Plädoyer für die Wasserstraße Oder

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Bei einer deutsch-polnischen Konferenz wird das Potenzial des Flusses diskutiert

und neben Investitionen eine bessere Anbindung an das deutsche Verkehrsnetz gefordert

Zu der Konferenz hatte das polnische Ministerium für maritime Wirtschaft und Binnenschifffahrt, das Binnenschifffahrtsamt Wroclaw (Breslau), die Wojewodschaft Niederschlesien, die Technische Universität Wroclaw (Breslau) und die Kammerunion Elbe/Oder (KEO) eingeladen. Eine besondere politische Wertschätzung fand die Veranstaltung durch die Anwesenheit der Vizeministerin Anna Moskwa aus dem Ministerium in Warschau, des Verkehrsministers von Sachsen-Anhalt, Thomas Webel, und der Staatssekretärin aus dem Infrastruktur- und Verkehrsministerium des Landes Brandenburg, Ines Jesse.

Mosel als Vorbild

Der Leiter des Binnenschifffahrtsamtes in Wroclaw/Breslau, Jan Pys, setzt sich ganz besonders für die Wiederherstellung des Flusses Oder als Transportweg ein und unterbreitete als Moderator der Veranstaltung folgende Vorschläge:

• Analog zur Mosel-Kommission, die von Deutschland, Frankreich und Luxemburg getragen wird, sollte auch die Oder eine Kommission erhalten, an der sich Polen, Deutschland und Tschechien beteiligen.

• Die Lobby-Arbeit in Brüssel solle mittels dafür gewonnener Parlamentarier verstärkt werden

• Der Prozess der Wiederherstellung der Schifffahrt auf der Oder sei wirtschaftlich und wissenschaftlich zu begleiten.

Brandenburgs Verkehrsstaatssekretärin Ines Jesse hob die Bedeutung des Gemeinsamen Zukunftskonzeptes für den deutsch-polnischen Verflechtungsraum hervor, indem sie ausführte: »Der deutsch-polnische Verflechtungsraum liegt im Netz der europäischen Verkehrskorridore. Das eröffnet uns die Chance, mehr als bisher vom Seehafen-Hinterlandverkehr zu profitieren. Der vom Bund zu finanzierende Ausbau der Oder-Havel-Wasserstraße und des Schiffshebewerks Niederfinow ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn er denn erfolgt.«

Das Ministerium für maritime Wirtschaft und Binnenschifffahrt der Republik Polen (MGMZS) betonte in einer Mitteilung: »Das Treffen war eine Gelegenheit, die Herausforderungen und Chancen zu diskutieren, die mit der Entwicklung des Wasserweges Oder für die Wirtschaft der Region verbunden sind.«

Eines der Hauptthemen der Konferenz war die Entwicklung des intermodalen Verkehrs, der aus polnischer Perspektive Potenzial für die Oderregion darstellt. Die Veranstaltung endete mit der Unterzeichnung einer »Initiative für die Oder«, die die Unterstützung der Regionen und die Erwartungen für die Entwicklung der Binnenschifffahrt auf der Oder ausdrückt.

Darin heißt es unter anderem: »Wir vertreten den Standpunkt, dass die Entwicklung der Oder, vor allem in den Grenzverläufen, für die wirtschaftliche Annäherung benachbarter Regionen und Staaten eine Schlüsselbedeutung hat. Es sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Binnenschifffahrt nicht nur für den internationalen Warenaustausch einen wesentlichen Beitrag leistet, sondern ebenso eine nachhaltige Verbesserung touristischer Wertschöpfungsprozesse in den Regionen zu bewirken vermag. Gleichzeitig werden durch die Entwicklung von Wasserstraßenkorridoren und Binnenschifffahrt nicht nur hohe Umweltstandards aufrechterhalten. Sie werden sogar gefördert.«

Der Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Stromgebietes von Oder und Havel (OHV), Gerhard Ostwald, forderte im Anschluss der Konferenz:

• Investitionsvorhaben mit dem Ziel, einen barrierefreien Passagier- und Warenverkehr zu ermöglichen,

• Umsetzung des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes, Abfluss- und Schifffahrtsverhältnisse,

• Berücksichtigung der Oder als Bestandteil von internationalen Verkehrsnetzen und Projekten,

• Schaffung günstiger Bedingungen für die Modernisierung von Binnenschifffahrtsflotten sowie für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Investoren im Einzugsbereich der Oder;

• Stärkung der Kooperation im Bereich Studien und Untersuchungen zur Schiffbarkeit der Oder sowie komplementärer Schifffahrtssicherheitssysteme;

• Förderung der Zusammenarbeit zwischen binnenschifffahrtsspezifischen Bildungseinrichtungen.

