Wegen der anhaltenden Coronavirus-Krise werden die Betriebszeiten an den Schleusen reduziert. Das Personal soll in einem »Kernnetz« konzentriert werden. Das Gewerbe warnt vor unnötigen Engpässen
Durch krankheitsbedingte Personalausfälle werde es zunehmend schwieriger, das Netz der Bundeswasserstraßen betriebsfähig zu halten, heißt es bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) des Bundes. Um den Kollaps zu verhindern, werden die bisher üblichen Betriebszeiten an den Schleusen ab sofort reduziert. Besonders betroffen davon sind Nachtschleusungen.
»Ziel ist es, die Wasserstraßen in den nächsten Monaten – wenn auch zeitlich eingeschränkt – für den Schiffsverkehr möglichst weitgehend verfügbar zu halten«, heißt es bei der GDWS. Verfügbares Personal soll deshalb auf ein »Kernnetz« konzentriert werden, um für Notsituationen ausreichende Personalreserven aufzubauen.
Was aber genau ist mit »Kernnetz« gemeint? Die vor Jahren vorgenommene Bewertung hatte die deutschen Wasserstraßen unter Berücksichtigung der Verkehrsprognosen in vier Kategorien eingeteilt (siehe Karte). Demnach bilden Flüsse und Kanäle der Kategorien A bis C das Kernnetz. Bei der Festlegung der eingeschränkten Schleusenzeiten aber galten offenbar noch andere Faktoren.
Während an allen Seehafenzufahrten und im Nord-Ostsee-Kanal (NOK) der 24/7-Betrieb so lange wie möglich uneingeschränkt aufrecht erhalten werden soll, heißt es zu den Wasserstraßen im Hinterland wörtlich: »Im Binnenbereich sind die Betriebszeiten hinsichtlich der Bedeutung der Wasserstraßen in Bezug auf Standorte der Chemieunternehmen, mineralölverarbeitenden Industrie, der Kraftwerke sowie an den Containerdiensten anzupassen …« (einen Überblick gibt die Tabelle auf Seite 8).
Daraus geht hervor, dass am Rhein und im Wesel-Datteln-Kanal (Friedrichsfeld bis Dorsten) vorerst keine verkürzten Öffnungszeiten der Schleusen geplant sind, sie also an sieben Tagen 24 Stunden lang offen bleiben. Aber schon im restlichen Teil des westdeutschen Kanalnetzes (RHK, WDK Flaesheim bis Datteln, DHK, DEK-Südstrecke) gibt es künftig die Verkürzung auf 16 Stunden. Das gilt auch für Mosel, Main, Main-Donau-Kanal und Neckar sowie für die Binnenelbe bis Geesthacht, den Elbe-Seitenkanal (ESK) und den Mittellandkanal (MLK).
Lediglich noch 10 Stunden bleiben künftig die Schleusen an der Saar, an der Donau, an der Weser bis zum Mittellandkanl, am Dortmund-Ems-Kanal (Nordstrecke), am Elbe-Lübeck-Kanal (ELK), am Küstenkanal sowie an sämtlichen Wasserstraßen im Großraum Berlin (EHK, UHW, OHW, HOW) geöffnet.
Gütermengen überall rückläufig
Der Betrieb an den Wasserstraßen außerhalb des Kernnetzes soll für 8 Stunden aufrecht erhalten werden, »solange das dort eingesetzte Personal nicht für dringendere Aufgaben erforderlich ist«, heißt es weiter.
Eine Ausnahme gibt es für wichtige Sondertransporte oder Überführungsfahrten. Diese sollen bei rechtzeitiger Anmeldung in Einzelabstimmung auch außerhalb der eingeschränkten Betriebszeiten ermöglicht werden, teilt die GDWS mit. Und noch einen Zusatz gibt es: »Die Regelungen werden bei Bedarf fortgeschrieben.«
Damit werden die Auswirkungen der Coronavirus-Krise und der behördlich verfügten Einschränkungen auch in der Binnenschifffahrt und in den Binnenhäfen immer deutlicher spürbar. Nach Angaben des BDB ist bereits ein deutlicher Rückgang der Ladungsmengen – etwa im Mineralöl-, Chemie-, Stahl-, Kraftwerks- oder Agrarbereich – zu verzeichnen. Auch der Containertransport sei stark rückläufig und werde frühestens nach Ostern wieder an Fahrt aufnehmen.
Personal aus dem Ruhestand?
BDB-Präsident Martin Staats zeigt zwar Verständnis für die Einschränkungen, stellt aber auch Forderungen: »Wir erwarten, dass der Staat allergrößte Anstrengungen unternimmt, damit die Infrastruktur in größtmöglichem Ausmaß auch weiterhin zur Verfügung steht.« Er schlägt vor, Schleusenwärter aus dem Ruhestand zurückzuholen.
Es sei richtig und sinnvoll, in dieser außergewöhnlichen Krisensituation die Kräfte in einem »Kernnetz« der für die Wirtschaft relevanten Flüsse und Kanäle zu bündeln. »Aber Beschränkungen der Schleusenzeiten, die mehrere Stunden am Tag umfassen, stellen die Schifffahrt und ihre Kunden vor zusätzliche große Herausforderungen.«
Krischan Förster