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Durch den verstärkten Einsatz technischer Geräte steigt mitunter auch die Versicherungssumme. Die Schäden gehen zwar weiter zurück, wenn aber ein Schadensfall gemeldet wird, sind meist hohe Geldbeträge im Spiel

Die Anzahl der bei der Vereinigten Schiffs-Versicherung (VSV) versicherten Fahrzeuge ist in den vergangenen zehn Jahren nahezu konstant geblieben. »Wir sind weiterhin mit einem Marktanteil von 30% bei den Gütermotorschiffen stark auf dem deutschen Markt vertreten«, sagt Detlef Kohlmeier, Vorstandsvorsitzender der VSV. Bei den Tagesausflugsschiffen habe man diesbezüglich die Position sogar noch leicht ausbauen können, sodass etwa 1/3 der deutschen Schiffe bei der VSV versichert ist. »Verschweigen will ich aber auch nicht, dass die Anzahl der Trockengüterschiffe in den vergangen zehn Jahren um rund 15% gesunken ist, während die Flotte der Fahrgastschiffe um 6% angewachsen ist«, so Kohlmeier. In absoluten Zahlen verzeichne die VSV bei den Gütermotoschiffen also leichte Rückgänge, während man sich bei den Fahrgastschiffen »über beständige Zuwächse« freuen könne.

Eine Sondersituation nehmen die Tankschiffe ein, aufgrund der Umstellung von Ein- auf Doppelhülle. Viele der Kunden hätten diesen Wechsel, teils aus Alters- oder finanziellen Gründen, nicht vollzogen, berichtet Kohlmeier. Dafür seien allerdings die durchschnittlichen Versicherungswerte der einzelnen Objekte in diesem Segment deutlich angestiegen. Insgesamt sei der Markt stabil.

Insbesondere der Wunsch nach einem umfassenderen Versicherungsschutz sei zuletzt gestiegen. Während in früheren Jahren die Kasko/Haftpflicht- und Effektenversicherung zumeist als ausreichend angesehen wurde, sei eine Maschinenversicherung heute nahezu selbstverständlich. Auch andere Risiken wie Ausfall (loss of hire), Elektronik und Autokran gehörten mittlerweile fast schon zum Standard, so die VSV.

Das habe dazu geführt, dass die Anzahl der Verträge in den letzten Jahren kontinuierlich auf aktuell mehr als 2.200 gestiegen sei. Das Versicherungspaket wird auf jedes Mitglied individuell abgestimmt. »Nicht jedes Produkt, das wir anbieten, ist im Einzelfall für den Kunden unbedingt notwendig. Hier kommt es ganz wesentlich auf die finanzielle Situation des Partikuliers oder aber zum Beispiel von Drittinteressen, wie einer finanzierenden Bank, an. Unser Vorteil als Verein auf Gegenseitigkeit ist, dass wir ausschließlich im Interesse des Mitglieds arbeiten können und nicht die Gewinnerwartungen irgendwelcher Aktionäre erfüllen müssen«, sagt der VSV-Vorstandschef.

In diesem Zusammenhang habe sich auch das seit Jahrzehnten bewährte Prinzip der Betreuung vor Ort bewährt. Mit Büros in Hannover sowie Wörth am Main und Duisburg sei man jederzeit in der Lage, schnell beim Kunden zu sein. Das Neukundengeschäft basiert nahezu ausschließlich auf Empfehlungen eigener Mitglieder. Dadurch könne man mit deutlich niedrigeren Verwaltungskosten als die Mitbewerber kalkulieren.

Zahl der Schäden geht zurück

Die Anzahl der gemeldeten Schäden sei in den vergangenen zehn Jahren trotz gestiegenen Vertragszahlen deutlich rückläufig, berichtet Kohlmeier. Diese Tendenz habe sich auch im laufenden Jahr bestätigt. Im Gegensatz dazu hätten sich aber die durchschnittlichen Kosten je Schadenfall seit 2009 um rund 40% erhöht.

Auch für das laufende Geschäftsjahr rechnet die VSV mit weiterhin steigenden Schadenaufwendungen. Kollisionen zwischen Schiffen, mit Schleusen­toren, aber auch abgefahrene Steuerhäuser und ­Motorenschäden verursachten oftmals Kosten im fünf- bis sechsstelligem Bereich und zählten daher zur Kategorie der Großschäden. Leider sei dieser Trend unverändert.

Eine große Rolle spielt der VSV zufolge die Tatsache, dass es immer weniger Reparaturbetriebe gibt, diese oftmals sehr gut ausgelastet sind und entsprechend wenig Verhandlungsspielraum bei den Preisen vorhanden ist. Die steigenden Lohnkosten in den vergangenen Jahren hätten ein Übriges getan. Nicht zuletzt führe aber auch die technische Entwicklung in der Binnenschifffahrt, die auch zu höheren Versicherungssummen beigetragen habe, zu gestiegenen Kosten im Schadensfall. Beispielhaft sei hier die Ausrüstung der Steuerhäuser zu nennen: Radar, Funk, PC, um nur einige technische Geräte aufzuzählen, aber auch die bauliche Ausstattung, wie zum Beispiel die Mehrfachverglasung. »Alu anstelle von Holz führt im Versicherungsfall zu höheren Aufwendungen«, sagt Kohlmeier.