Polen identifiziert Potenzial

Auf polnischer Seite hatte es bei einer Landeskonferenz, ebenfalls in Wroclaw, erste Schritte gegeben. Eine Modellierung der Wasserstraße Oder habe das Potenzial von Investitionen aufgezeigt. Betrachtet worden war der Oder-Abschnitt von Kedzierzyn-Kozle bis zur Mündung der Lausitzer Neiße. Die Identifizierung potenzieller neuer Wirtschaftsstandorte an der Oder eröffne eine neue Diskussionsstufe bei Vertretern von Kommunen und Unternehmen sowie den für die Investitionen zuständigen staatlichen Stellen. Dieser Dialog werde in den kommenden Monaten fortgesetzt, kündigte das polnische Ministerium an.

Verkehrsprojekt 17 als Blaupause?

Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel begrüßte die polnische Initiative, die im Einklang stehe mit den Festlegungen des Gesamtkonzeptes Elbe, weil sich Elbe und Oder nur unwesentlich unterscheiden. Er verwies darauf, dass mit dem Projekt 17 nun mittlerweile von der Elbe bis Berlin eine durchgehend wirtschaftlich nutzbare Wasserstraße existiere, auf der sich die Verkehre sehr gut entwickelten. Im europäische Sinne wäre es erforderlich, dieses Projekt 17 von deutscher Seite über den Oder-Spree-Kanal Richtung Schlesien und über den Oder-Havel-Kanal Richtung Stettin wirtschlich an die Oder anzuschließen.

Martin Bock, Geschäftsführer der AGRAVIS FGL-Standorte von Fürstenwalde, Schwedt und Riesa, gleichzeitig auch Geschäftsführer der Reederei Ed Line, bemängelte ausdrücklich, dass er 1,5 Mio. t an Getreide per Schiff auf den Weg bringen könnte, wenn die Elbe wirtschaftlich besser nutzbar wäre, wenn alle e Wasserstände führen würde, wennauch die Schleuse in Fürstenwald endlich erneuert werde und wenn die Hohensaatener-Friedrichsthaler Wasserstraße bessere Tauchtiefen als nur 1,55 bis 1,70 m aufweisen würde. Stattdessen transportierten seine Schiffe nicht mehr als 300.000 bis 500.000 t jährlich und er müsse immer wieder teurere Ersatzverkehre mit Bahn und Lkw organisieren.

Lech Sisicki, Direktor von OT Logistics S.A. Breslau (ex Odratrans), zu der auch die Deutsche Binnenreederei gehört, hob hervor, dass sein Unternehmen im deutschen und westeuropäischen Markt gute Geschäfte mache, weil dort für die polnischen Schiffe bessere Existenzbedingungen geben seien. Deshalb befürworte er das Programm zur Ertüchtigung der Oder, womit Westpolen strukturell aufgewertet und effektive Binnenschiffstransporte angeboten werden könnten. Allerdings müssten dafür die Oder und die zulaufenden Wasserstraßen mindestens für Tauchtiefen von 1,80 m ausgebaut werden.

Petr Forman, Berater des Präsidenten der Tschechischen Republik für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen, begrüßte den Vorschlag, die Oder etwa wie die Mosel auszubauen und das Projekt des Donau-Oder-Elbe-Wasserweges wieder anzugehen. Das würde auch für die Regionen Schlesien und Mähren ein größeres Wirtschaftspotential erschließen. Aber stemmen lassen werde es sich nur, wenn Brüssel durch Fördermittel mithelfe.

Die polnische Vizeministerin Anna Moskwa sprach den Wunsch aus, dass die deutsche Verkehrspolitik dem polnischen Wunsch zur Ertüchtigung der Oder durch die Ertüchtigung der Spree-Oder-Wasserstraße und der Oder-Havel-Wasserstraße entgegen kommen möge.

Die Erklärung kann unter folgendem Link abgerufen werden:

http://www.kammerunion.eu/Neuer_Inhalt20171116-konferenz-zur-zukunft-der-oder/3905780


Christian Knoll