Wie sehr haben wir uns vor einem Jahr gewünscht, die Welt möge wieder zur Normalität zurückkehren – nach zwei Jahren Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen. Und dann kam der Krieg. Mitten in Europa, mitten im 21. Jahrhundert, überfällt Russland die Ukraine. Und nichts ist mehr wie es einmal war.
Eine Rückkehr zur Normalität, wird es so schnell nicht geben. Bei all dem Leid, das dieser Krieg über die Menschen in der Ukraine bringt, legt er zugleich die Fehler deutscher Politik der vergangenen Jahre offen. Deutschland hat sich in puncto Öl- und Gasimporte von Russland abhängig gemacht. Zeitgleich hat man die Energiewende »schleifen lassen«. Das rächt sich. Die Energiepreise gehen durch die Decke. Alternative Energiequellen fehlen und müssen erst erschlossen werden.
Zu den hohen Energiepreisen kommen Schwierigkeiten in den Lieferketten. Die gab es pandemiebedingt bereits vor dem Krieg. Was jetzt dazu kommt, sind fehlende Güter aus der Ukraine. Entweder fehlen sie als Ladung und/oder als Rohstoff. So fallen beispielsweise Stahl-Importe aus ukrainischer Produktion weg, was wiederum zur Materialknappheit und höheren Preisen führt. Ein Problem, das insbesondere die Werften trifft.
Und während sich die Welt mit dem Krieg und seinen Folgen beschäftigt, schreitet der Klimawandel voran. Zuletzt war das im vergangenen Sommer unter anderem am Rhein zu beobachten, wo die Pegel auf historische Tiefstwerte absackten.
Das Gewerbe hat seine Lehren aus dem Niedrigwasser 2018 gezogen und konnte trotz niedriger Wasserstände die Lieferketten am Laufen halten. Doch was ist mit der Politik – hat sie ihre Hausaufgaben gemacht? Tut sie genug, um die Folgen des Klimawandels aufzuhalten? Angesichts der Budget-Kürzungen, die der Bund für 2023 bei den Wasserstraßen vornimmt, könnte man denken, er habe die eigenen Umweltziele aus den Augen verloren.
Das Binnenschiff ist und bleibt eines der klimafreundlichsten Transportmittel. Es kann mehr laden als ein Lkw und verstopft nicht die Straßen. Und was macht Berlin? Kürzt die Gelder für die Wasserstraßen um 350 Mio. € – obwohl doch die Bundesregierung die EU-Klimavorgaben übertreffen will und eine CO?-Neutralität bereits bis 2045 anpeilt. Unter solchen Voraussetzungen rücken die ambitionierten Ziele eher in weite Ferne. Dem Gewerbe kann man dies jedenfalls nicht ankreiden.
Für die Modernisierung von Motoren und Antrieben wurden mehr Mittel beantragt als 2022 überhaupt zur Verfügung standen, obwohl der Fördertopf auf 50 Mio. € aufgestockt wurde. An welchen Stellen in der Bundespolitik außerdem nachjustiert werden sollte, ist in den Gastbeiträgen der wichtigen Verbände in dieser Ausgabe nachzulesen. 2023 wird, so viel steht heute schon fest, ein ebenso spannendes wie herausforderndes Jahr.