Keine Frage, das Land steht vor gewaltigen Herausforderungen. Erst Corona, dann die Folgen des Ukraine-Krieges, jetzt die Energiekrise, dazu eine steigende Inflation und eine drohende Rezession.
Um soziale Härten abzufedern und die Wirtschaft am Laufen zu halten, wendet der Staat aberwitzige Milliardensummen auf, seit zwei Jahren schon. Das gilt es in der Bewertung der abschließenden Haushaltsberatungen im Bundestag zu bedenken. Kein Geldreservoir ist unendlich, also muss priorisiert werden. Soweit verständlich.
Aber auch in schwierigen und für das Land teuren Krisenzeiten gilt es Entscheidungen zu treffen, die über die aktuellen Nöte hinausreichen. Beim Verkehrsetat, zum Beispiel. Bis zuletzt ist um die Verteilung der Mittel gerungen worden. Doch alle Hoffnungen, die geplante Kürzung des Budgets für die Wasserstraßen noch verhindern zu können, haben sich leider zerschlagen. Es sind und bleiben 350 Mio. € weniger als noch in diesem Jahr. Zu Recht wird dieses Ergebnis als »katastrophal« bezeichnet, weil dieses Geld für eigentlich dringend benötigte Ausgaben fehlen wird. Der Investitionsstau wird nicht gemildert, sondern verschlimmert. Ganz anders bei der Bahn, der Politik liebstes Kind. Dort gibt es mal wieder einen satten Milliarden-Nachschlag.
250 Mio. € zusätzlich könnten auf Beschluss der Parlamentarier noch ins »nasse« System fließen, aber nur dann, wenn es für Straße und Schiene nicht gebraucht wird. Der eine oder andere Vertreter der Verbände wertete diese Entscheidung sogar als Erfolg, dabei ist es nur ein ganz schwacher Trost. Erstens weiß niemand, ob und wann dieser Fall eintritt und wie viel es am Ende sein könnte. Das letzte Wort hat das Bundesverkehrsministerium. Und zweitens ist es so, als ob ein Unfallchirurg nur ein kleines, buntes Kinderpflaster bei der Hand hätte, um eine tief klaffende Wunde zu bedecken.
Der gewaltige Bedarf für Reparatur und Ausbau einer in vielen Teilen maroden Infrastruktur ist, nicht zuletzt an dieser Stelle, ausreichend oft angesprochen worden. Es sei an dieser Stelle auch noch einmal an den Masterplan Binnenschifffahrt erinnert, der vor mittlerweile dreieinhalb Jahre präsentiert wurde: Nicht weniger als eine Verdopplung des Anteils der Binnenschifffahrt am Transportaufkommen wollte der damalige Amtsinhaber Scheuer erreichen. Dieses Ziel ist so weit entfernt wie eh und je.
Denn in der Realität dominiert im sogenannten Modal Split mit großem Abstand der Lkw, die Bahn kann wenigstens leicht zulegen, die Binnenschifffahrt hingegen kommt mit ihren 6,9 % nicht vom Fleck. Eine »grüne« Verkehrswende, die mit einer signifikanten Verkehrsverlagerung von Land aufs Wasser einhergehen sollte, sieht nun wirklich gänzlich anders aus. Insofern ist trotz der vielen aktuellen Nöte und Sorgen wieder einmal eine gute Gelegenheit verpasst worden, politisch einen wichtigen Impuls zugunsten des einzigen Verkehrsträgers zu setzen, der noch Kapazitäten für umweltfreundliche Transporte frei hat.