Experten entwickeln Szenarien, wie mit geeigneten Maßnahmen den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserstraßen begegnet werden könnte. Denn besonders betroffen wäre der Niederrhein als wichtigste Transportstrecke für die Binnenschifffahrt
Bis Ende des Jahrhunderts ist mit erheblichen Änderungen der Umwelt- und Wirtschaftsbedingungen an den großen Flüssen in Deutschland zu rechnen, wenn globale Klimaschutzmaßnahmen nur unzureichend ergriffen werden. Aktuelle Ergebnisse der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) zeigen die besonders betroffenen Flussabschnitte, wo dringlicher Anpassungsbedarf besteht oder entstehen könnte.
Die BfG hat nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Jahren mit Partnerbehörden detaillierte Modelle entwickelt und dabei neueste Klimaszenarien genutzt. Ein untersuchtes Szenario unterstellt, dass die globalen Klimaschutzmaßnahmen zu gering ausfallen, was bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um bis zu 5° C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter führen würde.
Die Auswertungen legten nahe, dass intensivere Hochwasserereignisse die Verkehre auf Schiene, Straße und Wasserstraße stark beeinträchtigen könnten, so die Wissenschaftler vom BfG. Ebenso hätte aber die Binnenschifffahrt aber auch unter längeren Niedrigwasserphasen zu leiden.
Noch einen Schritt weiter geht der Chef der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Christoph Heinzelmann: »Als Folge des Klimawandels kann auf längere Sicht das Szenario, das wir im zweiten Halbjahr 2018 beim extremen und lang anhaltenden Niedrigwasser erlebt haben, zum Regelfall werden.« Betroffen wäre aber unter anderem der verkehrlich bedeutsame Niederrhein. Die Projektionen weisen für den Pegel Duisburg-Ruhrort bei einem »Weiter-wie-bisher«-Szenario eine Verdopplung der Tage unter dem Niedrigwasserschwellenwert aus. Am Rhein-Pegel Kaub könnten die kritischen Schwellenwerte dann an 22 bis 48 Tagen im Jahr unterschritten werden. »Das kann die Logistikbranche künftig vor beträchtliche Herausforderungen stellen«, befürchtet BfG-Wissenschaftler Enno Nilson. Daher müssten Anpassungsmaßnahmen für das Verkehrssystem ergriffen werden.
Nach Ansicht von BAW-Chef Heinzelmann sind mehrere Handlungsoptionen denkbar, die auch kombiniert werden könnten: kleinere und leichtere Schiffe, bessere Wasserstandsvorhersagen, flussbauliche Anpassungsmaßnahmen wie Buhnen, die Verfüllung von Übertiefen ebenso wie ein Sohleabtrag durch Baggerungen.
Für den Mittelrhein zwischen Mainz und St. Goar habe die BAW das Konzept »Niedrigwasserkorridor« entwickelt, erläuterte Heinzelmann jüngst bei einem Symposium. Bei klimabedingt geringeren Niedrigwasserabflüssen seien wirtschaftliche Schiffstransporte künftig dann weiter möglich, wenn die Fahrrinne nicht über die gesamte Breite vertieft und natürlich vorhandene Übertiefen genutzt werden. Diese reduzierte Breite könne nochmals verringert werden, wenn der Niedrigwasserkorridor nicht für den Begegnungsfall, sondern für die Richtungsfahrt dimensioniert werde. Maßgebend hierfür sei die Fahrt zu Berg, da dabei die dynamische Einsinktiefe der Schiffe größer sei als in der Talfahrt. Für dieses Szenario seien nur etwa 30 % der heutigen Fahrrinnenbreite erforderlich.
Nach Angaben der BfG präzisieren und erweitern die Forschungsarbeiten im Rahmen des BMVI-Expertennetzwerks die Ergebnisse des Klimafolgenforschungsprogramms KLIWAS von 2015 zu Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schifffahrt. Die Erkenntnisse und Methoden würden künftig durch den DAS-Basisdienst »Klima und Wasser« operationalisiert und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht, teilte die BfG mit.