Die Art der Schäden hat sich nur wenig verändert, sie reicht von Defekten an der Antriebsanlage, über Kollisionen bis hin zu Bränden, wobei Propellerschäden nach Angaben der VSV noch immer das häufigste Risiko darstellen.

Für den Versicherungsexperten spielen Ausbildung und Erfahrung auch im Hinblick auf die Schadenentwicklung nach wie vor eine wichtige Rolle. Hinzu kommen oftmals sprachliche Probleme, die gefährliche Situationen im Schiffsverkehr hervorrufen können. »Wir würden uns wünschen, dass sich die Personalsituation auf den Schiffen verbessert. Doch die Realität sieht anders aus«, so Kohlmeier. Der Beruf des Binnenschiffers sei für viele, aus unterschiedlichen Gründen, derzeit nicht so attraktiv, wie er sein müsste, um über entsprechenden Nachwuchs zu verfügen. Mit Hilfe einiger guter Projekte würden die Verbände aber bereits an einer Verbesserung der Situation arbeiten.

Während früher oftmals lange Frostperioden die Schifffahrt zum Erliegen brachten und auch Hochwasser teilweise den Schiffsverkehr stoppten, musste das Gewerbe in der jüngeren Vergangenheit vermehrt mit Niedrigwassersituationen kämpfen. Die VSV habe auf diese außergewöhnlichen Lagen immer schnell und aus eigener Verantwortung mit Stillliegegutschriften oder anderen Maßnahmen und Hilfen reagiert, sagt Kohlmeier.

Als aktuelles Beispiel nennt er die existenzbedrohende Situation der Fahrgastschifffahrt durch die Corona-Pandemie. Gleich nach dem Lockdown im März habe man sich überlegt, wie man die Mitglieder unterstützen könnte. Für viele sollte die Saison nach der Winterpause gerade erst starten, die letzten Einnahmen wurden teilweise im Oktober erzielt. »Wir haben daraufhin bereits am 24. März allen Kunden mitgeteilt, dass wir die Beiträge bis auf weiteres stunden werden. Gleichzeitig haben wir Stillliegegutschriften gewährt, dass heißt Beiträge reduziert – das alles aus eigenem Antrieb«, so Kohlmeier. Auch würden noch allen Betrieben die Beiträge gestundet.

Mit einer Art Pandemieversicherung rechnet der Versicherungsexperte unterdessen nicht. Als Grund führt er an, dass die finanziellen Risiken und Wahrscheinlichkeiten, mit denen alle Versicherer weltweit Beiträge kalkulierten, derzeit nicht überschaubar seien. Auch will die VSV das Versicherungsangebot, Stand heute, nicht ausweiten. »Wir betreiben das Geschäft der Schiffsversicherung seit über 165 Jahren. Die Risiken für die Schifffahrt wie Kollisionen, Naturgewalten, Brände etc. waren damals wie heute die gleichen. Verändert haben sich eher die rechtlichen Bedingungen, sprich Haftungsvorschriften und Haftungssummen usw. Auf diesen fortlaufenden Prozess haben wir in der Vergangenheit immer rechtzeitig und oftmals schon im Vorfeld reagiert, zum Beispiel durch unsere Mitarbeit in den entsprechenden Gremien der Interessenverbände. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern«, sagt Kohlmeier.

Steigendes Risiko

Nicht zuletzt wegen stetig steigender Umweltanforderungen steht die Schifffahrt von umfassenden Veränderungen – insbesondere im Antriebsbereich. Darauf habe man sich als Versicherer eingestellt. Seien es die neuen Motorengenerationen mit Abgasnachbehandlung oder elektrische Antriebe bei neuen Fahrgastschiffen. »Versicherungsschutz können wir in jedem Fall bieten«, betont der VSV-Vorstandsvorsitzende. Einen Rabatt für besonders umweltfreundliche Antriebe wolle man aus Gleichbehandlungsgründen jedoch nicht einräumen. Denn: Mit den neuen Techniken seien gegebenenfalls auch größere Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden. Auch höhere Versicherungssummen durch die aufwändigere Technik müssten demnach in die Beitragskalkulation einfließen. »Versicherung bedeutet immer die Verteilung der Risiken auf alle und zwar in einem fairen Verhältnis. Boni oder Ähnliches sollten, wenn es politischer Wille ist, dann auf dieser Schiene gewährt werden«, sagt Kohlmeier.

Die VSV hat nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren über 2,5Mio. € an ihre Mitglieder ausgeschüttet. Auch in diesem Jahr könnten sich die Kunden über eine um 3% reduzierte Beitragsrechnung freuen, kündigt Kohlmeier an.


Thomas Wägener