschnitten durch Begegnungsverbote geringere Fahrrinnenbreiten ermöglicht werden. Für die Verkehrssteuerung gewinnen neben den bisher bekannten Verfahren der Selbstwahrschau (Meldung über Funk), insbesondere digitale Information mittels Automatischen Identifikationssystemen (AIS) zunehmend an Bedeutung.
Gleichzeitig können verbesserte Streckeninformationen durch River Information Services (RIS) den Schiffsführern helfen, die vorhandene Fahrrinne besser auszunutzen und damit die Wirtschaftlichkeit der Verkehre zu verbessern. Nicht zuletzt kann die fortschreitende Digitalisierung ebenfalls dazu beitragen, laufende Kosten zu senken. Beispielsweise durch die Einführung eines Schleusenmanagements oder digitaler Fahrrinnenbegrenzungen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Digitalisierungsbestrebungen sind unter anderen die Verfügbarkeit von Daten, die Kommunikationsbeziehungen zwischen den Akteuren und sich verändernde Geschäftsmodelle. Aktuell sind viele Akteure bereits in konkreten Vorhaben eingebunden und haben schon zahlreiche innovative Lösungen entwickelt. Auch die Binnenschiffer direkt sind vor allem durch die größeren Reedereien hier sehr aktiv.
Was jedoch fehlt, ist eine effiziente und effektive Einbindung der Partikuliere. Diese schrecken oft vor hohen Investitionen zurück. Allgemein stehen zudem oft Vorurteile gegenüber einem erweiterten Datenaustausch mit Geschäftspartnern digitalen Neuerungsprozessen im Weg.
Deshalb müssen Projekte initiiert werden, um die Möglichkeiten und Vorteile der Digitalisierung für die einzelnen Akteure und die Binnenreedereien sowie Häfen im Besonderen umfassend zu erproben und zu demonstrieren. Hierzu zählen die bessere Planbarkeit von Prozessen, niedrigere Prozesskosten oder höhere Auslastungen.
Zudem können Digitalisierungsmaßnahmen einen Beitrag dazu leisten, den Schiffsverkehr und den Transport auf Wasserstraßen trotz infrastruktureller Restriktionen (z.B. bessere Fahrrinnentiefenausnutzung durch aktuellere Daten) effizienter und damit auch intermodal wettbewerbsfähiger zu gestalten. Die Anforderungen an die technischen Komponenten sind jedoch, unter anderem durch die vielen Partner mit ihren heterogenen Bedarfen, komplex und erfordert die Beteiligung aller Akteure.
Gleichzeitig müssen Projekte das Ziel verfolgen, neben den technischen Möglichkeiten auch Veränderungen an Geschäftspraktiken beziehungsweise -modellen zu untersuchen und im Idealfall positive Auswirkungen zu demonstrieren. Dies ist die Grundvoraussetzung für die Steigerung der Investitionsbereitschaft. Aus diesem Grund werden derzeit Ausschreibungen und Projektskizzen vorbereitet, derartige Testfelder aufbauen zu können.
Gleichzeitig haben sich Konsortien gebildet, um Testfelder auszugestalten und geeignete Lösungen zu präsentieren. Dies war bereits Gegenstand der Empfehlungen im Gesamtkonzept Elbe. Als Teil einer digitalen Strategie sollen unterschiedliche Projekte zusammengeführt werden, zum Beispiel in Form eines digitalen Testfelds. Die Elbe verfügt aus unterschiedlichen Gründen über eine hohe Eignung als Testfeld. Damit kann der Einsatz neuer Technologien beziehungsweise digitaler Lösungen zeit- und realitätsnah erprobt werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass es im zweiten Halbjahr dieses Jahres zu konkreten Projekten und Testfeldern kommen wird.
Jan Ninnemann, Hanseatic Transport Consultancy
Stefan Breitenbach, Hafen Hamburg Marketing
Mike Wäsche, tti Technologietransfer und Innovationsförderung Magdeburg