Über die Binnenschifffahrt rollt derzeit eine Konsolidierungswelle hinweg, die das Machtgefüge gravierend verschiebt: Die HGK verleibt sich Imperial Shipping ein, Rhenus übernimmt die Binnenreederei, Contargo baut mit einer Übernahme die Präsenz im Fahrtgebiet Benelux weiter aus, in den Niederlanden schluckt die größte Genossenschaft NPRC die kleinere Aqua Navis.
Die Gründe für diese Fusionen mögen sich im Detail unterscheiden, ein Ziel aber eint die neu entstehenden Schwergewichte der Branche zweifelsfrei: Die Expansion vergrößert Marktanteile und Fahrtgebiete. Und damit wächst, idealerweise, auch die wirtschaftliche Potenz.
Mit Blick auf die jüngere Entwicklung der Binnenschifffahrt ergeben diese Konsolidierungsbemühungen durchaus Sinn. Die allgegenwärtige Coronakrise kann zwar kaum als Auslöser herhalten. Denn als die Pandemie ausbrach, wurde längst verhandelt. Bei Imperial und der polnischen OT Logistics war es vielmehr die Unlust der vorherigen Eigner, weiter Binnenschiffe zu betreiben. Und bei NPRC und Contargo lassen sich die Übernahmen eher mit einer strategischen Ausweitung des Einflussgebietes begründen.
Und doch ist es am Ende in allen Fällen eine Reaktion auf eine latent krisenhafte Situation im Gewerbe, das seit Jahren und trotz seiner unbestrittenen Vorzüge im Vergleich der Verkehrsträger nicht etwa Marktanteile gewinnt, sondern eher stagniert oder sogar verliert. Die Auswirkungen der ständig wiederkehrenden Wetterkapriolen mit dem historischen Niedrigwasser von 2018 und auch der aktuellen Trockenperiode sind da nur ein, wenn auch nicht geringer Faktor.
Die stark segmentierte Binnenschifffahrt droht gegen die weitaus größere und finanzstärkere Konkurrenz von Lkw und Bahn, letztere auch noch vom Staat großzügig alimentiert, weiter ins Hintertreffen zu geraten. In immer stärker vernetzten Transportketten greifen immer ausgefeiltere Logistikkonzepte, die oft mit Hilfe von neuen, digitalen Anwendungen aufgezogen werden.
Die unter einem immensen Investitionsstau und vielfach mangelnder politischer Unterstützung leidende Binnenschifffahrt kann allen Anstrengungen zum Trotz (noch) nicht in ausreichendem Maße mithalten. Weitere Einbußen sind zudem durch rückläufige Mengen bei wichtigen Transportgütern wie Kohle oder Mineralöl vorprogrammiert.
Die Coronakrise hat die Situation noch einmal in doppelter Weise verschärft – zum einen durch die gravierenden wirtschaftlichen Folgen, zum anderen, weil sie zum Handeln und zu einer Neuausrichtung zwingt – oder eben zur Konsolidierung. Durch die Fusionen werden Unternehmensverbünde geschaffen, die sich künftig mit deutlich mehr Marktmacht, Finanzkraft und Innovationsdrang ins Wettbewerbsgetümmel stürzen können. Und die dank ihrer Größe und Systembedeutung auch politisch nicht ignoriert werden können – wenn sie denn, möglichst gemeinsam, ihre Stimme erheben.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Krischan Förster